Gebrochene Herzen heilen
Ein Vitamin-A-Metabolit könnte Herzinfarktpatienten helfen, indem er die Aktivität von Blutstammzellen reguliert

Auf den Punkt gebracht
Nach einem Herzinfarkt: Die übermäßige Produktion von Immunzellen kann Entzündungen auslösen, das Herz vernarben lassen und langfristig zu Herzinsuffizienz führen.
Ein möglicher Ansatz: Der Vitamin-Metabolit 4-Oxo-RA könnte als gezielte Therapie wirken, indem er hämatopoetische Stammzellen im Knochenmark reguliert und übermäßige Entzündungen verringert.
Gezielte Behandlung: Durch die Modulation der Immunreaktion könnte 4-Oxo-RA die langfristige Herzfunktion verbessern.
Nach einem Herzinfarkt, der klinisch als Myokardinfarkt bezeichnet wird, erhöht das Immunsystem die Produktion von entzündlichen Immunzellen. Während diese Zellen die Wundheilung unterstützen, kann eine übermäßige Produktion – wie sie oft bei Herzinfarktpatienten häufig vorkommt – zu schädlichen Entzündungen, Vernarbungen des Herzens und langfristiger Herzinsuffizienz führen.
In einer präklinischen Studie entdeckten die Teams um Nina Cabezas-Wallscheid und Timo Heidt, dass der Vitamin-A-Metabolit »4-Oxo-Retinsäure« die überschießende Immunreaktion regulieren kann, indem er blutbildende Stammzellen, sogenannte hämatopoetische Stammzellen (HSZ), im Knochenmark inaktiv hält. Da diese Stammzellen zum Teil für die Produktion von entzündlichen Immunzellen verantwortlich sind, führt eine Verringerung ihrer Aktivität dazu, dass weniger entzündliche Zellen gebildet werden. Dies wiederum reduziert die Entzündung im Herzen, hilft Narbenbildung zu verhindern und trägt letztlich dazu bei, die Herzfunktion zu erhalten.
Analyse menschlicher Zellen von Herzinfarktpatienten
Das Team entnahm Knochenmarkproben aus dem Brustbein von mehr als 100 Herzinfarktpatienten und führte umfangreiche Einzelzell-Transkriptomanalysen durch. Mit dieser Methode können die Forscherinnen und Forscher feststellen, welche Gene in einer Zelle aktiv sind, und den Zustand der Stammzellen in den Proben beurteilen. Sie fanden heraus, dass ein Herzinfarkt die Aktivität der blutbildenden Stammzellen im Knochenmark stark verändert und möglicherweise die Produktion von entzündlichen Blutzellen fördert, die mit der Zeit das Herzgewebe schädigen können.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Behandlung mit 4-Oxo-Retinsäure nicht nur die übermäßige Produktion von Immunzellen reduzierte, sondern als Folge auch die Herzfunktion langfristig deutlich verbesserte. Die Studie zeigte, dass 4-Oxo-Retinsäure gezielt auf die hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark wirkt, ohne negative Auswirkungen auf das Herzgewebe selbst zu haben – ein möglicher Vorteil gegenüber anderen Therapien.
Diese gezielte Regulation der Knochenmarksaktivität könnte eine vielversprechende Strategie sein, um die Heilung nach einem Herzinfarkt zu unterstützen und das Risiko zukünftiger Komplikationen zu verringern. „Es ist faszinierend, wie ein einzelner Metabolit Stammzellen so tiefgreifend beeinflussen kann. Unsere Studie unterstreicht die bisher unterschätzte Rolle der Knochenmarkstammzellen, die Entzündungsreaktion nach einem Herzinfarkt zu beeinflussen und dass 4-Oxo-Retinsäure ein vielversprechender therapeutischer Wirkstoff sein könnte,“ sagt Koautorin Jasmin Rettkowski.
Eine neue therapeutische Strategie zum Schutz der Herzfunktion
So eröffnen die Erkenntnisse Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Therapien zur Verbesserung der Genesung nach einem Herzinfarkt. „Statt die Entzündung breit zu unterdrücken, zeigt unsere Studie, dass eine gezielte Modulation der blutbildenden Stammzellen die Produktion von Entzündungszellen reduzieren kann. Dieser Ansatz könnte zu wirksameren Behandlungen mit weniger Nebenwirkungen führen“, sagt Koautorin Mari Carmen Romero-Mulero.
Das Forschungsteam arbeitet aktiv daran, diesen Ansatz in die Klinik zu übertragen und hat bereits erste Schritte in Richtung klinischer Studien unternommen. „An der ETH Zürich werden wir untersuchen, ob unsere Entdeckung auch auf den Menschen übertragbar ist. Natürlich sind weitere Studien nötig, um die Sicherheit und Wirksamkeit von 4-Oxo-Retinsäure bei Patienten zu beurteilen“, sagt Nina Cabezas-Wallscheid, die derzeit ihr Labor von Freiburg nach Zürich verlegt.
NCW/MR