Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Revolution von Nanoelektronik und Spintronik: die Rolle von atompräzisen Graphen-Nanobändern

Autoren
Ma, Ji; Feng, Xinliang
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik, Halle (Saale)

Zusammenfassung
Atompräzise Graphen-Nanobänder (GNB) gelten dank ihrer anpassbaren elektronischen Eigenschaften als vielversprechend für die nächste Generation von Nanoelektronik und Spintronik. Die Abteilung Synthetic Materials and Functional Devices (SMFD) am MPI für Mikrostrukturphysik entwickelt Strategien zur präzisen Gestaltung von GNBs mit spezifischen Strukturtopologien. Ziel ist es, Bandlücken, Ladungsträgermobilitäten und topologische Zustände zu optimieren, um eine nahtlose Integration in diverse Anwendungen von Nanoelektronik und Spintronik zu ermöglichen.

Graphen-Nanobänder (GNBs) bergen enormes Potenzial für die nächste Generation von Nanoelektronik und Spintronik. Diese quasi-eindimensionalen Nanomaterialien zeigen einzigartige elektronische und magnetische Eigenschaften, stark beeinflusst durch ihre Breite und Kantenstruktur. Die Herstellung von atomar präzisen GNBs mit Breiten unter 10 nm ist essenziell, um ihre physikochemischen Eigenschaften auf atomarer Ebene zu verstehen und diese hochwertigen Materialien in kohlenstoffbasierten Nanoelektronikgeräten zu implementieren. Die Synthese von GNBs umfasst zwei Hauptstrategien: top-down und bottom-up. Top-down-Methoden, wie die Elektronenstrahllithographie von Monolagen-Graphen oder das longitudinale Aufschneiden von Kohlenstoffnanoröhren, leiden oft unter niedrigen Ausbeuten und nicht einheitlichen Breiten sowie schlecht definierten Kantenstrukturen. Im Gegensatz dazu ermöglichen bottom-up-Methoden den Aufbau einer Vielzahl präziser GNBs mit kontrollierten Breiten und Kanten-Topologien unter Verwendung von Lösungs- oder Oberflächensynthesen. Damit lassen sich  elektronische und magnetische Eigenschaften nachweislich für die Entwicklung innovativer funktionaler Nanogeräte anpassen, die mit anderen kohlenstoffbasierten Nanomaterialien nicht erreichbar sind.

Die Abteilung Synthetic Materials and Functional Devices (SMFD) am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik hat in Zusammenarbeit mit den Gruppen Fasel und Müllen die bottom-up-organische Synthese von GNBs vorangetrieben. [1] Wir kooperieren mit mehr als zehn internationalen und nationalen Partnern, um GNBs in verschiedenen Geräten zu integrieren. In den letzten zehn Jahren ließen sich verschiedene präzise GNBs mit unterschiedlichen Breiten und Kantenstrukturen (z. B. Armchair, Zigzag oder Gulf), Heteroatom-Dotierungen und Nanoporen erfolgreich durch lösungs- und oberfächenvermittelte Synthese realisieren (Fig. 1a). Zur Integration von GNBs in Nanoelektronik und Spintronik erforschen wir aktiv synthetische Strategien zur Feinabstimmung der Bandlücken, Ladungsträgermobilitäten und topologischen Zustände von GNBs.

In den letzten Jahren lag unser Fokus insbesondere auf der Synthese gekrümmter (cove-) GNBs (Fig. 1a). [2] Die Einführung von Krümmung in GNBs ist ein entscheidender Parameter für die Veränderung der strukturellen Topologien und opto-elektronischen Eigenschaften. Zusätzlich haben gekrümmte GNBs das Potenzial, signifikant gesteigerte Verarbeitbarkeit und faszinierende Ladungstransporteigenschaften aufzuzeigen. Als Beispiel präsentierten wir einen neuartigen Typ gekrümmter GNBs mit periodischem Wechsel von Cove- (gewölbten) und Zigzag-Kanten (engl. für: Zickzack). Die Bandlücken dieser GNB-Familie lassen sich durch Abstimmung der Länge der Zigzag-Abschnitte und den Abständen zwischen zwei benachbarten Cove-Einheiten feinjustieren. Dadurch können sich ihre Eigenschaften von halbleitend zu nahezu metallisch transformieren. Darüber hinaus zeigen unsere experimentellen Ergebnisse, dass gekrümmte GNBs im Vergleich zu planaren GNBs ähnlicher Breite in der Regel eine bisher unerreicht schmale Bandlücke und eine hohe Ladungsträgermobilität aufweisen. [3]

