Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion
Katalytische Systeme für die Energiewende – Neue Einblicke in den Katalysator, auf das Phasenverhalten, in die Reaktion und den gesamten Prozess durch operando-Techniken
Max Planck Institute for Chemical Energy Conversion, Mülheim an der Ruhr
In klimaneutralen Gesellschaften der Zukunft definiert die „Decarbonisierung“ der Stromerzeugung Herausforderungen und Chancen für die „Defossilisierung“ chemischer Energieträger und Produkte. Die Nutzung erneuerbarer Energien über Wasserstoff (H2) als molekularen Drehpunkt ermöglicht die Umwandlung von nicht-fossilen Kohlenstoffrohstoffen (CO2, Biomasse, recycelte Kunststoffe) und eröffnet Synthesestrategien für die Herstellung von Kraftstoffen, chemischen Grundstoffen und Feinchemikalien bis zu Pharmazeutika. Katalysatoren sind unerlässlich, um die Aktivierung und Übertragung von H2 zu kontrollieren, und ein systemischer Ansatz für deren Verständnis und Design ist eine zentrale Säule in der Wissenschaft und Technologieentwicklung für die chemische Energieumwandlung. Während Katalysatoren entwickelt werden, um eine bestimmte Aufgabe mit maximaler Aktivität und Selektivität zu erfüllen, gewinnen Stabilität und Skalierbarkeit in Zukunft immer mehr an Bedeutung, wenn es darum geht, der Dynamik alternativer Energieressourcen und Qualitätsschwankungen chemischer Rohstoffe gerecht zu werden.
Zur Entwicklung von chemischen Prozessen der Zukunft ist der integrierte Blick auf alle Dimensionen eines Katalysatorsystems notwendig. Neben dem Verständnis der molekularen Wirkungsweise des Katalysators sind Wechselwirkungen in und mit verschiedenen Phasen (fest, flüssig, oder gasförmig) von großer Bedeutung. In unserer Forschung werden Lösungsmitteleinflüsse und die Einflüsse von Phasengrenzflächen in mehrphasigen Reaktionssystemen als wichtige Kontrollfaktoren angesehen. Die Phasen und deren Interaktion sind in den Reaktoren, in denen die chemische Umwandlung stattfindet, dynamischen Veränderungen unterworfen. Diese Reaktoren und zugehörigen Separationsapparaten sind wiederum in einen Gesamtprozess eingebunden. Alle diese Dimensionen haben Einfluss auf die Katalysatoraktivität und -Stabilität. Aus diesem Grund untersuchen wir in der Arbeitsgruppe „Multiphase Catalysis“ Katalysatoren in kontinuierlich betriebenen Systemen, um die Effekte auf die Erhaltung der Aktivität und die Intensivierung von Reaktionen zu erforschen (Abbildung 1).
In den vergangenen Jahren war die Forschungsgruppe neben Studien zu katalytischen Prozessen im Bereich chemischer Produkte stark in der Erforschung von nachhaltigen Dieselkraftstoffen involviert. Hierbei stehen Anwendungen für Langstreckentransport und Schifffahrt im Fokus, die sich nur schwer oder nicht sinnvoll elektrifizieren lassen. Im Rahmen des Exzellenzclusters „The Fuel Science Center (FSC)“ an der RWTH Aachen University, an dem das MPI CEC als strategischer Partner beteiligt ist, untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die synthetische Herstellung und motorische Verbrennung von erneuerbaren und emissionsarmen Energieträgern. Im EU-Projekt REDIFUEL sollten gemeinsam mit europäischen Partnern solche optimierten Treibstoffe mittels neuartiger Syntheserouten skalierbar hergestellt und schließlich in Motorentests auf ihre Kompatibilität mit etablierten Technologien getestet werden.
