Molekül vom Ursprung des Universums
Astronomen finden Heliumhydrid in einem planetarischen Nebel
Unmittelbar nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren war das Universum unvorstellbar dicht und heiß. Erst nach einer gewissen Zeit ermöglichten fallende Temperaturen die ersten chemischen Reaktionen der entstandenen leichten Elemente. In diesem Prozess verbanden sich ionisierter Wasserstoff und neutrale Heliumatome zum Heliumhydrid-Ion (HeH+) – als dem ersten Molekül. Aber lange Zeit suchten die Forscher im All vergeblich nach HeH+. Mit dem Ferninfrarot-Spektrometer GREAT an Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA ist es einem internationalen Team unter der Leitung von Rolf Güsten vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie nun geglückt, dieses Molekül im planetarischen Nebel NGC 7027 nachzuweisen.
Der Beginn aller Chemie erfolgte in einer sehr frühen Phase in der Entwicklung des Universums, sobald die Temperatur unter einen Wert von etwa 4000 Grad Celsius gefallen war. Damit konnten sich die Ionen der leichten, bereits im Urknall entstandenen Elemente wie Wasserstoff, Helium, Deuterium und Spuren von Lithium mit Elektronen zu Atomen verbinden. Zunächst verbanden sich Helium-Ionen mit freien Elektronen, um so die ersten neutralen Atome zu erzeugen.
Zu diesem Zeitpunkt war der Wasserstoff selbst noch ionisiert und lag in Form von freien Protonen (Wasserstoffkernen) vor. Mit ihnen verbanden sich die Heliumatome zum Heliumhydrid-Ion HeH+. Als diese Rekombination voranschritt, reagierte das HeH+ mit den nun vorhandenen neutralen Wasserstoffatomen. Am Ende der Reaktionskette entstand schließlich molekularer Wasserstoff. Dies markiert den Beginn des heutigen Universums in all seiner chemischen Komplexität.
Trotz seiner unbestrittenen Bedeutung für die Geschichte des Alls war es bisher nicht gelungen, das HeH+-Molekül im interstellaren Raum aufzufinden. In Laboruntersuchungen hingegen war es seit fast hundert Jahren bekannt, während die gezielte Suche im Weltall während der vergangenen Jahrzehnte erfolglos blieb und so die damit verbundenen chemischen Modellrechnungen sogar angezweifelt wurden.
„Die Chemie des Universums hat mit HeH+ begonnen. Der fehlende Nachweis für die Existenz dieses Moleküls im interstellaren Raum war lange Zeit ein Dilemma für die Astronomie”, sagt Rolf Güsten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Erstautor der Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature und bis zum Oktober 2018 Projektleiter für den GREAT-Empfänger.
In den späten 1970er-Jahren deuteten astrochemische Modelle auf die Möglichkeit hin, dass HeH+ in nachweisbarer Häufigkeit in Wolken innerhalb unserer Milchstraße vorhanden sein könnte. Die Suche in sogenannten planetarischen Nebeln – Gashüllen, die von sonnenähnlichen Sternen in der letzten Phase ihres Lebens ausgestoßen werden – erwies sich als erfolgversprechend. Denn der ausgebrannt Weiße Zwerg im Zentrum besitzt eine Oberflächentemperatur von mehr als 100.000 Grad und erzeugt energiereiche Strahlung, welche Ionisationsfronten in die ausgestoßene Hülle treibt. Genau dort soll sich nach den Modellrechnungen das HeH+-Molekül ausbilden.
Das Molekül strahlt am stärksten bei einer charakteristischen Wellenlänge von 0,149 Millimetern. Leider ist die Erdatmosphäre in diesem Bereich komplett undurchlässig. Daher muss die Suche entweder aus dem Weltraum erfolgen – oder mit hochfliegenden Observatorien wie SOFIA. In einer Höhe von 13 bis 14 Kilometern operiert SOFIA oberhalb der absorbierenden Schichten der unteren Atmosphäre. „Mit den jüngsten Fortschritten in der Terahertz-Technologie ist es nun möglich, hochauflösende Spektroskopie bei den erforderlichen ferninfraroten Wellenlängen vorzunehmen”, sagt Rolf Güsten.
Tatsächlich gelang mit dem GREAT-Spektrometer an Bord der fliegenden Sternwarte der Nachweis des HeH+-Moleküls. „Dieser Fund im planetarischen Nebel NGC 7027 ist ein aufregender und großartiger Beleg für die Tendenz der Natur, Moleküle zu bilden”, sagt David Neufeld von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, ein Ko-Autor der Veröffentlichung.
Trotz der wenig verheißungsvollen vorhandenen Zutaten – einer Mischung von Wasserstoff mit dem kaum reaktiven Edelgas Helium und einer schroffen Umgebung bei einer Temperatur von mehr als 1000 Grad Celsius – habe sich ein sehr fragiles Molekül ausgebildet. „Es ist bemerkenswert, dass wir dieses Phänomen nicht nur beobachtet haben, sondern es auf der Basis theoretischer Modelle auch verstehen können“, so Neufeld.
NJ / HOR