Zusätzlich zu einheitlichen GNBs ermöglichen GNB-Heteroübergänge eine weitere Anpassungsmöglichkeit der elektronischen Bandstruktur. An der Schnittstelle der GNB können topologische elektronische Zustände auftreten. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Kürzlich entwickelten wir eine kontrollierte Methode zur Herstellung von präzisen GNB-Heteroübergängen (Fig. 1b). [4] Die Synthese erfolgte über eine Suzuki-Miyaura-Katalysator-Transfer-Kettenwachstumspolymerisation zweier verschiedener Monomere, gefolgt von einer Cyclodehydrogenierung des resultierenden Block-Copolymers. Darüber hinaus ließ sich die oberflächenvermittelte Synthese des gleichen GNB-Heteroübergangs aus einem unsubstituierten Block-Copolymer ebenfalls demonstrieren und weiter durch Rastertunnelmikroskopie charakterisieren. Diese bahnbrechende Synthese verspricht nicht nur die Herstellung von GNBs mit kontrollierten Längen, sondern birgt auch ein signifikantes Potenzial zur Synthese exotischer topologischer Zustände in GNB-Heterostrukturen, die Anwendungen in Quantencomputing und Spintronik inspirieren.

In einer bemerkenswerten Zusammenarbeit mit der Gruppe von Bogani der Universität Oxford haben wir äußerst saubere Einzel-Elektronen-Transistoren aus Lösungen einzeln dispergierter GNBs hergestellt (Abb. 2). [5] Unsere innovative Methode nutzt die extreme elektronische Sauberkeit von entbündelten GNBs. Dies lässt sich durch die chemische Identität der GNB-Seitenketten erreichen. Die sterisch anspruchsvollen dreidimensionalen Seitenketten mit einem Durchmesser von etwa 0,5 Nanometern übersteigen den typischen Abstand zwischen π-gestapelten graphitischen Schichten (0,3 Nanometer) und verhindern so effektiv die Aggregation zwischen den Graphen Nanobändern in Lösung.

Dieser Ansatz bietet eine Lösung für die oft undefinierte Natur der Seitenketten, welche mit der Nutzung von Tensiden verbunden ist, und behebt den Leistungsabfall, der auch Kohlenstoffnanoröhren beeinträchtigt. Im Bereich der Nanoelektronik bietet dieses Ergebnis bahnbrechende Perspektiven: Ultrareine Details sind nun für Graphen-Nanoelektrik mit atomar definierter Form zugänglich. Derzeit erforschen wir aktiv Strategien zur Verbesserung der Leitfähigkeit wie die Anpassung des Kontaktwiderstands oder die Erhöhung der Mobilität. Mit der Auflösung von Nanobandzuständen hin zu Mikroelektronenvolt-Energien hat sich der Zugang zu den vorhergesagten Spin- und topologischen Zuständen stark vereinfacht, und wir sind zuversichtlich, dass die Manipulation dieser Zustände kurz vor der Realität steht.

Literaturhinweise

Cai, J.; Ruffieux, P.; Jaafar, R.; Bieri, M.; Braun, T.; Blankenburg, S.; Muoth, M.; Seitsonen, A. P.; Saleh, M.; Feng, X.; Müllen, K.; Fasel, R.
Atomically precise bottom-up fabrication of graphene nanoribbons
Nature 466, 470 - 473 (2010)
Niu, W.; Ma, J.; Feng, X.
Precise Structural Regulation and Band-Gap Engineering of Curved Graphene Nanoribbons
Accounts of Chemical Research 55, 3322 - 3333 (2022)
Wang, X.; Ma, J.; Zheng, W.; Osella, S.; Arisnabarreta, N.; Droste, J.; Serra, G.; Ivasenko, O.; Lucotti, A.; Beljonne, D.; Bonn, M.; Liu, X.; Hansen, M. R.; Tommasini, M.; De Feyter, S.; Liu, J.; Wang, H. I.; Feng, X.
Cove-Edged Graphene Nanoribbons with Incorporation of Periodic Zigzag-Edge Segments
Journal of the American Chemical Society 144, 228-235 (2022)
Zhang, J.-J.; Liu, K.; Xiao, Y.; Yu, X.; Huang, L.; Gao, H.-J.; Ma, J.; Feng, X.
Precision Graphene Nanoribbon Heterojunctions by Chain-Growth Polymerization
Angewandte Chemie International Edition 62, e202310880 (2023)
Niu, W.; Sopp, S.; Lodi, A.; Gee, A.; Kong, F.; Pei, T.; Gehring, P.; Nägele, J.; Lau, C. S.; Ma, J.; Liu, J.; Narita, A.;  Mol, J.; Burghard, M.; Müllen, K.; Mai, Y.; Feng, X.; Bogani, L.
Exceptionally clean single-electron transistors from solutions of molecular graphene nanoribbons
Nature Materials 22, 180-185 (2023)

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