Forschungsbericht 2021 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Quantencomputer und klassischer Computer Hand in Hand

Autoren
Cirac, Juan Ignacio
Abteilungen

Theorie

Zusammenfassung
Quantencomputer wecken Hoffnung auf die Entdeckung neuer Materialien oder die Simulation komplexer Naturprozesse. Erste Prototypen existieren, doch die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Quantenalgorithmen, die dynamische Vielteilchensysteme effizienter berechnen können als klassische Algorithmen, sind bereits seit längerem bekannt – keine jedoch für statische Systeme. Nun aber hat unsere Gruppe Algorithmen entwickelt, die dies besser können als jeder Supercomputer. Bei der Anwendung ihrer beiden Algorithmen arbeiten klassische Computer und Quantencomputer Hand in Hand.

Viele interessante Anwendungsgebiete von Quantencomputern sind heute schon bekannt, darunter zum Bespiel die Pharmazeutik oder die Entwicklung neuer Materialien. Ein Bereich sticht besonders heraus: die Lösung von Vielteilchenproblemen, wie sie zum Beispiel in der Chemie, der Materialphysik oder der Hochenergiephysik auftreten [1]. Typische Fragen lauten hier: Welche Eigenschaften hat ein Material bei einer bestimmten Temperatur? Unter welchen Bedingungen kann ein Material Strom leiten? Die Lösung dieser Fragen könnte dabei helfen, Supraleitung zu finden, die bei Raumtemperatur funktioniert (Abbildung 1). Dies hätte immense wirtschaftliche und ökologische Effekte. Berechnungen dieser Art sind jedoch so komplex, dass sie selbst die modernsten Supercomputer überfordern, und das, obwohl diese ständig Fortschritte machen.

Quantencomputer jedoch funktionieren ganz anders als herkömmliche Computer: Sie nutzen die Gesetze der Quantenphysik, um ihre Informationsverarbeitung zu beschleunigen. Ihre Algorithmen arbeiten zum Beispiel ungleich klassischen Algorithmen nicht nur mit den konkreten Konfigurationen 0 und 1, sondern sie nutzen bestimmte quantenmechanische Phänomene wie die Verschränkung oder die Superposition – also die Überlagerung verschiedener Zustände. Auf diese Weise können sie mit mehreren Werten gleichzeitig rechnen, was extrem komplexe Rechnungen in kurzer Zeit ermöglicht.  Eben jene Überlagerungen sind aber auch der Grund, warum Vielteilchenprobleme so schwer zu lösen sind. Die Quantensysteme, die wir lösen wollen, bestehen wie die Quantencomputer aus Quantenteilchen und können deswegen ebenfalls in konkreten Konfigurationen oder in Überlagerungen vorliegen. Quantencomputer und Quantensystem sprechen sozusagen dieselbe Sprache. Diese Sprache mit einem klassischen Computer zu simulieren ist sehr schwer bis unmöglich.

Mitte der 1990er Jahre [2] hat daher weltweit ein wahrer Wettlauf um den Bau von Quantencomputern begonnen – ein Unterfangen, das sich mittlerweile zu einer der größten wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft entwickelt hat. Die ersten Prototypen haben bereits einen Teil der möglichen Leistungsfähigkeit demonstriert, aber noch steckt die Technologie in den Kinderschuhen. Die Hardware ist aufgrund der sehr fragilen Zusammensetzung von Quantencomputern physikalisch und technisch äußerst schwierig und aufwändig zu handhaben.

Softwareseitig existieren dafür schon seit langem sehr effiziente Quantenalgorithmen, die zum Beispiel dynamische Probleme viel besser als klassische Computer lösen können. Das sind solche, die berechnen, wie sich die Eigenschaften gewisser Systeme über die Zeit verändern [3]. Für statische Systeme hingegen war bis dato noch kein Quantenalgorithmus bekannt, der den klassischen Algorithmen überlegen ist. Algorithmen für statische Systeme können die Eigenschaften von chemischen Verbindungen, Materialien oder Elementarteilchen analysieren, wenn sie sich im Gleichgewicht befinden. Dies kann hinsichtlich einer bestimmten Energie oder einer bestimmten Temperatur der Fall sein. Diese sind in ihren Anwendungsbereichen von entscheidender Bedeutung.

