Warum erforschen Wissenschaftler Mäuse?
Damit ein Tier zu einem Modellorganismus für die Wissenschaft werden kann, muss es mehrere Eigenschaften mitbringen: Es muss vergleichsweise klein und leicht zu halten sein. Außerdem sollte es sich schnell vermehren. Nur unter diesen Bedingungen lassen sich mit vertretbarem Aufwand und in verhältnismäßig kurzer Zeit wissenschaftliche Ergebnisse erzielen.
Auf die Maus trifft all dies zu. Bei einer Lebenserwartung von zwei bis drei Jahren lässt sich der komplette Lebenszyklus viel schneller untersuchen als beispielsweise beim Menschen. Nach einer kurzen Trächtigkeit von nur drei Wochen werden zehn oder mehr Jungtiere geboren. Mäuse paaren sich zudem mit engen Verwandten. Auf diese Weise lassen sich Inzucht-Linien züchten, die genetisch sehr ähnlich sind. Für Wissenschaftler ist dies wichtig, da sie nur so exakte und vergleichbare Ergebnisse aus ihren Tierversuchen erhalten.
Darüber hinaus konnten Wissenschaftler lange Zeit nur in der Maus einzelne Gene ausschalten. Erst in den letzten Jahren haben neue Methoden dies auch in anderen Arten möglich gemacht. Kaum ein Säuger-Organismus ist daher heute so gut untersucht wie die Maus: Ihr Erbgut ist komplett entschlüsselt. Der Vergleich ihrer Gene mit denen des Menschen hat gezeigt, dass Mäuse trotz ihres andersartigen Äußeren dem Menschen biologisch gesehen sehr ähnlich sind: 95 Prozent der Gene im Erbgut der Maus besitzt der Mensch in ähnlicher Form. Viele der Erkrankungen von Mäusen und Menschen haben dieselbe genetische Ursache.
Genetisch veränderte Mäuse
Forscher können Gene im Erbgut der Maus gezielt zu bestimmten Zeitpunkten in der Entwicklung an- oder abschalten und die Folgen untersuchen. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Funktion eines Gens. Mäuse mit einer veränderten Variante eines Gens zeigen häufig ähnliche Gewebeveränderungen wie menschliche Patienten. Dies erlaubt den Wissenschaftlern, die Entstehung von Krankheiten beim Menschen und deren Behandlung aufzuklären. Im Jahr 2015 waren 55 Prozent der an Max-Planck-Instituten gehaltenen Mäuse genetisch verändert.
In vielen Fällen weisen die gentechnisch veränderten Tiere keinerlei erkennbare Veränderungen auf. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise ein Gendefekt von anderen Genen wieder ausgeglichen wird. Solche gentechnischen Veränderungen wirken sich kaum oder gar nicht auf das Tier aus und sind nur mit speziellen Methoden oder gar nicht nachweisbar.
Nur selten lösen Genveränderungen Krankheitssymptome aus: Lediglich drei Prozent der an Max-Planck-Instituten gehaltenen Mäuse litten 2015 unter Krankheitserscheinungen infolge einer bewusst herbeigeführten Mutation.
Grundsätzlich sind die Wissenschaftler durch gesetzliche Vorgaben verpflichtet, die Zahl der gentechnisch veränderten Versuchstiere mit Belastungen so gering wie möglich zu halten. Sie können die Zahl solcher Tiere auf verschiedene Weise minimieren: zum Beispiel indem sie heterozygote Tiere züchten – also Tiere mit nur einer krankmachenden Version des Gens –, wenn sich die Veränderung nur bei Tieren belastend auswirkt, die zwei fehlerhafte Genkopien besitzen.
Sind bei einer Erbgutveränderung Belastungen zu erwarten, wird bereits die Zucht solcher Tiere als Tierversuch eingestuft – unabhängig davon, welche Untersuchungen an dem Tier später durchgeführt werden sollen. Jeder Wissenschaftler in Deutschland muss daher eine Belastungsbewertung für einen gentechnisch veränderten Stamm durchführen. Bei einer zu erwartenden oder unerwartet auftretenden Belastung muss er die Zucht und Haltung dieses Stammes bei den Behörden genehmigen lassen.