Ertappt: Hier entsteht der gewaltige Materiestrahl in Perseus A

Event-Horizon-Teleskop betrachtet den Entstehungsort des Jets um das zentrale schwarze Loch der Galaxie Perseus A in bislang höchster Zoomstufe 

Die Event-Horizon-Teleskop-Kollaboration, an der auch Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn beteiligt sind, hat kürzlich den Startpunkt eines sich entwickelnden Plasmastrahls, auch Jet genannt, mit hoher Winkelauflösung abgebildet. Das internationale Team nutzte ein virtuelles Radioteleskop von der Größe der Erde, um Magnetfelder im Zentralbereich der Radiogalaxie 3C 84 (Perseus A) zu untersuchen, in dem sich eines der nächstgelegenen aktiven supermassereichen schwarzen Löcher befindet. Die aktuellen Ergebnisse lassen besser verstehen, wie solche Jets entstehen und warum die Magnetfelder hier eine wichtige Rolle spielen.

Die starke Radioquelle 3C 84 oder Perseus A liegt im Zentrum von NGC 1275, der zentralen Galaxie des Perseus-Galaxienhaufens in einer Entfernung von 230 Millionen Lichtjahren. Sie beherbergt einen relativ nahegelegenen aktiven galaktischen Kern, was eine detaillierte Untersuchung der zentralen Quelle mit hoher Auflösung mit dem Event-Horizon-Teleskop (EHT) ermöglicht.

„Das EHT liefert nicht nur erste Bilder von schwarzen Löchern, sondern ist auch hervorragend geeignet, um astrophysikalische Plasmastrahlen und ihr Zusammenspiel mit starken Magnetfeldern zu beobachten“, sagt Georgios Filippos Paraschos, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der das Projekt geleitet hat. „Unsere dadurch gewonnenen Erkenntnisse liefern neue Beweise dafür, dass sich ein geordnetes Magnetfeld durch das erhitzte Gas erstreckt, das das zentrale schwarze Loch umgibt.“ Die Beobachtungen mit dem EHT ermöglichen es den Forschenden, immer wieder auftretende Fragen zu beantworten, wie nämlich schwarze Löcher Materie akkretieren und gewaltige Jets ausstoßen, die weit über ihre Wirtsgalaxien hinausreichen können.

Die magnetischen Anker des Jets

In den letzten Jahren hat das Event-Horizon-Teleskop eine Reihe von Bildern enthüllt, die die Ausrichtung der elektromagnetischen Strahlung um das schwarze Loch M87* zeigen. Diese Eigenschaft des emittierten Radiolichts, die als lineare Polarisation bezeichnet wird, liefert Hinweise auf das zugrunde liegende Magnetfeld. Insbesondere eine starke lineare Polarisation, wie sie in der vorliegenden Studie gefunden wurde, deutet auf ein starkes, wohlgeordnetes Magnetfeld in der Umgebung des schwarzen Lochs im Zentrum von 3C 84 hin. Es wird vermutet, dass solche starken Magnetfelder die treibende Kraft hinter dem Start von Plasmajets sind, die aus Materie bestehen, die nicht vom schwarzen Loch verzehrt wurde. 

Computersimulation des Plasmas um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87. Eine neue Analyse von zirkular polarisiertem (oder spiralförmigem) Licht in EHT-Beobachtungen zeigt, dass in der Nähe des Schwarzen Lochs starke Magnetfelder existieren. Diese Magnetfelder wirken auf die einfallende Materie zurück und tragen dazu bei, dass Materiestrahlen mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit nach außen geschleudert werden.
Neue Messungen des Event Horizon Telescope bestätigen starke Magnetfelder um supermassereiches schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie M87 mehr

„Die Radiogalaxie 3C 84 ist schon deswegen interessant, weil sie eine Herausforderung für den Nachweis und die genaue Messung der Polarisation des Lichts in der Nähe eines schwarzen Lochs darstellt“, erklärt Jae-Young Kim, außerordentlicher Professor für Astrophysik an der Kyungpook National University (Daegu, Südkorea), der ebenfalls am Max-Planck-Institut für Radioastronomie tätig ist.  „Die außergewöhnliche Fähigkeit des Event-Horizon-Teleskops, das dichte interstellare Gas zu durchdringen, ist ein bahnbrechender Fortschritt für die präzise Beobachtung der Umgebung von schwarzen Löchern.“ Solche hochgenauen Beobachtungen ebnen den Weg für die Entdeckung und Untersuchung anderer supermassereicher schwarzer Löcher, die für bisherige Beobachtungstechnologien verborgen und schwer fassbar geblieben sind.

