Fett-Moleküle im Fokus
Eine der großen Herausforderungen in der modernen Biologie ist es, das umfangreiche Wissen über einzelne Moleküle in einem lebenden Organismus zusammenzuführen. Dazu zählen auch die verschiedenen Fettmoleküle, die sogenannten Lipide. Sie sind wesentlicher Bestandteil der Hüllschicht der Zellen, der Zellmembran. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sich die Lipidomik, also die Analyse sämtlicher Lipide des Körpers, bereits in naher Zukunft zu einem zentralen Werkzeug in der Zell- und Entwicklungsbiologie, der molekularen Medizin und den Ernährungswissenschaften entwickeln wird.
Das Max Planck-NCBS Center on Lipid Research wird federführend vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden sowie dem National Centre of Biological Sciences (NCBS) in Bangalore geleitet. Beteiligt sind aber auch das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam sowie das Institute of Life Sciences in Bhubeneswar. Darüber hinaus bauen die Forscher auf eine starke chemisch-synthetische Unterstützung. Neben Max-Planck-Instituten und dem NCBS, die erfolgreich auf dem Gebiet der Lipidchemie arbeiten, zählen hierzu auch Chemiefirmen, die beispielsweise in Bangalore angesiedelt sind.
„Wir möchten das komplette Inventar an Lipiden verschiedener Zellen und Organismen analysieren, um Instrumente entwickeln zu können, die Lipidomik für die biologische Systemanalyse sowie für die Untersuchung und Behandlung von Krankheiten zu nutzen″, erklärt Marino Zerial, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, und einer der beiden verantwortlichen Leiter des neuen Centers. Dafür haben sich die deutschen und indischen Forscher mehrere Ziele vorgenommen:
- die systematische Analyse aller Fettmoleküle in unterschiedlichen Organismen
- die Identifizierung biochemischer Wege für die Produktion und den Abbau von Lipiden
- die Bestimmung der Rollen und Aufgaben bestimmter Lipide in der Organisation und Funktion von Membranen von Zellorganellen, Zellen, Gewebe und dem gesamten Organismus
Die Wissenschaftler rechnen damit, dass die Entschlüsselung des Lipid-Inventars eines Organismus noch viele Überraschungen bieten kann, wie beispielsweise die Entdeckung neuer Lipidklassen oder neuer Arten, die sich nur auf molekularer Ebene unterscheiden.
In der Gründungsphase des Centers, die sich über fünf Jahre erstreckt, soll einerseits eine Forschergruppe in Dresden und Berlin eingerichtet werden. Diese widmet sich der biochemischen und biophysikalischen Analyse biologischer Membranen und der genetischen Analyse des Lipid-Stoffwechsels in verschiedenen tierischen Modellsystemen.
Zum anderen wird eine bereits gegründete Forschungsgruppe in Bangalore miteinbezogen sowie eine zusätzliche Gruppe neu aufgebaut, die sich der Lipidforschung widmen. Die wissenschaftliche Koordination hierfür übernimmt K. Vijay Raghavan, Direktor des National Centre of Biological Sciences und neben Professor Zerial der zweite verantwortliche Leiter des Centers. Weitere wissenschaftliche Koordinatoren sind auf Max Planck-Seite Teymuras Kurzchalia und Satyajit Mayor auf indischer Seite.
Sowohl das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik als auch das National Centre of Biological Sciences sind weltweit führend im Bereich der Bio-Membran-Untersuchungen. Das Center schafft nun weitere Synergien. So hat das National Centre of Biological Sciences durch die Nutzung der vom Dresdner Max-Planck-Institut entwickelten quantitativen Lipidomik-Technologie die Möglichkeit, die eigene Forschung im Bereich Zellbiologie und der systematischen Analyse von Lipiden zu stärken. Für die Max-Planck-Institute wiederum eröffnet sich die Chance, eine breite Forschungsplattform zu etablieren, um die Lipidomik vom momentanen Frühstadium auf einen hochentwickelten Stand zu bringen, damit sie eine wesentliche Rolle in der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung spielen können.
HR
Bildquelle: Sven Döring