Einsteins Äquivalenzprinzip auch für Atome bestätigt
Garchinger und Tübinger Wissenschaftler haben an einem "atomaren Springbrunnen" den Galilei’schen Fallturmversuch für Quantenobjekte verifiziert
Vor etwa 400 Jahren hat Galileo Galilei in seinem berühmten Versuch auf dem schiefen Turm von Pisa Gegenstände aus Blei, Gold und Holz fallen lassen und dabei festgestellt, dass sie alle zur gleichen Zeit am Fuße des Turms ankommen. Aus dem Befund, dass die Bewegung eines Körpers unter Einwirkung der Schwerkraft unabhängig von seiner Masse oder seiner Zusammensetzung ist, hat Einstein den in der Physik als "Äquivalenzprinzip" bekannten Grundsatz formuliert und diesen als Ausgangspunkt für seine Überlegungen zur Gravitationstheorie gewählt. Von besonders großem Interesse ist heute die Überprüfung des Äquivalenzprinzips auf atomarer Ebene, da entsprechende Experimente Hinweise dafür liefern können, wie die Einstein’sche Gravitationstheorie und die Quantentheorie weiterentwickelt und in eine einheitliche Beschreibung überführt werden können. Garchinger und Tübinger Wissenschaftler haben nun eine moderne Variante des Galilei’schen Fallturmversuchs durchgeführt und das Äquivalenzprinzip für Quantenobjekte mittels eines Atominterferometers an einem "atomaren Springbrunnen" überprüft. Beim Vergleich der Fallbeschleunigung für zwei verschiedene Rubidiumisotope (Rb 85 und Rb 87) konnten die Forscher die Gültigkeit des Äquivalenzprinzips bis auf eine Genauigkeit von 2 zu 10 Millionen auf atomarem Niveau bestätigen (Physical Review Letters, 10. Dezember 2004).
Das Äquivalenzprinzip markiert einen der wichtigsten Eckpfeiler der Gravitationstheorie. Deshalb stellt es heute eine große Herausforderung dar, dieses Prinzip einer möglichst genauen experimentellen Überprüfung zu unterziehen. Ergebnisse hierzu könnten Antworten auf eine der in der modernen Physik ungelösten Fragen liefern, nämlich wie man die beiden grundlegenden Theorien der Physik, die Quantentheorie und die Gravitationstheorie, in einheitlicher Weise beschreiben kann.
Garchinger und Tübinger Wissenschaftler haben nun das Äquivalenzprinzip mit Hilfe der Quantenmechanik für zwei verschiedene Rubidiumisotope untersucht. Dazu haben sie in einer magneto-optischen Falle etwa eine Milliarde Rubidiumatome gefangen und mittels Lichtkräften in vertikaler Richtung, entgegen der Schwerkraft, auf eine freie, nach oben gerichtete Flugbahn beschleunigt, ähnlich wie die Wasserstrahlen eines Springbrunnens. Nachdem die Atome ihren höchsten Punkt erreicht haben, fallen sie, von der Erde angezogen, wieder nach unten. Für die Bestimmung der während des Fluges zurückgelegten Strecke wird die quantenmechanische Wellennatur der Atome ausgenutzt. Diese erlaubt es, die Bewegung der Atome mit einem Atominterferometer genau zu vermessen.
Bei einem konventionellen Interferometer werden zwei Lichtstrahlen aufgeteilt und wieder zur Überlagerung gebracht. Sind die beiden Strahlen in Phase, so addieren sich ihre Felder am Ort der Überlagerung und ein dort aufgestellter Detektor registriert einen helles Licht. Haben sie eine entgegengesetzte Phase, heben sich die Felder hingegen auf und am Ort des Detektors bleibt es dunkel. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik haben auch Atome Welleneigenschaften. In einem Atominterferometer beobachtet man ebenfalls das Auslöschen und Verstärken solcher Wellen. An dem Wechsel von "hellen" und "dunklen" Perioden lässt sich die Erdbeschleunigung der Atome auf ihrer Flugbahn bestimmen. Dabei entspricht der Abstand zwischen einem hellen und einem dunklen Bereich einer zurückgelegten Entfernung von etwas einem halben Millionstel Meter. Damit haben die Forscher ein sehr genaues "Lineal" zur Vermessung der atomaren Bewegung zur Hand.
Mit diesem "Lineal" haben die Forscher die Flugbahn der beiden Rubidiumisotope 85Rb und 87Rb verglichen und festgestellt, dass deren Beschleunigung auf Grund der Erdanziehung innerhalb einer relativen Genauigkeit von 1,7 x10-7 übereinstimmt. In diesem Experiment konnte das Äquivalenzprinzip also auch für Quantenobjekte bestätigt werden. Die Forscher erwarten, dass sich mit technischen Verbesserungen zukünftig extrem genaue Überprüfungen des Äquivalenzprinzips für quantenmechanische Probeteilchen durchführen lassen.