Wie in China alles begann 

Wie in China alles begann 

Zur Historie einer frühen Kooperation

Mitten im Kalten Krieg wagte eine Delegation der Max-Planck-Gesellschaft unter der Leitung des damaligen Präsidenten Reimar Lüst im April 1974 die Reise ins Unbekannte – nach China. Zurück kehrte sie mit dem gegenseitigen mündlichen Versprechen des wissenschaftlichen Austauschs von Forschenden beider Länder.

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatten zahlreiche chinesische Forschende in Deutschland studiert und geforscht. An diese Verbindung wollte man nun wieder anknüpfen. So wurde der erste offizielle Besuch einer Delegation der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) in Deutschland von Professor Zhou Peiyuan geleitet, der noch bei Albert Einstein in Berlin studiert hatte.

Was aus damaliger Sicht ein Wagnis war, entwickelte schon nach kurzer Zeit eine erstaunliche Dynamik. In den mehr als 50 Jahren der Zusammenarbeit haben Tausende chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Max-Planck-Instituten geforscht und zahlreiche deutsche Forschende in China gearbeitet. Dadurch sind auch viele enge, persönliche Beziehungen entstanden.

Die ersten Jahre der Kooperation

Den Beginn der Kooperation prägten vor allem die Aus- und Weiterbildung von Stipendiatinnen und Stipendiaten. Am Institut für Zellbiologie der CAS in Shanghai wurde Anfang der 1980er-Jahre ein eigenes Gästelabor eingerichtet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland forschen dort gemeinsam mit chinesischen Kolleginnen und Kollegen und unterrichten chinesische Nachwuchsforschende.

Heute kommen rund zehn Prozent aller ausländischen Nachwuchs- und Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an den Max-Planck-Instituten aus China. Ihre Anzahl hat sich damit seit 1998 mehr als verdoppelt. Wie erfolgreich die Partnerschaft ist, zeigt sich auch daran, dass etwa ein Drittel aller Leitungs- und Direktorenpositionen in der CAS mit Forschenden besetzt ist, die in Deutschland ausgebildet wurden.

Selbstständige Max-Planck-Nachwuchsgruppen in China

1995 wurden Selbstständige Nachwuchsgruppen eingerichtet – zunächst modellhaft. Sie sollten jungen, im Ausland lebenden chinesischen Forschenden die Rückkehr nach China attraktiv machen. Die Programme führten wichtige Elemente wie Wettbewerb und unabhängige Begutachtung ein: So erfolgte die Auswahl der Nachwuchsgruppenleiterinnen und -leiter auf der Basis einer internationalen Stellenausschreibung und die Begutachtung durch internationale Fachbeiräte. Seit 1995 wurden 13 Nachwuchsgruppen an CAS-Instituten eingerichtet.

Der erste Leiter der in Shanghai eingerichteten Selbstständigen Nachwuchsgruppen, Professor PEI Gang, wurde nach fünf Jahren zum Direktor des größten biowissenschaftlichen Zentrums der CAS, das Shanghai Institute for Biological Sciences (SIBS), berufen. Einige Jahre später wurde er Präsident der Tongji-Universität in Shanghai. Auch der Leiter der zweiten Nachwuchsgruppe, Professor HU Gengxi, machte Karriere: Er finanzierte bald seine Forschungsarbeiten aus den Einnahmen mehrerer eigener international bekannter Biotech-Unternehmen. Heute ist er ein erfolgreicher Unternehmer.  Beiden Forschern ist ebenfalls gemein, dass sie vielversprechende Karriereperspektiven in den USA zugunsten der Nachwuchsgruppenleiter-Positionen aufgegeben haben. In einem Interview sagte Pei Gang: „Natürlich wollte ich immer zurück nach China, denn ich bin Chinese und China ist meine Heimat. Aber ich wollte, wenn ich zurückkomme, etwas bewegen können. Als ich die Anzeige in ‚Science‘ las, traute ich meinen Augen nicht. Hier war eine Position ausgeschrieben, die mir beides ermöglichte: zurückzukehren und etwas zu bewegen.“

2004 bis 2020: CAS-MPG Partner Institute for Computational Biology (PICB)

2004 gegründet, war das Partnerinstitut seinerzeit ein Pilotprojekt für ein institutionelles Engagement der Max-Planck-Gesellschaft in China. Die vertragliche Bindung der MPG an das rechtlich und administrativ zur CAS gehörende Institut endete im Dezember 2020. Eingebunden war das ehemalige Partnerinstitut in die Infrastruktur des Shanghai Institute of Nutrition and Health.

Brückenköpfe im Reich der Mitte

Um noch stärkere Netzwerke im chinesischen Forschungssystem zu bilden, vereinbarten die Max-Planck-Gesellschaft und die CAS 1999 die Einrichtung von Partnergruppen. Begabte chinesische Nachwuchsforschende erhalten hier Gelegenheit, ihre mit Max-Planck-Partnern begonnenen Projekte in China fortzusetzen und sich für wissenschaftliche Leitungsfunktionen in China zu qualifizieren. Insgesamt hat die Max-Planck-Gesellschaft bisher 62 Partnergruppen in China eingerichtet, 26 davon sind momentan aktiv.

Mit der Etablierung der Exploratory Round Table Conferences (ERTC) im Jahr 2010 sowie der Einrichtung des Max Planck-GIBH Joint Center for Regenerative Biomedicine (2016 bis 2021) hat die Partnerschaft mit China eine neue Qualität erreicht. Darüber hinaus erweitern die Max-Planck-Gesellschaft und die Chinesische Akademie der Wissenschaften ihre strategische Zusammenarbeit seit 2018 mit gemeinsamen Großprojekten in ausgewählten wissenschaftlichen Schwerpunktbereichen. Der Fokus liegt dabei auf mittel- und langfristig angelegten Kooperationen.

Zur Redakteursansicht