Weltfunkkonferenz setzt Radioastronomie auf die Agenda

Neue Studien sollen verbesserten Schutz der radioastronomischen Messungen vor Satellitenkonstellationen ermöglichen

Tausende Delegierte aus den Mitgliedsstaaten der Internationalen Fernmeldeunion, der Industrie und wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn haben vier Wochen lang auf der Weltfunkkonferenz in Dubai darüber entschieden, welcher Anwendung welcher Anteil am Radiospektrum zusteht. Dabei ging es auch um den Schutz der Radioastronomie, insbesondere vor der Strahlung neuer Satellitenkonstellationen wie etwa Starlink von SpaceX. Bis zur nächsten Funkkonferenz 2027 sollen nun Studien durchgeführt werden. Ziel sind neue Regelungen und technische Maßnahmen, damit die Radioastronomie auch in Zukunft möglichst ungestört die Geheimnisse des Universums erforschen kann.

„In Anbetracht der Tatsache, dass die Radioastronomie eine zentrale wissenschaftliche Disziplin ist, die eine entscheidende Rolle bei der Entschlüsselung der Geheimnisse des Kosmos spielt“ - mit diesen Worten beginnt eine neue Resolution der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), die am 15. Dezember 2023 auf der Weltfunkkonferenz in Dubai verabschiedet wurde. Die Resolution fordert die Mitgliedsstaaten auf, bis zur nächsten Konferenz im Jahr 2027 technische und regulatorische Lösungen zu erarbeiten, um das von der Radioastronomie genutzte Frequenzspektrum besser zu schützen und bestehende Schutzzonen für Radioobservatorien zu erhalten. Dabei geht es insbesondere um den Schutz vor künstlicher Störstrahlung durch Satellitenkonstellationen aus dem All. Für Benjamin Winkel und Gyula Józsa ist das ein Erfolg. Sie sind am Max-Planck-Institut für Radioastronomie für Fragen des Frequenzschutzes zuständig, vertreten bei der Weltfunkkonferenz aber auch die Interessen der europäischen Expertenkommission für das Spektrum-Management in der Radioastronomie (Craf) und arbeiten eng mit den Kolleginnen und Kollegen des Square Kilometre Array Observatoriums (SKAO) zusammen. „Das ist noch ein gutes Stück Arbeit für die beteiligten Radioastronomen“, sagt Gyula Józsa. „Wir sind aber sehr zuversichtlich, weil wir viele der notwendigen Vorarbeiten bereits gemeinsam mit unseren Kollegen geleistet haben“, ergänzt Benjamin Winkel.

„Radiowellen machen an Ländergrenzen nicht halt“

Weltfunkkonferenzen finden alle 3 bis 4 Jahre statt. Tausende Delegierte der Mitgliedsstaaten, insbesondere der Telekommunikationsbehörden (in Deutschland: Bundesnetzagentur), sowie anderer Interessengruppen aus Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft treffen sich für vier Wochen, um an den sogenannten Radio Regulations zu arbeiten. Das ist ein internationaler Vertrag, der das reibungslose Zusammenspiel aller Funkdienste regeln soll. „Radiowellen machen an Ländergrenzen nicht halt“, sagt Benjamin Winkel. Bevor etwa neue Mobilfunkfrequenze in Betrieb genommen werden, müssen vorher Fachleute prüfen, ob dadurch existierende Anwendungen gestört werden. Die Radioastronomie ist eine solche Anwendung, und eine sehr empfindliche noch dazu. Die Radiosignale, die Astronominnen und Astronomen aus dem Weltraum empfangen, sind in der Regel sehr schwach verglichen mit der vom Menschen verursachten Radiostrahlung. Überlagern sich die Frequenzen beider Strahlungsquellen, könnten astronomische Beobachtungen unbrauchbar werden.  

Das Radiospektrum, also die Gesamtheit aller Radiofrequenzen, die für Funkübertragungen oder Messungen zur Verfügung stehen, ist bereits vollständig in Verwendung. Auch für die Radioastronomie sind bestimmte Frequenzbereiche reserviert, um besonders wichtige Beobachtungsprojekte zu schützen. „Für die moderne Radioastronomie reichen diese Bereiche aber nicht mehr aus“, sagt Gyula Józsa. „Das ist auch der Grund, warum das 100-m Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in einem Tal in der Eifel gebaut wurde und nicht mitten in Bonn. In der Eifel ist es gut abgeschirmt.“ Den neuen Satellitensystemen, wie etwa SpaceX/Starlink, OneWeb oder Amazon/Kuiper, entkommt man so aber nicht. Das Ziel solcher Konstellationen ist ja gerade der flächendeckende Zugang zum Internet und das bedeutet flächendeckende Strahlung, die reguliert werden muss.

Der Schutz internationaler Großobservatorien

Aus europäischer Sicht betrifft dies insbesondere auch die beiden internationalen Großobservatorien, das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (Alma) mit Teleskopen in Chile und das Square Kilometre Array Observatory (SKAO) mit Teleskopen in Südafrika und Australien. Astronomische Institute und Organisationen weltweit investieren Milliarden in diese Observatorien und auch das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Deutschland hat sich etwa am Bau von Empfängersystemen beteiligt. Für Südafrika und Chile haben diese Unternehmungen auch einen entwicklungspolitischen Wert. Sie sind Infrastrukturmaßnahme, Bildungsstätte und Ort der internationalen Zusammenarbeit zugleich. Entwicklungsländer sind erst seit 2006 an der Internationalen Fernmeldeunion beteiligt, die bereits seit den 1860er Jahren besteht. „Der Erfahrungsschatz der Industrieländer aus 156 Jahren sollte im Idealfall die Bedürfnisse der Entwicklungsländer fördern und nicht behindern“, sagt Busang Sethole vom South African Radio Astronomy Observatory.

Dass die Bedürfnisse der Astronomie auf der Weltfunkkonferenz überhaupt behandelt wurden, war nur möglich, weil zwei wichtige regionale Organisationen das Thema im Vorfeld der Konferenz zur Chefsache erklärt hatten: Zum einen die Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen (CEPT). Ihr Ziel ist es, die bestehenden Schutzkriterien für das von der Radioastronomie verwendete Spektrum besser umzusetzen. Auf der anderen Seite möchte die Afrikanische Fernmeldeunion (ATU) das Thema der besonderen Funkschutzzonen auf die internationale Bühne bringen. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen terrestrische Funkanlagen in der Nähe von Observatorien eingeschränkt werden, um bessere Beobachtungsbedingungen zu schaffen. Diese Regelungen gelten jedoch nur in den jeweiligen Ländern selbst und nicht für Satellitensysteme, die internationalen Regeln unterliegen.

BW, NJ, BEU

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