Bildung von Paclitaxel entschlüsselt
Forschende haben die Schritte zur Biosynthese des Chemoterapeutikums für die Krebstherapie identifiziert
Teil der modernen Krebstherapie ist der Einsatz von giftigen Chemikalien, so genannten Chemotherapeutika, die den Tumor abtöten. Leider sind diese Chemikalien oft sehr komplex, schwer zu beschaffen und daher teuer. Forschende des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie haben herausgefunden, wie Eiben Paclitaxel produzieren, ein bei der Krebsbehandlung häufig eingesetztes Chemotherapeutikum. Die Entdeckung könnte die Produktion dieses sehr komplexen Moleküls erleichtern.
Das Chemotherapeutikum Paclitaxel ist ein natürliches Pflanzenheilmittel, das aus Eiben gewonnen wird. Da für zwei Gramm für die Behandlung eines einzigen Patienten zehn Tonnen Eibennadeln benötigt werden, wird nach anderen Produktionsmethoden gesucht. Die künstliche Synthese von Paclitaxel im Labor ist zwar möglich, aber aufgrund seiner komplizierten chemischen Struktur erfordert sie viele komplexe Schritte und ist daher noch teurer als die Gewinnung aus Nadeln und Rinde.
Eiben stellen diese komplexe Chemikalie mithilfe von Enzymen her. Enzyme sind Hilfsmittel, die eine lange Kette chemischer Reaktionen ermöglichen und zum endgültigen Paclitaxel-Molekül führen. Das ist kostenlos, aber die Pflanze produziert nur winzige Mengen dieser Verbindung. Eine gängige Methode zur Beschleunigung der Arzneimittelproduktion in solchen Fällen besteht darin, den genetischen Code für die beteiligten Enzyme zu kopieren und sie in einen anderen Organismus zu überführen, aus dem das Arzneimittel dann leicht und in größeren Mengen als aus Eibennadeln extrahiert werden kann. Dieser Ansatz wird zum Beispiel für die Insulinproduktion verwendet. Dazu müssen die Forschenden jedoch alle Enzyme und ihren genetischen Code kennen, um den betreffenden Prozess zu kopieren. Bei der Biosynthese von Paclitaxel waren viele der Enzyme und Zwischenprodukte unbekannt.
Transgene Pflanzen produzieren Paclitaxel in ähnlichen Mengen
Youjun Zhang und Kollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie konnten nun alle fehlenden Schritte, die Eiben zur Herstellung von Paclitaxel benötigen, auf einmal identifizieren. Sie analysierten die Daten von zwölf Experimenten, in denen mehrere zehntausend Gene in Eiben untersucht wurden. Auf diese Weise entdeckten sie Sequenzen für Enzyme, die in ähnlicher Menge produziert werden wie die wenigen anderen Enzyme, von denen bereits bekannt ist, dass sie an der Bildung von Paclitaxel beteiligt sind. Mit Hilfe ausgefeilter chemischer Analysen und molekularbiologischer Werkzeuge gelang es ihnen, den gesamten Biosyntheseweg zu wiederholen und alle Enzyme in die Pflanze Nicotiana benthamiana zu kopieren. Diese transgenen Nicotiana-Pflanzen produzierten tatsächlich ähnliche Mengen an Paclitaxel wie die Eibe.
Die Forschenden versuchten auch, den Paclitaxel-Stoffwechselweg in Bakterien zu kopieren, stellten aber fest, dass einige der Enzyme in Bakterienzellen nicht funktionieren. "Es könnte mit der Lage der Enzyme in den Pflanzenzellen zu tun haben. In Pflanzen sind die meisten Enzyme, die an der Biosynthese von Paclitaxel beteiligt sind, an eine bestimmte Membran gebunden. So liegen sie dicht beieinander und bilden möglicherweise eine Transportkette, in der jedes Enzym das Produkt des vorhergehenden übernimmt und es weiter modifiziert, bis am Ende das endgültige Paclitaxel freigesetzt wird. Da Bakterien andere Membranen haben als Pflanzen, kann es sein, dass die Enzyme nicht zueinander finden", sagt Youjun Zhang, der Hauptautor der Studie.
Die Tatsache, dass nun der gesamte Biosyntheseweg für eines der erfolgreichsten Chemotherapeutika der Welt enthüllt ist, birgt das Potenzial, Wege zur Beschleunigung der Paclitaxel-Produktion zu finden. "Die Entdeckung des vollständigen Paclitaxel-Biosynthesewegs die Tür für die angewandte Forschung zur Optimierung der Produktion öffnen kann. Es könnte auch möglich sein, den Prozess so anzupassen, dass er auch in Bakterien funktioniert. Dies würde eine Produktion in großem Maßstab ermöglichen, die pflanzliche Gewebekulturen verwenden. Bis dahin können die von uns geschaffenen Nicotiana bethamiana-Linien zur Optimierung des Systems und zur Steigerung der Ausbeute bestehender Produktionslinien verwendet werden“, sagt Alisdair Fernie, der Leiter der Forschungsgruppe.