Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen

Auf der Suche nach dem Ursprung und den Ursachen von Agrarseuchen 

On the hunt for the origins and causes of agricultural disease outbreaks 

Autoren
McCann, Honour
 
Abteilungen
Max Planck Forschungsgruppe Evolution pflanzlicher Krankheitserreger
Zusammenfassung
Was sind die Ursachen neuer Krankheitsausbrüche auf unseren Feldern? Wie entwickeln sich Krankheitserreger, um neue Wirtspflanzen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu infizieren und sich an diese anzupassen? Dies sind einige der Fragen, mit denen wir uns befassen. Aktuell widmen wir uns Krankheitsausbrüchen auf Kiwi-Plantagen in Südkorea und beim Bananenanbau auf dem indonesischen Archipel.
Summary
What are the origins of new disease outbreaks in agriculture? How do pathogens evolve to infect new hosts and adapt to agricultural environments? These are some of the questions we are tackling, while pursuing disease outbreaks in kiwifruit orchards across South Korea and in banana grown across the Indonesian Archipelago.

Das koevolutionäre Wettrüsten zwischen Pflanzen und Krankheitserregern

Pflanzen haben differenzierte Immunsysteme entwickelt, die verschiedene Mikroben erkennen und auf diese reagieren können. Dadurch können sie zwischen Mikroben, die ihnen nützen und denen, die eine Gefahr für sie darstellen, unterscheiden. Gleichzeitig haben Krankheitserreger unterschiedliche Virulenzmechanismen entwickelt, die es ihnen ermöglichen, in das Gewebe von Pflanzen einzudringen und die dort vorhandenen Nährstoffe und Wasser zu nutzen. Bakterielle Krankheitserreger wie Pseudomonas syringae und Ralstonia solanacearum setzen beispielsweise ein spezialisiertes Typ-3-Sekretionssystem (T3SS) ein, um Proteine in die Pflanzenzelle einzuschleusen und die Immunsignale und -abwehr des Wirts zu beeinträchtigen. Diese langfristige antagonistische Koevolution hat einerseits zu Krankheitserregern mit einem vielfältigen Repertoire an Virulenzproteinen geführt, sodass bestimmte Wirte infiziert werden können.

Andererseits haben sich Wirtspflanzen mit Resistenzproteinen entwickelt, die das Vorhandensein oder die Aktivität von Virulenzproteinen erkennen und aggressive Abwehrreaktionen hervorrufen. Schnelle Generationszeiten und die Fähigkeit, neue Gene durch horizontalen Transfer zu erwerben, können die mikrobielle Anpassung beschleunigen. Dadurch können Mikroorganismen Virulenz auf einer zuvor resistenten Pflanze entwickeln und sich auch an einen völlig neuen Wirt anpassen. Geschieht dies auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche, kann dies zu einem folgenschweren Krankheitsausbruch führen.

Wie treten neue Krankheitserreger auf?

Wo liegt der Ursprung neuer Krankheitsausbrüche? Wie entwickeln sich Krankheitserreger, um weitere Wirte zu infizieren und sich an andere landwirtschaftliche Umgebungen anzupassen? Wie entwickeln sich Krankheitserreger parallel mit wilden im Gegensatz zu kultivierten Wirtspflanzen? Um diese Fragen zu beantworten, beobachten wir das Auftreten von P. syringae und R. solanacearum-Ausbrüchen auf bestimmten Nutzpflanzen sozusagen als Modellsysteme. Wir kombinieren dabei Feldarbeit mit Genomik, um die evolutionären Ursprünge neu auftretender Seuchen herauszufinden.

