Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen

Rohstoffexportembargos als Sanktionen: eine gute Idee? 

Autoren
Konrad, Kai; Thum, Marcel
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, München

Zusammenfassung
Ölexportembargos entfalten gegenüber autokratisch regierten Ländern mit großen Ölvorräten bei ansonsten funktionierenden Weltrohöl- und Finanzmärkten kaum Sanktionswirkung. Sie schaden den sanktionierten Regierungen, wenn die zukünftige Machtsituation der Autokraten unsicher ist. Zudem ist die Sanktionswirkung größer, wenn es nicht auch gleichzeitig Sanktionen auf den Finanzmärkten gibt: Sanktionen auf den Finanzmärkten und Sanktionen durch Ölembargos behindern einander in ihrer Wirksamkeit.

Der Westen hat mit Sanktionsdrohungen vergeblich eine militärische Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine zu verhindern versucht. Seither möchte die westliche Allianz durch zahlreiche Sanktionspakete auf den Verlauf und den Ausgang des militärischen Konflikts Einfluss nehmen. Sehr unterschiedliche Sanktionen wurden gegenüber Russland verhängt. Zu den relevanten Maßnahmen gehören Erdölembargos und Finanzmarkteingriffe zu Lasten russischen Finanzvermögens im Ausland.

Sanktionen sollen den Verhandlungsdruck auf den Gegner erhöhen

Die Theorie zu Sanktionen in militärischen Konflikten legt nahe: Nach Ausbruch des Konflikts sollten Sanktionen die ökonomischen Kosten des Kriegs für Russland erhöhen, dessen militärische Möglichkeiten schmälern und dabei der sanktionierenden Partei möglichst wenig schaden. Auf diese Weise verändern die Sanktionen die Parameter und Determinanten möglicher Verhandlungen der Kriegsparteien, und zwar zu Gunsten des westlichen Bündnisses. Ferner stehen verschiedene Sanktionen auch in Wechselwirkung miteinander. Die Abteilung für Finanzwissenschaft am MPI für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen und der Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an der TU Dresden haben in der Arbeit „Elusive effects of export embargoes for fossil energy resources“ [1] Russlands Kosten aus einem Öl- und Gasembargo analysiert. Die Sanktionswirkung eines solchen Exportembargos für erschöpfbare natürliche Rohstoffe wie Erdöl hängt stark von der politischen Machtstabilität im sanktionierten Staat ab und ist zudem von den Sanktionen am Finanzmarkt nicht unabhängig. Die gegenüber Russland verhängten Finanzmarktsanktionen und ein Ölexportembargo beeinträchtigen sich gegenseitig in ihren Wirkungen.

Die Logik von Exportembargos bei erschöpfbaren Ressourcen

In einer ansonsten ungestörten markt- und konkurrenzwirtschaftlich organisierten globalen Wirtschaft entfalten Exportembargos für erschöpfbare natürliche Rohstoffe praktisch keinerlei Sanktionswirkung. Das sanktionierte Land erleidet keinerlei Vermögenseinbuße durch ein Rohstoffembargo. Das gilt selbst dann, wenn das Embargo von allen Nachfrageländern strikt eingehalten wird, wenn die Sanktionen also nicht einfach durch Handel mit Drittländern unterlaufen werden. Der marktliche Preispfad für erschöpfbare Ressourcen sorgt – mit und ohne Sanktionen – dafür, dass es für die Besitzer der Rohstoffvorräte nicht von Interesse ist, ob sie diese jetzt oder erst in einigen Jahren fördern und verkaufen. Wer später fördert und verkauft, hat erst später Erlöse.

Dieser Effekt wird jedoch durch entsprechende Preissteigerungen der natürlichen Ressource für die entgangenen Kapitalmarkterträge aus den Verkaufserlösen kompensiert. Ein Land, das durch ein Embargo gezwungen wird, seine Ressourcenförderung für einige Jahre aufzuschieben, erleidet deshalb unter diesen Bedingungen keinen Verlust. Anders als Getreide, das jedes Jahr produziert wird und nicht unbegrenzt lagerfähig ist, oder Chips und Autos, deren Produktionszahlen heute und morgen weitgehend unabhängig voneinander sind, können erschöpfbare Rohstoffe eben nur einmal gefördert und verkauft werden.

