Forschungsbericht 2021 - Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Standort Stuttgart
Elektrohydraulischer Arachno-Bot ein faszinierendes Leichtgewicht
Es wäre nicht das erste Mal, dass Spinnen dem Forschungsfeld der Soft-Robotik als biologische Vorbilder dienen. Die hydraulischen Antriebsmechanismen, mit denen die Gliederfüßer ihre Beine beim Weben ihrer Netze oder bei der Jagd bewegen, verleihen Spinnen Kräfte, die so mancher Robotiker oder Ingenieur versucht nachzubauen.
Am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme haben wir zusammen mit Forschenden der University of Colorado Boulder in den USA ein Spinnengelenk nachgebildet, das es so noch nie gab. Sogenannte Gelenkroboter lassen sich damit sehr gut bewegen, da deren Beine ohne sperrige Komponenten und Verbindungsstücke auskommen, die den Roboter ansonsten beschweren, unbeweglich und langsam machen würden. Die schlanken und leichten, simplen Gelenkstrukturen beeindrucken insbesondere dadurch, dass sie den Roboter um das Zehnfache seiner Größe hochkatapultieren können. Ende Mai 2021 haben wir die Forschungsarbeit mit dem Titel "Spider-inspired electrohydraulic actuators for fast, soft-actuated joints" in Advanced Science veröffentlicht [1].
Roboterhand kann selbst zerbrechliche Gegenstände aufheben
Die hohe Sprungkraft wird möglich durch sogenannte Spider-inspired Electrohydraulic Soft-actuated joints – kurz SES-Gelenke. Die Gelenke setzen wir in vielen verschiedenen Konfigurationen ein – nicht nur bei der Entwicklung von Arachno-Bots. In unserer Arbeit stellen wir zunächst ein bidirektionales Gelenk vor, gehen dann über zu einer mehrteiligen Gliedmaße und zeigen am Ende, dass wir mit den Gelenken sogar einen Greifer mit drei Fingern bauen können. Die Roboterhand kann selbst zerbrechliche Gegenstände problemlos aufheben und bewegen, ohne sie zu beschädigen. Alle Kreationen, die auf SES-Gelenken basieren, sind leicht, einfach im Design und sehr leistungsstark. Das macht sie ideal für Robotersysteme, die sich schnell bewegen können und mit vielen verschiedenen Umgebungen interagieren müssen.
Wir entwickelten unsere SES-Gelenke auf Basis der HASEL-Technologie, die wir bereits vor einigen Jahren zum Bau künstlicher Muskeln erfunden hatten [4, 5]. SES-Gelenke ahmen ein von Spinnen inspiriertes Exoskelett nach, das sowohl aus starren als auch weichen Elementen besteht. Während das Tier eine hydraulische Kraft beim Strecker der Beine erzeugt, ist es jedoch beim Roboter genau anders herum, nämlich wenn er seine Beine anwinkelt.
Mit Pflanzenöl gefüllte Beutel bewegen die Gelenke
Ein SES-Gelenk besteht aus einem weichen Beutel aus dünner Kunststofffolie (zum Beispiel Polyester oder Polypropylen). Diesen füllen wir mit einer elektrisch isolierenden Substanz. Hierfür nutzen wir ein einfaches Pflanzenöl. Dann befestigen wir Elektroden auf beiden Seiten des Beutels. Der Beutel wiederum ist verbunden mit einem starren Drehgelenk. Wenn eine Hochspannung zwischen den Elektroden angelegt wird, bewirken die elektrostatischen Kräfte, dass sich das Pflanzenöl im Inneren des Beutels verschiebt und sich so das Gelenk dreht. SES-Gelenke lassen sich bis zu 70 Grad rotieren, was ein hohes Drehmoment zur Folge hat. Zudem kehren die Gelenke automatisch in ihre Ausgangsposition zurück.
SES-Gelenke sind sehr einfach und leicht, da es keine peripheren Komponenten gibt, die den Roboter beschweren. Weiche Roboter erfordern vielseitige Antriebe. Diese von Spinnen inspirierten Gelenke sind sehr leistungsstark, verbrauchen wenig Energie, und sind einfach und billig herzustellen. Die Produktion der Gelenke wäre also leicht skalierbar. Das sind alles Kriterien, die beim Design maßgeblich sind, wenn sich Roboter auf vielerlei Weise bewegen und verschiedene Objekte greifen können sollen.
Ein Greifer mit drei Fingern ist eine Anwendung, mit der unser Team die Vielseitigkeit der SES-Gelenke unter Beweis stellt. Hätten wir den Greifer stattdessen mit künstlichen Muskeln ausgestattet, wären diese beim Greifen eines Objektes im Weg. SES-Gelenke hingegen benötigen weit weniger Platz.
Unsere Forschung zeichnet sich dadurch aus, dass wir eine Vielzahl von Materialien verwenden können, sogar einfacher Kunststoff, aus dem Chips-Tüten hergestellt werden. Auf diese Weise können wir SES-Gelenke in vielen verschiedenen Robotern einsetzen, die alle spezielle Eigenschaften haben.
Sprung nach vorne
Es war übrigens nicht unser primäres Ziel, einen Spinnenroboter zu bauen. Wir wollten vielmehr ein modernes, vielseitiges Gelenk entwickeln, das man in jede Art von Roboter einbauen kann. Besonders für kleine Robotersysteme von nur wenigen Zentimetern Größe, bei denen der begrenzte Platz die Wahl des Antriebs stark einschränkt, werden SES-Gelenke in Zukunft sehr nützlich sein. Für das Forschungsfeld der Soft-Robotik ist diese Erfindung ein echter Sprung nach vorn.