Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts

Mikrochips für Licht

Autoren
Del‘Haye, Pascal
Abteilungen

Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen

Zusammenfassung
Die Möglichkeit, Milliarden von Transistoren auf Computerchips unterzubringen, hat unsere Gesellschaft maßgeblich verändert. Für immer leistungsfähigere Systeme zur Datenverarbeitung spielt auch die Photonik eine große Rolle. Während die Miniaturisierung von elektronischen Komponenten schon seit mehr als 40 Jahren stetig voranschreitet, ist das Forschungsfeld der integrierten Photonik relativ neu. Am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts haben wir Prozesse entwickelt, um optische Schaltkreise auf Mikrochips herzustellen, die für die Datenübertragung und optische Signalverarbeitung genutzt werden können.

Ein großer Teil unserer Telekommunikationsinfrastruktur basiert auf Photonik mit Komponenten wie Laserdioden, Glasfasern und optischen Modulatoren. Bisher sind die meisten der dafür benötigten Bauteile "makroskopisch", d. h. im Größenbereich von einigen Zentimetern. In den letzten Jahren gab es wesentliche Fortschritte, immer mehr optische Bauelemente zu miniaturisieren und direkt auf photonischen Chips zu integrieren. Dies ist insbesondere für die Massenfertigung von optischen Sensoren und optischen Datenverarbeitungssystemen von großem Vorteil. Im Gegensatz zu elektronischen Komponenten hat Licht den Vorteil, große Datenmengen nahezu verlustfrei transportieren zu können. In elektronischen Komponenten werden bei hohen Taktfrequenzen bzw. hohen Datenraten Leitungsverluste problematisch. Die dabei entstehende Wärme limitiert höhere Taktfrequenzen von Prozessoren, die momentan etwas unter 5 GHz im High-end Consumerbereich liegen. Licht kann hingegen mit nahezu beliebig hohen Frequenzen moduliert werden und ermöglicht annähernd verlustfreien Datentransport selbst bei Modulationsfrequenzen von mehr als 100 GHz.

Am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts haben wir neue Prozesse entwickelt, um chip-basierte photonische Komponenten mit extrem geringen optischen Verlusten herzustellen. Einige Beispiele sind in Abbildung 1 dargestellt. Mit diesen Komponenten kann man Lichtwellen auf vielfältige Weise kontrollieren und steuern. Man kann photonische Komponenten in zwei verschiedene Klassen aufteilen: (1) Bauteile, die Licht steuern ohne die Farbe/Wellenlänge zu ändern; und (2) Bauteile, die neue Wellenlängen erzeugen bzw. Wellenlängen umwandeln (sogenannte "nichtlineare" Komponenten).

Beispiele für Bauteile ohne Wellenlängenänderung:

  • Wellenleiter, in denen Licht durch totale interne Reflektion geleitet wird (Abb. 1b). Hierzu benötigt man ähnlich wie in einer Glasfaser ein Material mit hohem Brechungsindex, das in ein Material mit niedrigem Brechungsindex eingebettet ist.
  • Resonatoren um Licht zu speichern (Abb. 1a). Dies sind z.B. Ringe in denen Lichtteilchen mehrere hunderttausendmal umlaufen können um sie kurzfristig zu speichern. Zum anderen können in solchen Resonatoren sehr hohe Lichtleistungen von bis zu einem Megawatt kurzfristig gespeichert werden.
  • Optische Wellenlängenmultiplexer (Abb. 1c). In diesen Strukturen kann mehrfarbiges Licht aus einem Eingangswellenleiter je nach Farbe auf zwei oder mehr Ausgangswellenleiter aufgeteilt werden.
  • Chip-integrierte Spiegel (Abb. 1d) um Lichtsignale umzuleiten. Diese Strukturen bestehen aus vielen Oberflächen, die jeweils einen kleinen Teil der einfallenden Lichtwellen reflektieren. Dabei ist der Abstand der zwischen den Oberflächen so gewählt, dass sich die reflektierten Wellen so überlagern, dass nahezu 100% des einfallenden Lichts reflektiert wird.

Zum anderen gibt es photonische Bauteile, die die Wellenlänge von Licht ändern. Sie sind von großer Bedeutung für Quantenanwendungen, für optisches Computing und für Telekommunikationssysteme. Beispiele sind:

  • 3-Photonen Prozesse. Hiermit kann z. B. ein Photon mit hoher Energie (kleine Wellenlänge) in 2 verschränkte Photonen mit niedriger Energie umgewandelt werden. Den umgekehrten Prozess macht man sich in Laserpointern zunutze um 2 infrarote Photonen in ein sichtbares grünes Photon umzuwandeln.
  • 4-Photonen Prozesse. Hier werden z. B. drei infrarote Photonen in ein höherenergetisches Photon umgewandelt. Abbildung 1e zeigt solch eine Umwandlung von jeweils 3 unsichtbaren infraroten Photonen mit einer Wellenlänge von 1560 nm in ein sichtbares grünes Photon mit einer Wellenlänge von 520 nm in einem spiralförmigen Ringresonator.
  • Elektrische Modulatoren. Hiermit können durch ein externes elektrisches Signal die Wellenlänge und Leistung von Licht geändert werden.

Die Mikrophotonik-Gruppe am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts hat einen neuen Prozess entwickelt, um Chip-integrierte photonische Komponenten aus Siliziumnitrid (Si3N4) mit extrem niedrigen Verlusten herzustellen. Siliziumnitrid ist herausragendes Material für die integrierte Photonik, da es über einen sehr weiten Wellenlängenbereich transparent ist und gleichzeitig eine hohe Nichtlinearität besitzt, d. h. es ist gut geeignet, um die Wellenlänge von Photonen auf einem Chip zu ändern. Im neuen Prozess wird Siliziumnitrid mithilfe eines Sputterprozesses auf eine Quarzglasoberfläche (SiO2) auf einem Siliziumwafer abgeschieden (siehe Abbildung 2).

Im Sputterprozess werden Ionen auf eine Siliziumprobe geschossen, um Siliziumatome zu lösen. Diese verbinden sich anschließend mit Stickstoffatomen und scheiden sich als Si3N4 auf die Quarzglasoberfläche ab. Im Anschluss werden die photonischen Bauelemente mithilfe von Elektronenstrahllithographie in das Siliziumnitrid „geschrieben“. Der Vorteil des neuen Herstellungsprozesses ist, dass er bei niedrigen Temperaturen abläuft und damit mit Standardprozessen für die Herstellung von elektronischen Mikrochips kompatibel ist. Dies ist von großer Bedeutung für zukünftige hybride Chips, die sowohl elektronische als auch optische Komponenten enthalten. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass im Sputterprozess auf den Einsatz von Wasserstoff verzichtet wird. In momentan etablierten Prozessen für die integrierte Photonik sind Wasserstoff-Verbindungen ein großes Problem, da sie zu großen optischen Verlusten führen. Der am MPL entwickelte Prozess hat damit großes Potenzial für die Entwicklung von hochintegrierten photonischen Chips für Quantenanwendungen, Neuromorphic Computing und Telekommunikationssysteme.

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