Wirkstoff gegen seltene Krebsart entdeckt
Forschende haben den Wirkstoff gegen gastrointestinale Stromatumore patentiert und an ein Pharmaunternehmen auslizenziert
Rund 1.200 Menschen erhalten in Deutschland jährlich die Diagnose „Gastrointestinaler Stromatumor“. Bei dieser seltenen Krebsart entstehen Tumore in den Wänden der Verdauungsorgane, die schnell Resistenzen gegen gängige Medikamente entwickelt. Forschende der TU Dortmund, des Universitätsklinikums Essen und des Dortmunder Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie haben nun einen vielversprechenden Wirkstoff gegen die Krebsart identifiziert, zum Patent angemeldet und an ein US-amerikanisches Pharmaunternehmen lizenziert. Dieses möchte den Wirkstoff nun bis zur Marktreife weiterentwickeln – ein wichtiger Schritt auf dem Weg von der Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung.
Die Teams um Daniel Rauh an der TU Dortmund, Sebastian Bauer von der Universität Duisburg-Essen und Sonja Sievers, Leiterin des Compound Management and Screening Centers am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie haben eine chemische Substanz identifiziert, die in präklinischen Laborversuchen gegen arzneimittelresistente gastrointestinale Stromatumorzellen wirkte. Die Universitäten und das Max-Planck-Institut haben den Wirkstoff zum Patent angemeldet. Inzwischen ist er von PROvendis, der Verwertungsgesellschaft von 29 NRW-Hochschulen, an ein US-amerikanisches Pharmaunternehmen auslizenziert, das die klinische Weiterentwicklung vorantreiben wird.
„Dieser Erfolg zeigt das enorme Potenzial der Wirkstoffforschung innerhalb der Universitätsallianz Ruhr“, sagt Daniel Rauh. „Die Entwicklung eines neuen Medikaments dauert in der Regel zehn Jahre oder länger. Das Besondere an diesem Erfolg ist, dass die Verbindung bereits vor Jahren mit einem anderen Fokus getestet wurde. Damals konnte sie jedoch nicht überzeugen. Jetzt hatten wir das Glück, diese Substanz wiederentdeckt zu haben.“
Substanzbibliothek der Max-Planck-Gesellschaft
„Das Compound Management and Screening Center ist die zentrale Substanzbibliothek der Max-Planck-Gesellschaft und enthält über 300.000 niedermolekulare Substanzen. Im aktuellen Projekt haben wir über 25.000 Substanzen aus dieser molekularen Schatzkammer gescreent und konnten so den vielversprechenden Wirkstoff gegen gastrointestinale Stromatumore finden. Unser in Deutschland einmaliges Setup ermöglicht es, Forschungsergebnisse in medizinische Anwendung zu überführen“, sagt Sonja Sievers.
Die Zellkulturen für die präklinische Testung der potenziellen Wirkstoffe wurden am Westdeutschen Tumorzentrum aufgebaut: „Moderne molekularbiologische Methoden wie die Genschere ermöglichen es uns, molekulare Varianten der Tumore unserer Patientinnen und Patienten in kürzester Zeit im Labor nachzubauen. Wir haben so eine dynamisch wachsende Modellbibliothek etabliert, die in dieser Form weltweit einzigartig ist“, sagt Sebastian Bauer. „Die Identifikation unserer Substanz ist daher das Ergebnis über Jahre gewachsener, integrierter Innovationskreisläufe innerhalb der Universitätsallianz Ruhr.“
Da sich gastrointestinale Stromatumore sehr schnell verändern, werden vermutlich auch gegen die wiederentdeckte Substanz Resistenzen entstehen. Daher arbeitet das interdisziplinäre Team aus den Bereichen molekulare Genetik, Zellbiologie, Hochdurchsatz-Screening, Strukturbiologie und organische Synthese bereits an Nachfolgesubstanzen.