Forschungsbericht 2006 - Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Teilinstitut Hannover
Gravitationswellendetektion im Weltall: LISA und LISA Pathfinder
Space born gravitational wave detection: LISA and LISA Pathfinder
Laserinterferometrie und Gravitationswellen-Astronomie (Prof. Dr. Karsten Danzmann)
MPI für Gravitationsphysik, Teilinstitut Hannover, Hannover
Der direkte Nachweis der von Einstein vorhergesagten Gravitationswellen zählt zu den größten Herausforderungen der Physik. Gravitationswellen sind „Kräuselungen der Raumzeit“, die beispielsweise bei Sternexplosionen oder dem Zusammenstoß Schwarzer Löcher entstehen und sich mit Lichtgeschwindigkeit fort bewegen. Die Laser Interferometer Space Antenna (LISA) ist ein satellitengestützter Detektor für Gravitationswellen: Ein gemeinsames Projekt von ESA und NASA mit dem Ziel, Gravitationswellen im Frequenzbereich von 0.1 mHz bis 1 Hz zu beobachten ([1]). Bei so niedrigen Frequenzen wird die Empfindlichkeit von erdgebundenen Gravitationswellendetektoren wie GEO600 (in deutschland nahe Hannover), LIGO (Zwei Detektoren in USA) oder VIRGO (in Italien nahe Pisa) von lokalen Störeinflüssen begrenzt. Hier werden hochenergetische Ereignisse wie die Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern erwartet, sodass LISA das Spektrum von beobachtbaren Quellen erheblich erweitern wird ([2], [3]).
LISA besteht aus drei identischen Satelliten, die in fünf Millionen Kilometern Abstand voneinander insgesamt sechs frei fliegende Testmassen um die Sonne tragen. Die Konstellation bildet ein gleichseitiges Dreieck, wie im Abbildung 1 gezeigt wird. Durchläuft eine Gravitationswelle das Dreieck, so verändern sich die Abstände der Satelliten. Relative Längenänderungen eines „LISA-Armes“ (das sind die fünf Millionen Kilometer zwischen zwei Testmassen aus unterschiedlichen Satelliten) werden mittels Laserinterferometrie auf den Pikometer genau gemessen. Die dazu erforderlichen interferometrischen Techniken werden am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) entwickelt und in enger Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstituten und Partnern aus der Industrie umgesetzt.
LISA Pathfinder zur Erprobung der Technologie
LISA Pathfinder (LPF) ist eine Mission, die aus einem einzigen Satellit besteht. Sie wird im Jahr 2009 gestartet, um Schlüsseltechnologien für LISA zu erproben, die auf der Erde nicht getestet werden können ([4]):
- Das Regelsystem, das die Testmassen im Satellit schweben lassen soll. Durch dieses System werden Störkräfte bis auf ein Niveau von Femtonewton (= 10-15 Newton) unterdrückt.
- Die dazu notwendigen „Mikro-Newton”-Triebwerke, die den Satelliten um die frei schwebenden Testmassen steuern müssen.
- Ultra-stabile Interferometrie im Weltall.
Alle hier erwähnten Technologien müssen auf ihre Leistungsfähigkeit im entsprechenden Frequenzbereich getestet werden, also über Messzeiten von mehreren Tausend Sekunden. Dafür werden zwei Testmassen, ähnlich denen, die bei LISA verwendet werden, in einem Satelliten untergebracht und so gewissermaßen ein Arm von LISA von fünf Millionen Kilometern auf 30 Zentimeter geschrumpft. Während der Mission misst man dann die Fluktuationen ihres Abstandes sehr präzise mittels Interferometrie.
Dieses Konzept ist in Abbildung 2a dargestellt, in der die würfelförmigen Testmassen als schwebende Spiegel des Interferometers zu sehen sind. Abbildung 2b skizziert den genauen Aufbau: Jede Testmasse befindet sich innerhalb eines Vakuumtanks, dazwischen sitzt das Interferometer, die so genannte optische Bank. Zwei Seitenplatten gewährleisten die strukturelle Stabilität.
Die LISA-Gruppe im Teilinstitut Hannover arbeitet an der Entwicklung und Erprobung der Interferometrie und Phasenauslesung für LISA Pathfinder und LISA. Dabei wird stark von der langjährigen Erfahrung des Albert-Einstein-Instituts auf dem Gebiet der erdgebundenen Gravitationswellenforschung profitiert.
LISA Pathfinder: Interferometer und Phasenmeter
Die Interferometrie sowohl für LISA als auch für LPF basiert auf einem so genannten Heterodyn-Konzept. Dabei werden Längenänderungen als Phasenfluktuationen des oszillierenden Signals am Interferometerausgang mittels eines Phasenmeters gemessen ([5]). Die Funktionalität des Interferometers und des Phasenmeters für LPF wurde schon vor 2004 mit Laborprototypen in Hannover geprüft. Im Rahmen der Entwicklung am AEI entstanden ein ausgereiftes Phasenmeterkonzept und ein Prototyp, an dem mehrere Rauschquellen identifiziert und beseitigt wurden.
