Hinter das Licht führen

Wissenschaftliche Hintergründe aus dem Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts zum Film „Tracing Light“

29. Januar 2025

Licht aus – Film ab. Nicht so bei dem Dokumentarfilm „Tracing Light – die Magie des Lichts“, den der Filmemacher Thomas Riedelsheimer unter anderem am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts gedreht hat. Hier schlüpft Licht in die Hauptrolle. Über zwei Jahre sammelte der Regisseur Beobachtungen und Eindrücke, wie sich Wissenschaft und Kunst mit Licht befassen. Entstanden ist ein Film, der Licht in vielen seiner Facetten präsentiert. Wir erläutern Hintergründe zu einigen der gezeigten Phänomene.
 

Unsichtbare Lichtstrahlen

Wie sich eine Lichtwelle im Raum ausbreitet, kann man nicht direkt sehen. Erst wenn ein Photon mit den Sehzellen des Auges wechselwirkt, macht es sich für den Menschen bemerkbar. Eine Erfahrung, die das Künstlerduo Brunner/Ritz beim gemeinsamen Laserkicker-Spiel im großzügigen Atrium des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts auch machte. An die Stelle des Fußballs, den kleine Fußballer beim herkömmlichen Kicker über das Spielfeld schießen, tritt hier ein Laserstrahl. Dieser wird über kleine Spiegel weitergeleitet. Sobald er ins Tor fällt, löst er ein akustisches Signal aus. Mit dem Auge lässt sich dies nicht nachverfolgen, da Licht sich als elektromagnetische Welle mit einer Geschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern pro Sekunde ausbreitet. Zum anderen ist ein gebündelter Laserstrahl ebenso wie der Strahl einer Taschenlampe per se nicht sichtbar, wenn sie nicht gerade in unsere Augen leuchten. Sichtbar wird ein Laserstrahl auf dem Laserkicker nur dort, wo er das Spielfeld streift oder vom Staub in der Luft ins Auge der Beobachterinnen und Beobachter gestreut wird oder wo Spiegel diese feine Leuchtspur in unsere Augen reflektieren.  

Licht in ungeordneter und konzertierter Form

Laserlicht ist eins der wichtigsten Werkzeuge für die Wissenschaft am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, um die Grundlagen von Licht und seinen Wechselwirkungen mit der Materie zu erforschen.

Michael Frosz, Leiter der Technologieentwicklungs- und Serviceeinheit Faserherstellung und Glasstudio am Erlanger Max-Planck-Institut, bemüht einen Chor als Vergleich, um den Unterschied zwischen Sonnenlicht und Laserlicht zu veranschaulichen: „Das Sonnenlicht ist wie eine große Party von Menschen, auf der alle gleichzeitig reden, doch jeder spricht etwas anderes.“ Ein Laser sei dagegen eher wie ein Chor, bei dem die Sängerinnen und Sänger angeregt werden, zum selben Zeitpunkt den gleichen Ton zu singen, der dadurch mächtig anschwelle.

Frosz‘ Team stellt neuartige Spezialfasern her, zum Beispiel photonische Kristallfasern. Diese speziellen Glasfasern, die feine und extrem präzise gefertigte Mikrostrukturen aufweisen, leiten Licht nicht nur, sondern interagieren mit ihm und verändern dabei seine Eigenschaften. Damit erweitern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum einen das Verständnis von Licht und seinen Wechselwirkungen mit Materie. Zum anderen haben ihre Erkenntnisse das Potenzial, die industrielle Entwicklung von Lasern, der Kommunikationstechnologie, der Sensorik und der Medizintechnik vorantreiben.

Speicher für flüchtige elektromagnetische Wellen

„Lichtwellen sind überall im Raum gleichzeitig, man kann sie nicht festhalten“, erläutert Pascal Del’Haye, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, das Verhalten der elektromagnetischen Welle Licht. Denn eine Lichtwelle und allgemein eine Wellenfunktion in der Quantenmechanik hat keinen definierbaren Ort. Ähnlich wie bei einer Wasserwelle kann man nicht danach fragen, wo sich eine Lichtwelle befindet (siehe Messung einer Projektion). Dabei stellt er sich mit seiner Forschungsgruppe Mikrophotonik genau der Herausforderung Licht festzuhalten. Das Ziel der „Integrierten Photonik“ ist es, Schaltkreise für Licht auf Computerchips zu bringen. Zu dem Zweck müssen die Forschenden Licht auch speichern. Das gelingt ihnen mit Ringresonatoren, in die sie Licht über Wellenleiter schicken oder einkoppeln, wie es im Fachjargon heißt. Das Material und die Größe eines Resonators sind dabei so gewählt, dass er Licht einer Farbe besonders gut leitet.

