miR1 und miR133a blockieren Teilung von Herzzellen

Ansatz für Stärkung der Herzregeneration entdeckt

12. November 2021

Das Herz besteht aus vielen einzelnen Herzmuskelzellen, die elektrisch verschaltet sind und eine funktionelle Einheit darstellen. Durch Zellteilung neu entstandene Zellen würden diesen Verbund stören und die Leistungsfähigkeit des Herzens mindern. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun herausgefunden, dass die beiden Mikro RNA-Moleküle miR-1 und miR-133 im ausgewachsenen Herzen zwei Gene inaktivieren, die normalerweise die Zellteilung forcieren. Werden diese Moleküle ausgeschaltet, war im Experiment mit Mäusen das Herz nach einem Infarkt weniger geschädigt. Zukünftig könnte mit miR-1 und miR-133 die Zellteilung im Herzen gezielt angeschaltet werden, beispielsweise um die Herzmuskelregeneration nach einem Infarkt zu stimulieren.
 

Das Säugerherz ist ein Hochleistungsorgan. Zuverlässig und an den jeweiligen Bedarf angepasst pumpt es Blut mit einem relativ hohen Druck durch den Körper. Man nimmt an, dass im Laufe der Evolution diese Leistungsfähigkeit dadurch erkauft wurde, dass die Regenerationsfähigkeit des Organs weitestgehend verloren ging. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass die einzelnen Herzmuskelzellen permanent und sehr eng zu einem sogenannten elektrischen Synzytium verbunden sind. Dabei sind die einzelnen Zellen über Zell-Zell-Kontakte miteinander verschaltet, so dass für die Herzkontraktion notwendige elektrische Erregungsleitung kontrolliert verlaufen kann. Neue, durch Zellteilung hervorgehende Herzmuskelzellen könnten diesen physiologischen Vorgang stören und das Herz außer Takt bringen. Entsprechend findet man im Herzen anders als in Organen mit hoher Regenerationsfähigkeit keine teilungsfähigen, regenerativen Stammzellen. Der Nachteil: Werden Teile des Herzmuskels geschädigt, wie dies beispielsweise bei einem Herzinfarkt der Fall ist, fehlen dem Herzen die Selbstheilungskräfte. Eine funktionelle Regeneration des geschädigten Herzens findet deshalb in der Regel nicht statt.

Es ist davon auszugehen, dass das Unterdrücken der Zellteilung bei Herzmuskelzellen auf verschiedenen Wegen reguliert wird. Wissenschaftler aus der Abteilung von Thomas Braun vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun an Mäusen zeigen können, dass ein solcher Mechanismus zwei sogenannte Mikro-RNAs, miR-1 und miR-133a, beinhaltet. „Bei Mikro-RNAs handelt es sich um kurze, nicht codierende RNA-Moleküle, die entscheidend in die Regulation der Aktivität von Genen involviert sind. Wir stellten fest, dass miR-1/133a zwei Rezeptoren auf den Herzmuskelzellen unterdrücken. Die beiden Moleküle, Oncostatin-M-Rezeptor und der FGF-Rezeptor 1, kontrollieren im adulten Herzen die Teilungsaktivität der Herzmuskelzellen“, sagt Thomas Böttger, einer der Hauptautoren der Studie.

Um die Hintergründe genauer zu erforschen, verwendeten die Max-Planck-Forscher Herzmuskelzellen, bei denen miR-1/133a durch einen gentechnischen Eingriff temporär inaktiviert werden konnten. Tatsächlich nahm die Expression der Gene für den Oncostatin-M-Rezeptor und den FGF-Rezeptor 1 und damit auch die Zahl der Rezeptormoleküle bei diesen Zellen zu. Dadurch wurden intrazelluläre Prozesse ausgelöst, an deren Ende in den Herzmuskelzellen die Zellteilung initiiert wurde. „Umgekehrt führte eine Überexpression von miR-1/133a dazu, dass die Zellen jegliche Zellteilungsaktivität beendeten, wenn wir diese vorher durch eine Gabe der Bindungsmoleküle der beiden Rezeptoren, also Oncostatin und FGF, herbeigeführt hatten“, erklärt Melissa Valussi, Erstautorin der Studie.

In ihren Studien an genetisch veränderten Mäusen stellten die Bad Nauheimer Forscher zudem fest, dass bei Tieren, bei denen miR-1/133a ausgeschaltet waren, die Herzmuskelzellen wesentlich besser mit Hypoxie-Bedingungen (Sauerstoff-Armut) zurechtkamen, wie sie beispielsweise nach einem Herzinfarkt existieren. „Im Experiment zeigten die Herzmuskelzellen von miR-1/133a-Knockout-Tieren bei Hypoxie eine höhere Vitalität und Überlebensrate“, so Valussi. „Zudem stellten wir fest, dass bei diesen Tieren sich nach einem experimentell erzeugten Myokardinfarkt eine wesentlich kleinere Narbe auf dem Herzmuskel entwickelte. Offensichtlich hatten das Fehlen von miR-1/133a einen positiven Effekt auf die Überlebensrate und Regeneration der Herzmuskelzellen.“ Dieser Effekt wurde allerdings ins Gegenteil verkehrt, wenn miR-1/133a über einen längeren Zeitraum fehlte. In diesem Fall ging den Herzmuskelzellen durch die ungebremste Aktivität der beiden Rezeptoren die Fähigkeit zur Kontraktion verloren und es kam bei den Tieren zum Herzversagen.

Aus Sicht der Max-Planck-Forscher zeigt die Studie, dass ein vorübergehendes Ausschalten von miR-1/133a einen Ansatz darstellt, die Regeneration eines geschädigten Herzmuskels zu ermöglichen. „Mit dem zunehmenden Verständnis der Funktionsweise von miR-1/133a in Herzmuskelzellen zeichnen sich Anknüpfpunkte für einen therapeutischen Ansatz ab, mit dessen Hilfe Selbstheilungskräfte des Herzens gestärkt werden können“, so Thomas Braun, Direktor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung.

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