Im Februar 2004 wurde der Phasenmeter-Prototyp zum ersten Mal mit einer ultra-stabilen monolithischen optischen Bank am Institute for Gravitational Research (IGR) in Glasgow getestet. Das Phasenmeter zeigte dabei die gewünschte Empfindlichkeit in Bezug auf Längenänderungen im Millihertz-Frequenzbereich. Dies zeigt die zweite Kurve in Abbildung 3. Die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem IGR hat auch den Zusammenbau und Untersuchung von monolithischen optischen Bänken in den neuen Reinraum-Einrichtungen des AEI ermöglicht.
Kurz darauf wurde der gleiche Phasenmeter-Prototyp bei der erfolgreichen Qualifizierung des so genannten „Engineering Model” der optischen Bank von LPF bei niederländischen Partnern des AEI verwendet. (Als „Engineering Model” bezeichnet man einen Prototypen, der vor dem so genannten „Flight Model”, das endgültig auf dem Satelliten fliegt, gebaut und getestet wird.)
Die optische Bank (Abb. 2c) ist ein gutes Beispiel für die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit am Projekt LISA Pathfinder: Sie wurde am Rutherford Appleton Laboratory in Großbritannien konstruiert, wissenschaftliche Partner waren das IGR, das AEI und die University of Birmingham. Anschließend wurden von Firma Astrium Germany die Seitenplatten aus Zerodur integriert. Der Rauschpegel, der während der Qualifizierung erreicht wurde, wird von der oberen Kurve in Abbildung 3 beschrieben.
Schließlich wurde das „Engineering Model” in den neuen Laboren des AEI in Hannover einer Reihe von Funktionalitäts- und Empfindlichkeitsmessungen unterworfen. Unter anderem wurde ein neues Phasenmeter im für LISA Pathfinder geplanten Design implementiert, und damit umfangreiche Rauschuntersuchungen vorgenommen. Dabei wurde eine theoretische Erklärung für die wichtigste interferometrische Rauschquelle gefunden und so eine Optimierung der Empfindlichkeit ermöglicht, wie in der unteren Kurve in Abbildung 3 zu sehen ist.
LISA
Inzwischen konzentriert man sich mehr und mehr auf die Interferometrie für LISA. Die Anwendung eines Lasersystems zwischen zwei Testmassen in unterschiedlichen Satelliten, fünf Millionen Kilometer von einander entfernt, macht aus LISA ein höchst anspruchsvolles Projekt mit einer Reihe von Technologien, die experimentelle Tests erfordern:
- Die bei LISA auch ohne den Durchgang von Gravitationswellen auftretenden Armlängenunterschiede, die bis zu 1 % der gesamten Armlänge betragen, erfordern eine sehr hohe Frequenzstabilität des Lasers. Das gesamte Frequenzrauschen bei LISA wird mit einer Kombination von drei Techniken bewältigt, an zweien davon wird am AEI gearbeitet. Ein Experiment zur Reduzierung der Laserfrequenzschwankungen über mehrere Größenordnungen wurde zusammen mit einer Demonstration des Funktionsprinzips einer ergänzenden Frequenzstabilisierungstechnik namens „Arm-locking“ realisiert. Diese Technik verwendet die Länge eines LISA-Armes als Referenz für die Frequenz des Lasers.
- Aufgrund der Geschwindigkeit, mit der die Satelliten sich zueinander bewegen liegt das Heterodynsignal (aus dessen Phase die Testmassenfluktuationen gemessen werden) im Megahertz- und nicht im Kilohertzfrequenzbereich wie beim Pathfinder. Das erfordert ein neuartiges Phasenmeterkonzept, an dem das AEI forscht.
- Der Laserstrahl, der nach fünf Millionen Kilometern an der Testmasse im fernen Satelliten ankommt, hat nur einige Pikowatt an Leistung. Man kann ihn deshalb nicht direkt zurückschicken, wie es auf den 30 Zentimetern beim Pathfinder gemacht wird (siehe Abb. 2a). Stattdessen muss man die im herein kommenden Licht enthaltenen Phaseninformationen einem anderen leistungsfähigen Laser aufprägen und dann dieses verstärkte Licht zurückschicken. An der Implementierung dieser so genannten „Offset phase locking”-Technik mit der notwendigen Stabilität bei niedrigen Frequenzen wird ebenfalls geforscht.
- Auch die Entwicklung und Charakterisierung eines für LISA geeigneten Lasers stellt eine große Herausforderung dar. Man muss die für erdgebundene Gravitationswellendetektoren existierenden Laserprototypen umgestalten, sodass sie von Effekten wie den Erschütterungen beim Start der Rakete oder vom Beschuss mit hoch energetischen Teilchen im Weltall nicht beeinflusst werden.
Ausblick
Die Forschung an LISA und LISA Pathfinder hat in letzter Zeit große Fortschritte erzielt. Der Pathfinder hat seine Implementierungsphase begonnen, d.h. es sind keine weiteren Prototypen oder Entwürfe erforderlich. Die Herausforderung besteht jetzt darin, wissenschaftlich qualifizierte Unterstützung bei der genauen Implementierung jedes Subsystems und Verfahrens zu leisten bis zur Durchführung der Mission. Als nächster Meilenstein werden die aus LPF gewonnen Erkenntnisse bei LISA eingesetzt, um endgültig Gravitationswellen bei niedrigen Frequenzen zu detektieren.