Sie wirken wie Lichtfallen: Licht absolviert in den Ringresonatoren mehrere Millionen Umläufe und wird temporär gespeichert. Dabei zirkulieren Lichtleistungen von bis zu einem Megawatt im Resonator – die gespeicherte Energie würde ausreichen würde, um zehn Fußballstadien zumindest für einige Mikrosekunden zu erleuchten.  Die grundlegenden Erkenntnisse, die die Forschenden mit ihren Experimenten an den Resonatoren und photonischen Schaltkreisen gewinnen, sollen den Weg zu neuen Anwendungen für optische Sensoren, Quantentechnologien und optische Informationsverarbeitung eröffnen. So könnten photonische Chips  die heutigen elektronischen Computerchips künftig ergänzen oder sogar ablösen und Computer noch einmal deutlich schneller machen.

Licht, Raum und Zeit stehen miteinander in Zusammenhang. „Durch die Ausbreitung von Licht, verstehen wir erst den Raum und die Zeit“, so der Physiker. Die Relativitätstheorie besagt zudem, dass die Gravitation und die Bewegungsgeschwindigkeit die Zeit beeinflussen und unterschiedlich schnell vergehen lassen. Diese Zeitunterschiede kann das Team von Pascal Del'Haye mit optischen Uhrwerken, die sein Team mit Hilfe von Ringresonatoren herstellt, sehr präzise zu messen. Mit den genausten optischen Uhren sind bereits Höhenunterschiede von einem Zentimeter in Bezug zur Erdoberfläche detektierbar, denn auch solche kleinen Höhenunterschiede machen sich bereits in einem unterschiedlich starken Gravitationsfeld der Erde bemerkbar.

Die Experimentalphysikerin Birgit Stiller, ebenfalls Forschungsgruppenleiterin am Erlanger Max-Planck-Institut, ist auf unterschiedlichen Wellen unterwegs, nicht nur auf denen des Lichts, sondern auch auf denen des Schalls. Und gerade die Unterschiede zwischen beiden Wellenarten in Bezug auf Frequenz, Geschwindigkeit oder Verlustleistung macht sich das Team zunutze. Lichtwellen sind beispielsweise 100.000 mal schneller als Schallwellen und benötigen, im Gegensatz zum Schall keine Materie, um sich im Raum auszubreiten. Stillers Team erzeugt Schallwellen, konkret Hyperschallwellen, durch Licht und verändert Lichtwellen durch die Interaktion mit Schall. Auf diese Weise kontrollieren die Forschenden optische Signale ohne elektrische Steuerung und speichern Informationen quasi zwischen. Ihre Grundlagenforschung in der Quantensignalmanipulation und optischen neuronalen Netzen liefert völlig neue Ansätze für Anwendungen im Bereich der sicheren Quantenkommunikation beziehungsweise für energieeffiziente Architekturen künstlicher Intelligenz.

Licht erscheint mal als Welle, mal als Teilchen

Die Erlanger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler decken ein breites Forschungsspektrum zur Physik des Lichts ab. Ihre Forschungsarbeit basiert in vielen Fällen auf dem eigentümlichen Charakteristikum von Licht, dass es mal als Welle, mal als Teilchen erscheint – in der Quantenphysik als Welle-Teilchen-Dualismus bekannt. Einerseits scheint sich Licht an einem makroskopischen Doppelspalt wie eine Menge von Teilchen zu verhalten, die die Spalten passieren und ein entsprechendes Schattenmuster auf einen Detektor werfen. Wobei sich der Teilchencharakter bei genauerer Betrachtung als ein Effekt erweist, der sich aus den Eigenheiten von Messungen an Quantensystemen ergibt (Siehe  Wechselt man jedoch zu genügend kleinen Abmessungen, offenbart sich der Wellencharakter des Lichts in Form eines spezifischem wellenartigen Interferenzmusters, das sich von einem Schattenmuster deutlich unterscheidet. Wenn man nun noch den Lichtstrahl soweit abschwächt, dass sich nur wenige der sehr kleinen Energiepakete, der sogenannten Photonen, auf den Weg zur Kamera machen. Dann werden nur hier und da vereinzelt Kamerapixel angesprachen. Dies vermittelt den Eindruck, dass Licht aus Teilchen also aus einzelnen Quanten bestünde. Registriert man allerdings viele dieser Ereignisse, erhält man wiederum das Wellenmuster.