Auf der Suche nach dem Ursprung von Krankheiten auf dem Feld und in freier Natur

Herauszufinden, wo genau eine Krankheit ausgebrochen ist und welches der ursprüngliche Erreger war, ist alles andere als einfach. Da man sich beim Probensammeln typischerweise auf Nutzpflanzen mit akuten Krankheitssymptomen konzentriert, werden andere potenzielle Quellen vernachlässigt. Dazu zählen asymptomatische wilde Pflanzen in der Umgebung, welche als Reservoir für Mikroben dienen können und die nachfolgend auf Nutzpflanzen übertragen werden. Auch Wasser oder Erde können als ein Reservoir dienen. Und selbst wenn der ursprüngliche Erreger bekannt ist, sind Fluktuationen in dessen zeitlicher und räumlicher Verbreitung eine Herausforderung bei den Bemühungen, eine direkte Verknüpfung zu einem Krankheitsausbruch herzustellen.

Vielversprechende Ansätze erfordern eine großflächige und unvoreingenommene Beprobung, zusammen mit der Anwendung von Schnelldiagnosen durch Erbgutsequenzierung, wodurch die Identifizierung von Krankheitserregern stark vereinfacht werden kann. In den letzten zwei Jahren haben wir daher Proben von P. syringae, das Ausbrüche bei Kiwis (Actinidia sp.) in Südkorea verursacht, sowie R. syzygii, das Bananen (Musa sp.) in Indonesien infiziert (Abb. 1), genommen und sequenziert. Außerdem haben wir eine Reihe von R. solanacearum-Proben aus Martinique sequenziert, die mit einem ungewöhnlichen Ausbruch verbunden waren, der sogar mehrere nicht verwandte Wirte betraf.

Untersuchung der Anpassungsmechanismen von Pathogenen an Pflanzen - und von Pathogenen zueinander

Mit Hilfe der Methoden der Populationsgenomik und Phylogenetik rekonstruieren wir anhand der Proben die Evolutionsgeschichte verschiedener Linien von Krankheitserregern. Daraus können wir Ursprung und Zeitpunkt der Übertragung ableiten und insbesondere Kandidatengene identifizieren, deren Erwerb oder Verlust mit einer genetischen Veränderung der Mikrobe im Wirt zusammenhängt.

Mit Experimenten im Labor und Gewächshaus werden die identifizierten Kandidatengene nachfolgend getestet. Darauf kodierte Virulenzproteine, die wahrscheinlich mithilfe des T3SS-Sekretionssystems sezerniert werden, sind häufig unter den getesteten Kandidaten. Aber: Pathogene haben mehrere Strategien für eine erfolgreiche Invasion entwickelt. Ralstonia sp. Mikroben sind dabei eine besondere Herausforderung, da sie sich über einen längeren Zeitraum im Boden und im Wasser aufhalten und viele Nutzpflanzen wie zum Beispiel Bananen und Kartoffeln infizieren können (Abb. 2). Gleichzeitig besitzt Ralstonia sp. die bemerkenswerte Fähigkeit zum horizontalen Gentransfer, das heißt, dass Nukleinsäuren direkt von Zelle zu Zelle übertragen werden.

Ralstonia sp. kann durch horizontalen Gentransfer auf einen potenziell großen Pool von Genen aus der Umwelt zugreifen, die dessen Fähigkeit, Krankheiten zu verursachen, verbessern können. Wir haben deutliche Hinweise darauf gefunden, dass sogar konkurrierende Interaktionen mit anderen Mikroben eine wichtige Rolle bei der Evolution von Ralstonia sp. hin zu einem gefährlichen Pflanzenpathogen spielen können. Dies hat bedeutende Auswirkungen auf den Verlauf und die Schwere einer Infektion. Unter natürlichen Bedingungen werden Pflanzen fast immer von verschiedenen Krankheitserregern gleichzeitig befallen, die miteinander um den Zugang zu den Ressourcen der Pflanze konkurrieren. Wir untersuchen jetzt die spezifischen molekularen Mechanismen, die diesen konkurrierenden Interaktionen zugrunde liegen, und ob der effektivste Konkurrent auch der virulenteste ist.

Vom Feld ins Labor und wieder zurück - die Forschung kann einen in manchmal überraschende und immer mehr faszinierende Richtungen führen.

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