Der Trade-off zwischen Exportembargos und Finanzmarktsanktionen

Diese wichtige Aussage verändert sich, wenn die politische Kontrolle über nationale Ölvorräte in den Händen von autokratischen Machthabern liegt, die sich einen Teil der Rohstofferlöse aneignen und deren zukünftige Regierungsmacht ungewiss ist. Arbeiten von Long [2] und Konrad, Olson und Schöb [3] legen nahe, dass ein von Machtverlust bedrohter Herrscher eines Rohstofflands dazu tendiert, seine natürlichen Rohstoffe schneller zu fördern und die Erlöse in den internationalen Finanzmärkten zu investieren. Der allgemeine Preisanstieg für den natürlichen Rohstoff mag den Machthaber für die Finanzmarktrendite aus früherer Förderung und Verkauf kompensieren, aber nicht dafür, dass er in der Zukunft über die Rohstoffvorräte – wegen des drohenden Machtverlustes – gar nicht mehr selbst verfügen kann. Frühe Förderung und eine Finanzmarktanlage der Erlöse sind für ihn die attraktivere Variante. Das gilt allerdings nur, wenn er damit rechnen kann, über diese Finanzanlagen auch nach einem Verlust der Regierungsmacht noch zu verfügen. Insofern fügen Ölexportsanktionen solchen Machthabern einen echten Vermögensverlust zu: Sie müssen mit der exportorientierten Förderung bis zum Ende der Sanktionen warten und auf Machterhalt hoffen.

Hier kommen nun die Finanzmarktsanktionen gegenüber der russischen Regierung und ihren Repräsentanten ins Spiel. Der genannte Nachteil einer späteren Förderung besteht für den sanktionierten Machthaber nur, wenn die Erlöse sicher im Ausland angelegt werden können. Sobald auch diese Vermögensgüter mit Sanktionen belegt sind und dem Herrscher eine Enteignung dieser Assets droht, gleichen sich die beiden Unsicherheiten aus und damit verliert die Ölexportembargopolitik weitgehend ihre Sanktionswirkung.

Fazit: Exportembargos eher weniger geeignet

Die Analyseergebnisse legen spezifische Schlussfolgerungen für die Frage von Ölexportsanktionen nahe. In einem Umfeld, in dem der intertemporale Markt für Erdöl ansonsten voll funktionsfähig bleibt, ist die Sanktionswirkung eines Ölembargos fragwürdig. Eine Sanktionswirkung entsteht nur, wenn die Machthaber im sanktionierten Land ein gegenüber anderen Marktteilnehmern erhöhtes Interesse an einer schnelleren Extraktion haben. Ein solches kann angesichts der Machtunsicherheiten in Russland vielleicht unterstellt werden. Das erhöhte Interesse entsteht aber nur dann, wenn die Machthaber die Erlöse aus dem Öl auf den internationalen Finanzmärkten sicherer parken können, und nicht dadurch, dass sie die Ölförderung einfach vertagen. Genau hier entsteht jedoch eine Wechselwirkung zwischen der Embargosanktion und den Finanzmarktsanktionen: Die für sich genommen möglicherweise sinnvollen Sanktionen im Finanzmarkt schwächen die Wirkung eines Exportembargos.

Literaturhinweise

Konrad, K. A.; Thum, M.
Elusive effects of export embargoes for fossil energy resources
Energy Economics 117 (2023)
Long, N. V.
Resource extraction under the uncertainty about possible nationalization
Journal of Economic Theory 10(1), 42-53 (1975)
Konrad, K. A.; Olsen, T. E.; Schöb, R.
Resource extraction and the threat of possible expropriation: The role of Swiss bank accounts
Journal of Environmental Economics and Management 26(2), 149-162 (1994)

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht