Die tragische Seite der Plancks
In diesem Interview spricht der Schauspieler und Schriftsteller Steffen Schroeder über seine Verwandtschaft mit Max Planck und die Entstehung seines Romans „Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor“.
Im Jahr 2023 feiert die Max-Planck-Gesellschaft ihr 75-jähriges Bestehen. Dabei gedenken wir auch unseres Namensgebers, des Physikers und Wissenschaftsorganisators Max Planck. Was fasziniert dich an Max Planck, und warum kann er auch heute noch ein Vorbild für junge Wissenschaftler*innen sein?
Steffen Schröder: Mich fasziniert sein Engagement für die Wissenschaft, die Gesellschaft und für seine Familie. Max Planck wirkte nach außen nüchtern, aber er war ein sehr liebevoller Familienvater – vor allem damals längst keine Selbstverständlichkeit. Dabei ist er äußerst bescheiden geblieben und hat sich selbst immer zurückgenommen: Auf Reisen etwa fuhr er erster Klasse, wenn seine Familie ihn begleitete. War er dagegen allein unterwegs, nahm er einen Platz in der dritten Klasse. Einmal hat er auf einer Bank übernachtet, weil seine Reisekasse in Zeiten der galoppierenden Inflation nach drei Tagen nicht mehr für ein Quartier ausreichte. Ich denke, wir bräuchten heute mehr engagierte Menschen, die sich selbst nicht so wichtig nehmen.
Deine Ururgroßmutter väterlicherseits war eine Halbschwester von Max Planck. Erinnerst du dich, wann du zum ersten Mal von deiner Verwandtschaft mit Max Planck erfahren hast?
Ja, das war als Kind: Meine Großtante hatte mir zum Geburtstag – neben einem Roller – ein Zweimarkstück geschenkt. Auf der Rückseite war Max Planck zu sehen. Sie sagte mir, das sei mein Vorfahr und ich solle die Münze gut aufheben. Ich habe sie heute noch.
Wie bist du auf die Idee zu dem Buch gekommen?
Geschichten über Max Planck waren in unserer Familie immer präsent. Als Jugendlichem hat mir mein Vater dann von der tragischen Seite der Plancks erzählt: Von Max Plancks geliebtem Sohn Erwin, der am Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt, von den Nazis verhaftet und zum Tode verurteilt worden war. Während sein Sohn in der Todeszelle saß, sollte der 86-jährige Max Planck ein Bekenntnis zum Führer verfassen. Wie hat er sich als Vater in dieser furchtbaren Situation gefühlt? Was hätte ich an seiner Stelle getan? Diese Fragen haben mich nie losgelassen. Ich wollte mich mit ihnen auseinandersetzen und wissen, was damals genau passiert ist.
Für das Buch konntest du auf private Quellen zurückgreifen, die bislang nicht veröffentlicht sind. Wie bist du an diese Dokumente gelangt?
Viele davon sind im Besitz meiner Familie. Darüber hinaus bin ich auf Umwegen auf einen Nachlass von Erwin Planck und seiner Frau Nelly gestoßen, den ich für meine Recherchen nutzen durfte.
Welche Dokumente standen dir zur Verfügung?
Ich habe einige private Fotoalben: Nelly Planck war begeisterte Fotografin. Sie hat als Röntgenärztin unter Ferdinand Sauerbruch an der Berliner Charité gearbeitet. In der Dunkelkammer der Klinik hat sie die Fotos entwickelt. Auch das Bild auf dem Buchcover stammt von ihr. Darüber hinaus gibt es etliche Briefe zwischen Max Planck und seinem Sohn Erwin sowie zwischen meinem Großvater und „Onkel“ Max. Sie haben mir sehr geholfen, die Familiengeschichte zu beleuchten. Einer dieser Briefe an meinen Großvater hat mich schon als Kind beeindruckt. Er hing gerahmt über dem Sofa meiner Großeltern. Darauf war ein großer Tintenklecks zu sehen, und darunter stand ganz klein: „Entschuldige den Klecks.“ Das hat mir Max Planck schon früh auf ganz wunderbare Weise nahbar gemacht.
Wie viel Fiktion steckt in deinem Roman?
Das Buch ist ein Tatsachenroman. Ich habe immer wieder Originalzitate eingebaut und mich bemüht, nichts zu erfinden. Es gibt einige skurrile Szenen – etwa einen Bier trinkenden Kater an der Charité –, von denen man denken könnte, ich hätte sie mir ausgedacht, aber das ist nicht der Fall. Vielmehr habe ich gezielt nach solchen Szenen gesucht, weil ich glaube, dass ein Roman zu einem so ernsten Thema auch eine gewisse Leichtigkeit braucht. Von dem Kater hat mir Nelly Plancks spätere Sekretärin erzählt.
Warum war es dir wichtig, nicht nur die Vater-Sohn-Beziehungen zwischen Max und Erwin Planck sowie Albert und Eduard Einstein gegenüberzustellen, sondern auch starke Frauenfiguren wie Nelly Planck zu porträtieren?
Nelly Planck war für ihre Zeit sehr modern. Sie war Ärztin, fuhr bereits in den 1920er-Jahren Auto und kannte sich mit Automobilen bestens aus. Es gibt ein von ihr geführtes Fahrtenbuch, in dem sie technische Details wie Ölstand oder das Stottern des Motors dokumentiert hat. Als Frau eines Widerstandskämpfers traf sie ein hartes Schicksal, denn für viele Deutsche waren Männer wie der ihre Vaterlandsverräter. Erst spät hat man angefangen, sie als Helden zu sehen. Nelly Planck ist 1975 gestorben und hat das nicht mehr erlebt. Ich wollte, dass sie im Roman den Platz bekommt, den
sie verdient.
Neben der Wissenschaftsgeschichte spielt auch Musik eine wichtige Rolle in deinem Buch. Spielst du selbst ein Instrument, so wie Max Planck und Albert Einstein, die sich häufig trafen, um gemeinsam zu musizieren?
Als Kind und Jugendlicher habe ich im Chor gesungen und Geige gespielt. Irgendwann würde ich gerne wieder damit anfangen.
Was bedeutet dir die Musik von Johannes Brahms, die das Buch wie ein roter Faden durchzieht?
Ich liebe die Musik von Brahms, sie ist sehr emotional. Seine Werke wurden damals als innovativ gefeiert, speziell seine Dritte Sinfonie war ein Novum in der Musikgeschichte. Auch Max Planck mochte Brahms. Er und Einstein haben seine Stücke häufig gespielt, Erwin hat sie auf dem Cello begleitet.
Steffen, vielen Dank für das Gespräch.
Anmerkung der Redaktion:
Unsere Redakteurin Elke Maier kennt Steffen Schroeder aus der gemeinsamen Schulzeit am Louise-Schroeder-Gymnasium in München und ist daher mit ihm per Du. Das Interview erscheint in einer gedruckten Version in der kommenden Ausgabe unseres Community-Magazins MaxMag 2/2023.