In der Theorie-Abteilung des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik arbeiten wir seit mehreren Jahrzehnten an der Konstruktion von Quantencomputern sowie an der Entwicklung von Algorithmen und Software. Im letzten Jahr ist uns dabei ein durchgreifender Erfolg gelungen: Die Entwicklung von zwei Algorithmen, die zusammen eben jene statischen Vielteilchenprobleme effizient und damit besser als ein Supercomputer lösen können [4].

Der erste Algorithmus löst die Frage des Überlagerungszustands der Quantenteilchen (Qubits) in Abhängigkeit der Energie sehr effizient. Er basiert auf drei grundlegenden Ideen: Erstens: Der Algorithmus hilft uns dabei, einen Zustand für die Qubits zu finden, den wir durch einmaliges Einwirken auf jedes Qubit erzeugen können und der gleichzeitig eine Energie aufweist, die der von uns festgelegten Energie nahekommt. Diese Energie ist jedoch mit einer großen Unschärfe behaftet, die wir verkleinern müssen. Deswegen die zweite Idee: Mithilfe eines Spektralfilters soll es möglich sein, diese Energie genau auszuwählen und die Unsicherheit praktisch auf null zu reduzieren. Der Filter funktioniert auf dieselbe Weise wie bei Licht: Wenn wir eine Farbe auswählen wollen, setzen wir ein Filter ein, der nur diese Farbe durchlässt. Wenn wir mit dem Quantencomputer die Energie festlegen wollen, können wir mithilfe sogenannter Fourier-Techniken die restlichen Farben – in unserem Fall die Energien – herausfiltern. Dazu verwenden wir Algorithmen, die zur Untersuchung von dynamischen Systemen entwickelt wurden, und wiederholen den Prozess für verschiedene Entwicklungszeiten. Zuletzt verarbeiten wir alle Informationen mit einem klassischen Computer, um das richtige Ergebnis erhalten.

Der zweite Algorithmus unterscheidet sich insofern vom ersten, als er die verschiedenen Konfigurationen der Qubits mit einem klassischen Computer (unter Verwendung der traditionellen Monte-Carlo-Methode) abtastet und es ermöglicht, die physikalischen Eigenschaften bei der gewünschten Temperatur zu berechnen. Der Quantenalgorithmus wird verwendet, um die Stichprobenkonfigurationen exponentiell effizienter zu wählen als mit einem klassischen Computer, der die Ideen des vorherigen Algorithmus verwendet. Auf diese Weise arbeiten der Quantencomputer und der klassische Computer Hand in Hand: Letzterer führt die Berechnungen aus, die er effizient kann, und holt sich den Ersteren zu Hilfe, wenn er eine Unterroutine ausführen muss, die er nicht berechnen kann.

Die Entwicklung und Kombination dieser beiden Algorithmen sind ein ungemeiner Fortschritt. Sie wird sich zu einem Schlüsselinstrument für das Forschungsfeld entwickeln, dass es ermöglicht, wirtschaftlich, wissenschaftlich sowie ökologisch wichtige, aber hochkomplexe Fragen der Quanten-Vielteilchensysteme mithilfe von aktuellen und zukünftigen Quantencomputern effizient zu berechnen.

Literaturhinweise

Feynman, R.P.
Simulating physics with computers
International Journal of Theoretical Physics 21, 467 (1982)
Cirac, J.I., Zoller, P.
Quantum computation with cold trapped ions
Physical Review Letters 74, 4091 (1995)
Lloyd, S.
Universal quantum simulation
Science 273, 1073 (1996)
Lu, S., Bañuls, M. C.;Cirac, J. I.
Algorithms for quantum simulation at finite energies
PRX Quantum 2, 2 (2021)

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