Forschungsbericht 2008 - Max-Planck-Institut für Chemie
Kosmischer Staub im Labor
Cosmic dust in the laboratory
Partikelchemie (Prof. Dr. Stephan Borrmann)
MPI für Chemie, Mainz
Einleitung
Staub spielt eine wichtige Rolle im kosmischen Materiekreislauf zwischen den Sternen und dem umgebenden interstellaren Medium. Im Innern der Sterne verändert die Kernfusion die Materie durch Kernfusionsreaktionen fortlaufend: Aus den leichten chemischen Elementen entstehen sukzessive schwerere Elemente durch die sogenannte stellare Nukleosynthese. In der Endphase ihres Lebens verlieren die Sterne dann einen Teil dieser frisch synthetisierten Materie durch Sternenwinde oder aber in gewaltigen Explosionen, sogenannten Supernovae. Ein beträchtlicher Teil der schweren Elemente kondensiert zu Staub, der dann in das umgebende interstellare Medium abgegeben wird. Lokal verdichtet sich die Materie zu interstellaren Wolken, in denen weiterer Staub kondensieren kann. Durch die Wirkung der Schwerkraft können interstellare Wolken schließlich kollabieren. Es entsteht ein neuer Stern und der Materiekreislauf beginnt von vorn.
Unser Sonnensystem ist vor etwa 4,6 Milliarden Jahren entstanden. Das Baumaterial für die Planeten, Asteroide und Kometen war Material, das in der Umgebung der jungen Sonne kondensiert war, sowie interstellarer Staub, Sternenstaub und die in den kalten Bereichen des Sonnensystems kondensierten flüchtigen Elemente. All diese Materialien lagerten sich zusammen und verdichteten sich zu den genannten Himmelskörpern. In den größeren Körpern (wie z. B. unserer Erde) zerstörten hohe Temperaturen das Ausgangsmaterial. In kleineren Körpern, den Asteroiden und Kometen, konnte das ursprüngliche Material dagegen teilweise überleben. Solches Material gelangt nun durch die Meteorite (Bruchstücke von Asteroiden), interplanetare Staubteilchen, welche z. T. aus Kometen stammen, und direkt gesammeltes Kometenmaterial (Stardust-Mission) in irdische Labore [1].
Wissenschaftler des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie arbeiten seit einigen Jahren an kosmischem Staub. Für ihre Untersuchungen an Sternenstaub, interstellarem Material und Kometenproben stehen den Wissenschaftlern eine NanoSIMS-Ionensonde, ein so genanntes Sekundärionen-Massenspektrometer, und ein hochauflösendes Elektronenmikroskop zur Verfügung. Mit der NanoSIMS (Abb. 1) können sie Isotopenzusammensetzungen kleiner Proben mit Größen von weniger als 100 Nanometern (Millionstel Millimeter) analysieren. Die vorhandenen Werkzeuge erlauben es den Wissenschaftlern, die einzelnen Phasen des kosmischen Materiekreislaufs detailliert zu untersuchen.
Sternenstaub
Sternenstaub konnte erstmals 1987 in Form von Siliziumkarbid und Nanodiamanten in primitiven Meteoriten nachgewiesen werden. Obwohl Silikate die häufigsten Minerale in der Umgebung Sauerstoff-reicher Sterne sind, blieben diese in ursprünglichem Sonnensystemmaterial lange unentdeckt. Erst im Jahre 2002 gelang es einer Forschergruppe aus Saint Louis mithilfe der NanoSIMS Silikat-Sternenstaub in einem interplanetaren Staubteilchen nachzuweisen.
Ein Schwerpunkt der Mainzer Forschungsarbeiten zu diesem Thema sind Untersuchungen am Acfer 094-Meteoriten, einem so genannten kohligen Chondriten. Wie sich gezeigt hat, ist dieser Meteorit ausgesprochen reich an Sternenstaub, insbesondere Silikaten (Abb. 2 links). Diese lassen sich aufgrund eines ganz charakteristischen Fingerabdrucks in ihrer Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung identifizieren (Abb. 2 rechts). Dazu wird die Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung in einem Dünnschliff des Meteoriten in-situ mit hoher Auflösung in der NanoSIMS „kartiert“. Aus einem Vergleich mit Sternmodellen lässt sich folgern, dass der größte Teil des Silikat-Sternenstaubs aus Roten Riesensternen stammt (Abb. 3). Etwa 10% der Silikate sind aber offensichtlich im Auswurf einer oder mehrerer Supernova-Explosionen entstanden [2].
