Prähistorischer Mais betont Wert genetisch diverser Ressourcen
Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Zielgerichtete Züchtung ist nötig um Mais an den Klimawandel anzupassen
Zum ersten Mal ist es Wissenschaftlern gelungen, ein komplexes Merkmal wie den Blütezeitpunkt von prähistorischem Mais zu bestimmen. Mais, der vor über 2000 Jahren angebaut wurde. Wissenschaftler der Cornell Universität und des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen isolierten und analysierten Mais-DNA aus archäologischen Proben und verglichen sie mit der DNA moderner Mais-Sorten. Die nun veröffentlichten Studienergebnisse zeigen, dass 2000 Jahre Selektion nötig waren, damit Mais auch in nördlichen Klimazonen wachsen konnte. So viel Zeit wird für die Anpassung moderner Mais-Sorten an den Klimawandel nicht zur Verfügung stehen.
Sowohl der amerikanische Corn Belt als auch der in Europa angebaute Mais verdanken ihre Existenz der Fähigkeit der Mais-Pflanze, ursprünglich eine Tropenpflanze, früh genug zu blühen, um dem Winter zu entgehen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen und der Cornell University New York fanden nun heraus, dass bereits die indigenen Völker im Südwesten Amerikas vor 4000 Jahren damit begannen, Maispflanzen gezielt so auszuwählen, dass sie an temperaturabhängige Anbauphasen angepasst waren. Diesen Kultivierungsprozess verfeinerten sie in den darauffolgenden 2000 Jahren.
Aufgrund der züchterischen Erfolge der indigenen Bauern und seiner hohe Anpassungsfähigkeit wurde Mais schon früh ein Grundnahrungsmittel, überwiegend als Bestandteil von Eintöpfen und Suppen. Doch nicht nur der Ertrag wurde stetig besser, auch der Nährstoffgehalt der Körner stieg durch den selektiven Anbau. Die Ergebnisse der nun veröffentlichten Studie zeigen, dass einige der gefundenen prähistorischen Maisproben goldgelbe Körner mit einem hohen Beta-Karotin-Anteil aufweisen – und sind damit der früheste Nachweis über den Verzehr von gelbem Mais. Vermutlich gehörten die Körner außerdem zu einer Sorte, welche die Produktion von Puffmais ermöglicht.
Klimazonentoleranz durch 2000 Jahre selektive Züchtung
Die indigenen Bewohner Nordamerikas nutzten die bestehende Vielfalt von Mais und artverwandten Wildgräsern um gewünschte Eigenschaften zu selektieren. Durch die gezielte Auswahl bestimmter Kreuzungen züchteten sie Sorten mit früheren Blütezeitpunkten, was eine verkürzte Anbauperiode und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Tageslängen zur Folge hat. Allerdings waren mehrere tausend Jahre Zucht notwendig, um diese Anpassungen zu erreichen.
„Die genetische Vielfalt von Mais ist unglaublich groß, dennoch dauert es lange, bis sich ausreichend genetische Veränderungen angesammelt haben die zu einem früheren Blütezeitpunkt führen und somit eine kürzere Vegetationsperiode ermöglichen. Die genetische Architektur des Blütezeitpunkts ist so komplex, dass die dafür notwendigen Veränderungen hunderte von Genen betreffen“, so Kelly Swarts, früher Wissenschaftlerin an der Cornell Universität und nun am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie tätig.
Die gefundenen Proben zeigen, dass die ersten an gemäßigte Klimazonen angepassten Mais-Pflanzen im Vergleich zu heutigem Mais klein und buschig waren. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich Mais aufgrund seiner hohen genetischen Vielfalt an so ziemlich alles anpassen kann“, so Swarts. „Für die Anpassung des Mais an den aktuell stattfindenden Klimawandel werden wir allerdings nicht den Luxus von so viel Zeit haben.“
Hier kommt die zielgerichtete Züchtung ins Spiel. Mit dieser Methode ist es möglich, in kurzer Zeit, beispielsweise durch Genom-Editierung, neue Maissorten zu entwickeln und die Diversität traditioneller Sorten zu erhalten. „Die Präzisionszüchtung bietet hier großartige Möglichkeiten – so lange wir ein umfassendes Verständnis davon haben, wo wir ansetzen müssen. Das gelingt, wenn wir Mais in all seiner Diversität erforschen“, betont Swarts.
Mais in all seiner genetischen Diversität
Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler 15 archäologische Maisproben aus, die aus der Turkey Pen-Höhle im Grand Gulch Canyon in Utah stammen. „Es war sehr aufregend die ersten genetischen Analysen an den bereits 1970 ausgegrabenen Proben durchzuführen“, so Hernán Burbano vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. Die Maiskolben seien aufgrund der trockenen Verhältnisse in der Höhle sehr gut erhalten. „Die aus den Proben isolierten DNA-Fragmente waren zwar kurz, bestanden aber dafür in einigen Proben aus bis zu 80 Prozent Mais-DNA und waren nur zu einem geringen Anteil mikrobiellen Ursprungs“, erklärt Burbano. Dadurch ist es in jeder ausgewerteten Probe möglich, genetische Variationen innerhalb des gesamten Genoms zu charakterisieren.
Die Wissenschaftler trugen Informationen tausender moderner Mais-Inzuchtlinien zusammen. Durch den Vergleich der aus den archäologischen Proben isolierten Genome mit denen der modernen Pflanzen konnten sie den Blütezeitpunkt der alten Mais-Sorten abschätzen. Um zu testen, wie genau die Schätzungen waren, pflanzten sie Nachkommen der prähistorischen Sorten an und verglichen deren Blütezeitpunkt mit dem geschätzten Zeitpunkt. Es zeigte sich, dass der Blütezeitpunkt mit hoher Genauigkeit vorhersagbar war. Die Methoden könnten in Zukunft bei weiteren Studien archäologischer Proben von Nutzpflanzen Anwendung finden.
„Bislang konnte man sich nicht vorstellen, präzise Aussagen zu einem komplexen Merkmal wie dem Blütezeitpunkt aus archäologischen Proben treffen zu können. Nur durch aktuelle Fortschritte in der Erforschung prähistorischer und moderner Genome konnten wir zu diesen neuen Erkenntnissen gelangen“, so Swarts.
SH/HR