Ein Kapitel der deutsch-jüdischen Versöhnung nach dem Holocaust
Die wissenschaftlichen Beziehungen der Max-Planck-Gesellschaft nach Israel sind ein Kapitel deutscher Zeitgeschichte
Die Max-Planck-Gesellschaft hat heute nicht nur besonders enge wissenschaftliche Beziehungen zu Israel, sondern diese reichen auch weit zurück in die Zeit kurz nach dem Holocaust, als eine Annäherung von Deutschen und Israelis unmöglich erschien. Der Max-Planck-Gesellschaft kommt in diesem wichtigen Kapitel der Zeitgeschichte eine bedeutende Rolle zu.
Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust war eine der schwierigsten Aufgaben der deutschen Bundesregierung nach dem Zweiten Weltkrieg. Dazu gehörte auch das Bemühen um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen der Bundesrepublik zum neu gegründeten Staat Israel. Bundeskanzler Konrad Adenauer brachte in den 1950er-Jahren zunächst die finanzielle Entschädigung überlebender Opfer auf den Weg, noch wichtiger aber war die Annäherung der Menschen, die nach den Massenmorden von deutscher Hand an den europäischen Juden unmöglich schien.
Schätzungsweise sechs Millionen Menschen jüdischer Herkunft starben zwischen 1933 und 1945 in Massakern und in Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern, für die sich Deutsche nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ verantworten mussten. In der Max-Planck-Gesellschaft fand Adenauer einen wichtigen Helfer für die schwierige Aufgabe der Annäherung an Israel. Ein Meilenstein war die Reise des damaligen Max-Planck-Präsidenten Otto Hahn, der 1959 mit einer kleinen Delegation der Einladung des Weizmann-Instituts folgte. Initiator war Josef Cohn, Repräsentant des Weizmann-Instituts in Europa.
Es war die erste Reise einer offiziellen deutschen Delegation nach Israel überhaupt. Gemeinsame wissenschaftliche Anliegen und Interessen – vor allem in der Physik – bildeten die Brücke, um die Kluft aus Misstrauen und Abneigung zu überwinden. Auch Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, aus der 1948 die Max-Planck-Gesellschaft hervorging, hatten das menschenverachtende System des Nationalsozialismus für ihre Forschung genutzt. Am jungen Weizmann-Institut gab es deshalb große Vorbehalte gegen die deutsche Delegation. Deren Mitglieder, allen voran Otto Hahn besaßen jedoch eine hohe fachliche Reputation und waren vom Nationalsozialismus unbelastet. Hahn hatte auch in der NS-Zeit die Verbindung zu vertriebenen jüdischen Kolleginnen und Kollegen aufrechterhalten. Diese Beziehungen halfen nun, eine neue Ära der Verständigung einzuleiten. Das Weizmann-Institut selbst hatte ein strategisches Interesse, die Max-Planck-Gesellschaft als Partner und Förderer zu gewinnen und agierte damit im Sinne der israelischen Regierung, die in einem effizienten Wissenschaftssystem einen Innovationsmotor für den im Aufbau begriffenen jungen Staat sah.
Die Reise war ein Erfolg für beide Seiten. Vereinbart wurde dabei ein wissenschaftliches Austauschprogramm zwischen dem Weizmann-Institut und der Max-Planck-Gesellschaft, das von der deutschen Bundesregierung finanziell gefördert wurde. Die Gründung der Minerva-Stiftung gab dieser Kooperation 1964 einen stabilen institutionellen Rahmen und garantierte weiteres Wachstum bis heute. 1973 folgte das Fellowship-Programm und 1975 die ersten Minerva Center an Universitäten in Israel. 2023 begehen wir das 50-jährige Jubiläum des Minerva-Fellowship-Programms – die dazu geplanten Feierlichkeiten werden gerade von den schrecklichen Ereignissen in Israel überschattet.
Hahns Reise von 1959 wirkte weit über die Wissenschaft hinaus: Sie erwies sich als Meilenstein auf dem Weg der diplomatischen Annäherung. Nur ein Jahr später trafen sich der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer und der israelische Ministerpräsident David Ben-Gurion in New York. 1965 nahmen beide Staaten offiziell diplomatische Beziehungen auf.
In den folgenden Jahrzehnten fand in Deutschland eine umfassende historische Aufarbeitung der im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen statt. Auch die Max-Planck-Gesellschaft legte ihre historische Mitschuld offen und hält heute die Erinnerung an die Opfer des Holocaust wach. Ihre Mitschuld manifestiert sich nicht nur im Handeln ihrer Vorläuferorganisation, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), sondern auch in der Tatsache, dass einzelne Wissenschaftler der KWG ihre Karrieren – trotz ihrer Verstrickungen im Nationalsozialismus – unbeeinträchtigt in der MPG bis in die 1960er-Jahre hinein weiterführen konnten.
Vor diesem Hintergrund ist es unerträglich, wenn israelische und jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger nun auch in Deutschland wieder bedroht werden und Menschen den Terror der Hamas auch auf unseren Straßen feiern. Wir verurteilen jede Form von Antisemitismus!