Einige der Sternenstaub-Silikate konnten mithilfe der so genannten FIB-Technik („Focussed Ion Beam“) aus dem Dünnschliff separiert werden und im Transmissionselektronenmikroskop auf Mineralogie und Struktur hin untersucht werden. Hier arbeiten die Mainzer Wissenschaftler eng mit Forschern aus Saarbrücken, Frankfurt und Washington zusammen. Dabei ergaben sich teilweise überraschende Resultate. So konnte beispielsweise ein Korn identifiziert werden, dessen Struktur vermutlich das Resultat einer Umwandlung durch eine Supernova-Schockwelle im interstellaren Medium ist [3]. Die Kombination von NanoSIMS und Transmissionselektronenmikroskopie steht erst am Anfang. Mit Studien an einer großen Anzahl von Sternenstaub-Silikaten sollte es in der Zukunft möglich sein, einen vertieften und detaillierten Einblick in die Entstehungsgeschichte dieser Relikte verstorbener Sterne zu erhalten.
Die Stardust-Mission zum Kometen Wild 2
Kometen haben sich in den äußeren, kalten Zonen unseres Sonnensystems gebildet. Die 1999 gestartete NASA-Raumsonde „Stardust“ ist nach einer Reise zum Kometen Wild 2 im Januar 2006 erfolgreich auf die Erde zurückgekehrt. Die Raumsonde sammelte beim Flug durch den Kometenschweif Hunderttausende von Kometenpartikeln, insgesamt etwa ein Milligramm Materie ein. Beim Aufprall auf einen Staubfänger, bestehend aus Aerogel, einem Silikat-Material mit sehr geringer Dichte, und Aluminiumfolie (Abb. 4), konnten sie aufgefangen und anschließend zur Erde gebracht werden.
Die Untersuchungen eines internationalen Expertenteams, unter ihnen Forscher vom Mainzer Max-Planck-Institut, zeigen, dass das Material des Kometen Wild 2 aus drei Komponenten besteht: 1) Minerale, die im solaren Nebel entstanden sind, 2) organische Materie, die vermutlich zumindest teilweise interstellaren Ursprungs ist sowie 3) Sternenstaub [4,5]. Organisches Material mit ähnlichen Isotopensignaturen wurde kürzlich auch in Meteoriten gefunden [6]. Erstaunlicherweise machen die im Sonnensystem entstandenen Minerale den weitaus größten Teil des Kometenmaterials aus; Sternenstaub kommt dagegen vergleichsweise selten vor. Einige der untersuchten Minerale zeigen Anreicherungen im Sauerstoffisotop mit der Massenzahl 16, eine Signatur wie man sie auch in Kalzium-Aluminium-reichen Einschlüssen in Meteoriten findet. Diese Hochtemperatureinschlüsse repräsentieren die frühesten Kondensate im Sonnensystem und entstanden in den inneren heißen Zonen des solaren Nebels. Dass solche Minerale auch in einem Kometen vorkommen, lässt darauf schließen, dass im frühen Sonnensystem festes Material über große, radiale Distanzen hinweg gemischt wurde.
Zukünftige Arbeiten an Material aus der Stardust-Mission werden darauf abzielen, eine verlässlichere Abschätzung über die Häufigkeit von Sternenstaub im Kometen Wild 2 zu erhalten. Darüber hinaus werden Untersuchungen an interstellarem Staub, der ergänzend zum Kometenstaub auf der langen Reise des Stardust-Satelliten zum Kometen Wild 2 eingesammelt wurde, weitere wichtige Einblicke in die Natur kosmischen Staubes ermöglichen.