Mikroroboter schwimmt Mikroorganismen davon
Ein winziges U-Boot, das mit Ultraschall angetrieben wird, entwickelt eine deutlich stärkere Schubkraft als Bakterien oder Algen
Einen besonders schnellen frei beweglichen Mikroroboter haben Forscher am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart entwickelt. Der Mikroschwimmer wird durch Ultraschall bewegt, und zwar mit einer Antriebskraft, die zwei bis drei Größenordnungen stärker ist als die von natürlichen Mikroorganismen wie Bakterien oder Algen. Er kann in einer Flüssigkeit sowohl auf einer flachen als auch auf einer gekrümmten Oberfläche gleiten. Außerdem kann er Ladung transportieren. Solche akustisch angetriebene Roboter könnten künftig in minimal-invasiven medizinischen Behandlungen zum Einsatz kommen.
Forscher am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart haben einen bolzenförmigen, synthetischen Roboter mit einem Durchmesser von nur 25 Mikrometern entwickelt, der akustisch vorwärts bewegt wird – ein Geschoss im wahrsten Sinne des Wortes, denn noch nie hat ein so kleiner (er ist weniger als der Durchmesser eines menschlichen Haares groß), mit Ultraschallwellen angetriebener Mikroroboter eine so hohe Geschwindigkeit erreicht. Sein intelligentes Design ist so effizient, dass er sogar die Schwimmfähigkeit natürlicher Mikroorganismen übertrifft.
Eine pulsierende Luftblase schiebt das Geschoss vorwärts
Die Wissenschaftler statteten den aus Polymer 3D-gedruckten Mikroroboter mit einem runden Hohlraum und einer kleinen röhrenförmigen Öffnung aus. Ist der Roboter umgeben von Flüssigkeit wie etwa Wasser, kapselt er eine Luftblase ein. Sobald der Roboter Ultraschallwellen von etwa 330 kHz ausgesetzt wird, pulsiert die Luftblase und drückt die Flüssigkeit im Inneren der röhrenförmigen Öffnung in Richtung Ausgang. Die Bewegung der Flüssigkeit schiebt dann das Geschoss ziemlich kräftig vorwärts: mit bis zu 90 Körperlängen pro Sekunde. Das ist eine Schubkraft, die zwei bis drei Größenordnungen stärker ist als die von natürlichen Mikroorganismen wie Algen oder Bakterien. Beide gehören zu den effizientesten Mikroschwimmern in der Natur, perfektioniert im Laufe der Evolution.
Mikroroboter, die mit Ultraschallwellen angetrieben werden, sind nichts Neues. Jedoch waren bisherige Modelle relativ langsam und erwiesen sich in der Nähe von Oberflächen schwierig zu steuern. Außerdem war nach nur wenigen Minuten Schluss: sie ließen sich nicht mehr steuern, weil der Druck des Wasser zu groß wurde und es den Hohlraum des Schwimmers vollständig füllte – alles Faktoren, die es schwierig machen, solche Miniaturroboter für medizinische Anwendungen einzusetzen wie zum Beispiel die gezielte Verabreichung von Medikamenten, bei Entgiftungen oder nicht-invasive Operationen. Die Wissenschaftler der Abteilung für Physische Intelligenz am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme Amirreza Aghakhani, Oncay Yasa, Paul Wrede und Metin Sitti, der Direktor der Abteilung, zeigen in ihrer Forschungsarbeit, wie sie die Lenkfähigkeiten ihres Roboters verfeinern und gleichzeitig die Betriebszeit auf mehrere Stunden erhöhen konnten.
Mit externen Magnetfeldern lässt sich die Fahrtrichtung ändern
Zusätzlich zu der Ausstattung mit einem Hohlraum und einer Öffnung nach unten hin haben die Wissenschaftler ihren Roboter mit einer kleinen Flosse versehen. Sie gibt – ganz nach dem Motto „immer der Nase nach“ – die Schwimmrichtung vor. Außerdem trugen die Forscher eine magnetische Nanofilmschicht auf die Spitze des Roboters auf. Mit Hilfe externer Magnetfelder konnten sie so die Fahrtrichtung nach links oder rechts beziehungsweise oben oder unten ändern.
In mehreren Experimenten testeten die Forscher, wie gut sich ihr Roboter innerhalb einer kleinen Röhre – ähnlich groß wie ein Blutgefäß – bewegen kann. Sie setzten den Roboter akustischen Wellen und einem Magnetfeld aus und es gelang ihnen, den Roboter in dem Kanal zu navigieren – unabhängig davon, ob die Oberfläche glatt oder gewellt war. Sie zeigten zudem, dass das Einfangen von Ladung automatisch geschieht, während sich der Mikroroboter fortbewegt. Während die Flüssigkeit aus dem Hohlraum des Roboters gedrückt wird, während er Ultraschallwellen ausgesetzt ist, erzeugt diese einen kreisförmigen Strom. Dieser Strom sorgt dafür, dass die umgebenden Medikamentenpartikel zum Roboter geführt werden. Dort sammeln sich die Partikel an und werden mitsamt des Roboters wegtransportiert. Dank dieser Fähigkeit, Ladung einzufangen, könnten solche Roboter möglicherweise eines Tages eingesetzt werden, um Krebsmedikamente im Blutstrom zu sammeln und das Medikament gezielt in Richtung eines Karzinoms zu transportieren. Die Ladung würde dann in unmittelbarer Nähe freigesetzt und so eine maximale Wirkung erzielt werden.
Mikroroboter für minimalinvasive medizinische Anwendungen
„Wir können unsere Mikroroboter sehr effizient betätigen, und sie sind auch sehr schnell. Ultraschall ist für den Körper harmlos und kann tief in das Innere des Körpers eindringen. Wir können unsere Roboter sowohl auf flachen als auch auf welligen Oberflächen kontrolliert bewegen und wir können Ladung wie zum Beispiel Medikamente fortbewegen", fasst Amirreza Aghakhani, ein Postdoc in der Abteilung für Physische Intelligenz und Co-Autor der Publikation, die besonderen Merkmale des Mikroroboters zusammen. „Das ist sehr beeindruckend.“
Ein weiterer Vorteil ist die Ultraschallbildgebung. Im Inneren des Körpers ist die Bildgebung sehr schwierig, da der Roboter nur einige Mikrometer groß ist. „Die eingeschlossene Luftblase wirkt jedoch als Kontrastmittel. Sie macht den Roboter und seine Position damit besser sichtbar", fügt Aghakhani hinzu.
„Unsere Zukunftsvision ist es, solche akustisch angetriebenen und magnetisch gesteuerten Mikroroboter in naher Zukunft im menschlichen Körper für verschiedene minimalinvasive medizinische Anwendungen einzusetzen", sagt Metin Sitti.
LB