Als besonders attraktive Kraftstoffkandidaten, der die DIN Normen erfüllt, wurden Mischungen aus gesättigten Kohlenwasserstoffen und langkettigen Alkoholen identifiziert. Diese haben ein vorteilhaftes Verbrennungsverhalten im Motor, sodass sich Stickstoffoxid- oder Ruß- Emissionen deutlich verringern. Das ist besonders wichtig, wenn kein Katalysator zur Aufreinigung der Abgase vorhanden ist, wie zum Beispiel in der Binnenschifffahrt. Die Aufgabe unseres Teams am MPI CEC war es, für diese Kraftstoffe einen skalierbaren und potenziell CO2-neutralen Syntheseweg zu erarbeiten und dabei den Fokus auf die Herstellung der langkettigen Alkohole zu legen. Dies gelang uns durch die Kombination aus Fischer-Tropsch(FT)-Reaktion und reduktiver Hydroformylierung, wobei wir für beide Prozessschritte eine Mischung aus Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2) einsetzen. Synthesegas lässt sich aus Biomasse oder CO2 über thermo- oder elektrochemische Prozesse gewinnen und ist eine Schlüsselkomponente für eine nicht-fossile Zukunft. Die Entwicklung eines Fischer-Tropsch-Katalysators, der zu olefinreichen Kohlenwasserstoffen führt, war ein Schlüsselpunkt, um die reduktive Hydroformylierung für die Kohlenstoff-Doppelbindungen direkt im Rohprodukt zu entwickeln. Für ein effektives Katalysatorrecycling haben wir ein flüssig-flüssig-zweiphasiges System mit einem Rhodium/TPPTS-Katalysator ausgewählt. Nach Optimierung der Reaktionsbedingungen mit einem Modellsubstrat ließ sich die Umwandlung einer tatsächlichen olefinhaltigen Produktfraktion in die Alkohol/Paraffin-Mischung in einem kontinuierlichen Betrieb etablieren. Umfangreiche Anwendungstests bei den Projektpartnern bestätigten die positiven Eigenschaften im realen Betrieb.
Mit diesen erfolgreichen Ergebnissen in der Hand stellt sich die Frage, ob sich die FT-Synthese direkt mit der reduktiven Hydroformylierung in einem Prozessschritt integrieren lässt. Beide Reaktionen erfolgen mit Katalysatoren auf Basis des Metalls Kobalt, allerdings in unterschiedlicher Form. Wie in Abbildung 2 schematisch dargestellt, wird bei der FT-Synthese auf der Oberfläche eines Feststoffs (Anemone) die Kohlenstoffkette aufgebaut, während die Alkohol-Gruppe durch reduktive Hydroformylierung von molekularen Katalysatoren (Clownfische) in Lösung gebildet wird. In Kooperation mit der Gruppe von Gonzalo Prieto (ICIQ Valencia, Spanien) konntem wir so erstmals die selektive Umwandlung von Synthesegas in höhere Alkohole in einem Prozess beschreiben. Dabei erreichten wir beispiellose Selektivitäten (>50 Gew.-Prozent) für C2+ Alkohole bei sehr hohen CO-Umwandlungsraten (>70 Prozent). Die effiziente Gesamtumwandlung gelingt durch das Katalysator-Engineering, das Lücken in Betriebstemperatur und intrinsischer Selektivität überbrückt, die die Integration dieser Reaktionen in einem einzigen Umwandlungsschritt verhindert haben. Die schnelle Aufnahme von olefinischen FT-Primärprodukten durch den molekularen Katalysator, vermutlich innerhalb der Poren des festen Katalysators, ist entscheidend für die hohe Alkoholselektivität. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für das weiterführende EU-Projekt E-Tandem.
Das Beispiel der Umwandlung von Synthesegas zu Alkoholen durch Tandemintegration von FT-Synthese und Hydroformylierung verdeutlicht, dass die kontrollierte Kooperativität zwischen festen Katalysatormaterialien und löslichen Metallkatalysatoren, die zu den traditionell dichotomen Bereichen der heterogenen und homogenen Katalyse gehören, eine vielversprechende Blaupause für selektive Umwandlungsprozesse an der Schnittstelle von Energie und Chemie ist.