Jede Messung erfasst nur eine Eigenschaft

 „Jeder glaubt zu wissen, was Licht ist“, sagt der Quantenphysiker Daniele Faccio, der an der Universität Glasgow forscht. „Aber dann gräbt man ein bisschen tiefer und merkt, dass man keine Ahnung hat.“ Möchte man beispielsweise wissen, welchen der beiden Spalte das Licht passiert hat, und Eigenschaften wie Form, Amplitude oder Phase der Lichtwelle messen, wird der Experimentator unweigerlich Teil der Versuchsanordnung und verändert dadurch den Zustand der Welle. Dem Experimentator ist es also nur möglich, eine einzige Information aus seiner Messung zu gewinnen; in einer zweiten Messung findet er eine Welle in einem anderen Zustand wieder. Die Informationen über alle weiteren Eigenschaften einer Welle sind unwiederbringlich verloren. „Die genauere Beobachtung modifiziert also die Natur des Lichts“, resümiert Faccio „und die Art und Weise, wie es sich verhält. Das Licht bemerkt, dass es beobachtet wird, und verwandelt sich. Und das ist wirklich mysteriös.“ Das gilt auch für das Licht, das wir sehen. Denn auch das Sehen ist eine Art Messung. „Das, was wir sehen, ist eigentlich verloren“, erläutert Birgit Stiller. „Dadurch, dass das Licht in unser Auge eintritt, ist es bereits nicht mehr im Spiel.“ 

Die Quantenphysik sagt nicht nur Wahrscheinlichkeiten voraus

Die Quantenphysik wird dabei oft als Theorie dargestellt, die nicht vorhersagen könne, was genau in einem Experiment gemessen wird. Sie könne nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, mit der ein bestimmter Messwert beobachtet wird. Und man meint dies im Gegensatz zur klassischen Physik. Eine solche Aussage ist aber nur zum Teil richtig. Zunächst ist es wichtig klarzustellen: In Fällen, in denen die klassische Physik, die ein Grenzfall der Quantenphysik ist, präzise Vorhersagen für einzelne Messungen macht, tut die Quantenphysik das auch. In dem Bereich, in dem die Quantenphysik nur eine Wahrscheinlichkeit für das Ergebnis einer einzelnen Messung vorhersagt, würde sich die klassische Physik in Widersprüche verwickeln.

Messung einer Projektion

Das grundsätzlich Neue, das die Quantenphysik ins Spiel gebracht hat, betrifft den Prozess der Messung: Alle Objekte werden in der Quantenphysik durch eine Welle beschrieben, die räumlich ausgedehnt ist. In der Vorstellung der klassischen Physik könnte man diese Wellenform durch eine einzige Messung erfassen. Das ist die Erfahrung, die wir alltäglich in unserer Welt machen, wenn wir Wellen auf einer Wasseroberfläche beobachten. Aber in Bereichen, in denen sich Quanteneffekte bemerkbar machen, also in der Regel im mikroskopisch Kleinen, ist das anders: Auf die Frage „Wo ist das Objekt?“ würde die Antwort nach unserer klassischen Vorstellung entsprechend der Ausdehnung der Welle einen ganzen Bereich von Positionswerten umfassen. Das Überraschende ist, dass das Experiment nur einen dieser vielen möglichen Werte liefert. In der Quantenphysik bezeichnet man diesen Effekt als Projektion, die bei einer Messung auftritt. Dieser Effekt der Projektion ist auch der Grund, warum Licht oft sowohl ein Welle- als auch ein Teilchencharakter zugesprochen wird.

Dafür, welcher konkrete Wert bei der Projektion beobachtet wird, sagt die Quantenphysik in vielen Fällen tatsächlich nur eine Wahrscheinlichkeit vorher. Die statistische Verteilung der Messwerte können Physikerinnen und Physiker in Experimenten abbilden, indem sie diese Messung mit dem Versuchsaufbau auf die immer wieder gleiche Weise tausendfach wiederholen. Diese Wahrscheinlichkeitsaussagen betreffen den Fall, dass man bei jeder dieser Wiederholungen nur eine einzelne Messung an einem Quantensystem machen kann. So verhält es sich etwa bei der einmaligen Messung an einer Quanten-Welle, die ein Quantensystem beschreibt. Ganz anders ist es, wenn sich an diese erste Messung eine zweite Messung anschließt, zum Beispiel im Fall eines Quantensystems, das aus mehreren miteinander verschränkten Objekten, zum Beispiel Atomen, besteht. Die Verschränkung verbindet die Objekte wie durch ein geisterhaftes Band, sodass die Messung an einem der Objekte auch das Messergebnis an dem zweiten festlegt. Dann sagt die Quantenphysik das Ergebnis der zweiten Messung präzise vorher. Durch diese Möglichkeit, auch in der Quantenphysik präzise Vorhersagen zu machen, wird zum Beispiel ein Quantencomputer erst möglich. Indem die Physik solche Phänomene durch vielfältige Untersuchungen durchleuchtet, verhilft sie uns letztlich auch zu einem Bild und zum Verständnis, was die Natur des Lichts ausmacht.

EF/PH

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