Bakterium tötet Insekten mit Gift
Dortmunder Max-Planck-Forschende enthüllen Struktur des Bakterientoxins Mcf1
Wenn krankmachende Bakterien Insekten befallen, setzen diese Giftstoffe frei, die ihre Wirte töten. Das Bakterium Photorhabdus luminescens beispielsweise pumpt Insektenlarven mit dem tödlichen Toxin "Makes caterpillars floppy 1" (Mcf1) voll. Dadurch erschlaffen die Larven erst und sterben dann. Doch wie Mcf1 seine verheerende Wirkung entfaltet, war bisher ein Rätsel. Forschende am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund haben nun die Struktur von Mcf1-Struktur entschlüsselt und die Wirkung des Toxins erklärt. Dieses Wissen hilft bei der Entwicklung neuartiger Biopestizide. Diese könnten den Einsatz kaum spezifischer chemischer Pestizide mit schädlichen Nebenwirkungen für das Ökösystem reduzieren.
![Mcf1 ähnelt der Form eines Seepferdchens mit einem Kopf, der mehrere toxische Wirkstoffe enthält, während der Schwanzbereich an Zielzellen anhaften kann.](/21489906/original-1706777809.jpg?t=eyJ3aWR0aCI6MjQ2LCJvYmpfaWQiOjIxNDg5OTA2fQ%3D%3D--4a13a4202b28f9973448f69e58bd66d12cfc2cae)
"Unsere Arbeit stellt die allererste Strukturstudie über dieses Toxin dar", erklärt Erstautor Alexander Belyy. Größe und Aufbau des Proteins, bestehend aus mehreren Modulen mit unterschiedlichen Funktionen, haben die Forschenden lange Zeit vor eine schier unlösbare Herausforderung gestellt. „Entscheidend für die Auflösung dieser Struktur war am Ende der Einsatz hochmoderner Kryo-Elektronenmikroskopie und die Leistung unserer Rechner", sagt Stefan Raunser, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie.
Die Kryo-Elektronenmikroskopie ermöglicht den Forschenden, 3D-Bilder eines Proteins mit nahezu atomarer Auflösung zu erhalten, in diesem Fall mit 3,6 Ångström. Details, 200.000 mal kleiner als die Breite eines menschlichen Haares, können so beobachtet werden. So konnten die Forschenden zeigen, dass die Struktur von Mcf1 der Form eines Seepferdchens ähnelt. Teile der „Kopfregion“ sind giftig. Diese werden von Enzymen aus dem Kopf heraus gelöst, sobald er in die Zelle gelangt ist. Der Schwanzbereich kann an Zielzellen haften.
Nachdem die Bakterien das Toxin im Wirtsinsekt freigesetzt haben, identifizieren drei Domänen in der Schwanzregion die Membran der Zielzelle und binden daran. Eine andere Schwanz-Domäne schleust dann den Kopf durch die Membran in das Zytoplasma der Zelle ein. Dort interagiert der Kopf mit lokalen Wirtsproteinen, um die Freisetzung von zwei Giftstoffen zu stimulieren. Die tödlichen Gifte stören die Aktivität lebenswichtiger Proteine, was zum Tod der Zelle führt. Innerhalb von 24 Stunden ist der Wirt tot.
Neue organische Insektenvernichtungsmittel
![Nach der Bindung des Toxins an noch nicht bekannte Rezeptoren auf der Oberfläche der Zielzelle wird das Toxin in diese aufgenommen. Die Ansäuerung des Endosoms löst eine Konformationsänderung aus, die eine Pore bildet und den Kopfbereich des Toxins ins Innere der Zielzelle transportiert. Danach werden durch eine Reihe von Proteolysereaktionen und Spaltungen die Giftstoffe von Mcf1 freigesetzt, die wesentliche physiologische Signalwege beeinträchtigen und letztlich zum Zelltod führen.](/21490234/original-1706716045.jpg?t=eyJ3aWR0aCI6MjQ2LCJvYmpfaWQiOjIxNDkwMjM0fQ%3D%3D--e5f3cb794d02a71906ac24e6c49f32fcd4988ccd)
Interessanterweise fanden die Forschenden heraus, dass der modulare Aufbau des Schwanzes und die ersten Schritte der Mcf1-Vergiftung den Toxinen von Clostridioides difficile stark ähneln. Dieser menschliche Krankheitserreger ist verantwortlich für jährlich mehr als 120.000 Krankenhausaufenthalte in Europa. "Unsere Studie, die ursprünglich auf die Verbesserung von Biopestiziden abzielte, wird sich auch auf das Verständnis menschlicher Krankheiten auswirken", fügt Philipp Heilen, Co-Erstautor der Studie, hinzu.
In Zukunft wollen die Forschenden im molekularen Detail aufklären, wie die Giftstoffe von Mcf1 zum Zelltod führen. "Dieses neue Wissen ermöglicht auch die Entwicklung hochspezifischer insektizider Toxine", sagt Stefan Raunser und deutet damit eine weitere künftige Forschungsrichtung an: die Entwicklung neuer Toxinvarianten für die ökologische Schädlingsbekämpfung.