Die erhaltenen Ergebnisse erhellen auch die Art und Weise, wie die Materie in Richtung des supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum strömt, nämlich durch sogenannte Advektion. Es wird angenommen, dass die einfallende Materie eine stark magnetisierte, sozusagen magnetisch arretierte Scheibe bildet. In diesem Szenario werden die Magnetfeldlinien innerhalb der Akkretionsscheibe eng gewickelt und verdreht, was eine effiziente Freisetzung von magnetischer Energie verhindert. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das schwarze Loch im Zentrum von 3C 84 schnell rotiert, was einen Zusammenhang herstellt zwischen der Art, wie Jets entstehen und dem sogenannten Spin schwarzer Löcher.

„Warum sind schwarze Löcher so gut darin, starke Jets zu erzeugen? Das ist eine der faszinierendsten Fragen der Astrophysik“, sagt Maciek Wielgus, Forscher am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Wir gehen davon aus, dass allgemein relativistische Effekte, die knapp oberhalb des Ereignishorizonts des schwarzen Lochs auftreten, der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage sein könnten. Solche hochauflösenden Beobachtungen ebnen endlich den Weg zu einer experimentellen Bestätigung.“

Neue Wissenschaft mit dem Event-Horizon-Teleskop

Diese neuen Ergebnisse wurden durch die Technik der Interferometrie mit sehr langen Basislinien („Very Long Baseline Interferometry“, VLBI) ermöglicht. Dabei beobachten mehrere Teleskope dasselbe Objekt am Himmel und die gesammelten Signale werden anschließend zu einem Bild kombiniert. Auf diese Weise realisiert man ein virtuelles Teleskop, das so groß sein kann wie der Durchmesser der Erde.

„Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt zum Verständnis von Galaxien wie 3C 84. Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern sind wir bestrebt, die Fähigkeiten des Event-Horizon-Teleskops zu verbessern, um noch detailliertere Einblicke in die Erzeugung von Jets um schwarze Löcher zu ermöglichen“, schließt Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

 

Weitere Informationen

An der EHT-Kollaboration sind mehr als 300 Forscherinnen und Forscher aus Afrika, Asien, Europa sowie Nord- und Südamerika beteiligt. Die internationale Kollaboration arbeitet daran, die detailliertesten bisher möglichen Bilder von Schwarzen Löchern zu erstellen, indem sie ein virtuelles Teleskop von der Größe der Erde realisiert.  Unterstützt durch beträchtliche internationale Investitionen verbindet das EHT bestehende Teleskope mit neuartigen Analysesystemen und schafft so ein grundlegend neues Instrument mit dem höchsten bisher erreichten Winkelauflösungsvermögen. 

Die einzelnen beteiligten Teleskope sind: ALMA, APEX, das IRAM-30-Meter-Teleskop, das IRAM-NOEMA-Observatorium, das James-Clerk-Maxwell-Teleskop (JCMT), das Large-Millimeter-Teleskop (LMT), das Submillimeter-Array (SMA), das Submillimeter-Teleskop (SMT), das Südpol-Teleskop (SPT) und das Kitt-Peak-Teleskop.

Das EHT-Konsortium besteht aus 13 beteiligten Instituten: dem Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics, der University of Arizona, der University of Chicago, dem East Asian Observatory, der Goethe-Universität Frankfurt, dem Institut de Radioastronomie Millimétrique, dem Large Millimeter Telescope, dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie, dem MIT Haystack Observatory, dem National Astronomical Observatory of Japan, dem Perimeter Institute for Theoretical Physics, der Radboud-Universität und dem Smithsonian Astrophysical Observatory.

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