Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für medizinische Forschung

Ultraschallbilder für Zellen, Antibläschen und die medizinische Forschung

Autoren
Fischer, Peer
Abteilungen

Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, Heidelberg

Zusammenfassung
Mit Licht kann man Bilder projizieren. Eine Erfindung unserer Arbeitsgruppe erlaubt es jetzt auch, „Schallbilder“ zu projizieren, was neue Perspektiven in der biomedizinischen Forschung eröffnet. Ein Hologramm formt dabei eine Ultraschallwelle und deren räumliche Intensitätsverteilung. Da eine Welle auch Kräfte überträgt, lassen sich mithilfe der Schallbilder Zellen neu anordnen. Wir möchten dies für den Biodruck von Zellstrukturen und Organoiden und für neue Anwendungen in der Biomedizin nutzen.

Druckbilder mit Ultraschall

Eine Ultraschall-Untersuchung, auch bekannt als Sonografie, ist ein wichtiges Verfahren der medizinischen Bildgebung und Diagnostik. Vorteilhaft ist, dass Schallwellen tief in den Körper eindringen können und weitgehend nebenwirkungsfrei sind. Ultraschall findet auch in der Chirurgie Anwendung, wobei soviel Energie in den Körper gebracht wird, dass Tumore oder sogar Gallen- und Nierensteine zerstört werden können. Neue Erkenntnisse zeigen, dass Ultraschall auch Zellen direkt beeinflussen kann; insbesondere Nervenzellen können potentiell aktiviert werden.

Uns interessiert die biophysikalische Grundlage dieser Wechselwirkung. Diese Frage ist bislang nicht geklärt. Ein Nachteil ist, dass sich Ultraschallwellen nur schwer formen lassen. Schallwellen werden typischerweise von einem Wandler als Schwingungen einfach als ebene Welle in ein Medium übertragen, oder mit einer akustischen Linse zu einem Fokus gebracht. Dies kann in einer Petrischale mit Nährlösung und biologischen Zellen sein, oder auch im Schädel eines Menschen. Im Gegensatz zum Licht war es bislang nicht möglich, frei gewählte Muster und komplexe Bilder aus Schall zu projizieren. Letztere würden es zum Beispiel ermöglichen, Gewebestrukturen mit einer räumlich genau definierten Intensität zu beschallen. Eine solche Kontrolle ist zum Beispiel erforderlich, um die Wechselwirkung von Zellen mit Ultraschall zu erforschen. Da eine Ultraschallwelle auch Kräfte übertragen kann, würde ein dreidimensionales Druckbild es auch ermöglichen, Kräfte räumlich präzise auszuüben. Somit könnten direkt und scheinbar berührungslos Zellen manipuliert und sogar im Raum angeordnet werden. Letzteres verspricht eine schonende und schnelle Methode, um Zellstrukturen direkt in einem flüssigen Medium anzuordnen, was wir nun erstmals zeigen konnten [1].

Ein Volumenhologramm und eine neue Form des Biodrucks  

Um ein Druckbild zu generieren, muss man bestimmen, wie die einfallenden Wellen geformt sein sollen. Das heißt, die Phasenverteilung der gesamten Ultraschallwelle, als Summierung vieler Einzelwellen aus verschiedenen Richtungen, muss so verändert werden, dass die Überlagerung (Interferenz) aller Wellen am Zielort das gewünschte räumliche Ultraschallintensitätsprofil ergibt. Hierzu haben wir effiziente Optimierungsmethoden untersucht, die die Form der Ultraschallwellen ermitteln.

Um die Ultraschallwelle zu formen, nutzen wir Hologramme. Wir konnten zeigen, dass das Hologramm, welches von Denis Gabor erfunden und wofür er 1971 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde, sich auch in der Akustik einsetzen lässt. Es kann nämlich die Wellenform von Ultraschallwellen mit hoher räumlicher Auflösung verändern [2]. Dabei nutzen wir eine dünne, geformte Phasenplatte aus Kunststoff. Da die Schallgeschwindigkeit im Kunststoff höher ist als im Wasser, lässt sich die Phase einstellen, indem man die Dicke der Platte mittels 3D Druck örtlich variiert. Das Relief der Kunststoffplatte sorgt dafür, dass eine durchlaufende Ultraschallwelle ein entsprechendes Phasenprofil erhält. Die Überlagerung mehrerer Wellen führt dann zur Interferenz und dem gewünschten Intensitätsprofil.

In unserer Arbeit haben wir drei Ultraschallwellen, die aus drei verschiedenen Raumrichtungen kommen und jeweils ein eigenes Hologramm durchlaufen, so geformt, dass sich im Zentrum der Überlagerung ein Interferenzmuster in der Form einer zentimetergroßen Helix bilden kann. Wenn wir eine Zellsuspension darin platzieren, werden die Zellen durch die akustischen Kräfte gefangen und als Helix angeordnet. Dieses Verfahren ist eine neue Methode des 3D-Biodrucks – schonend und sehr schnell, da ein ganzes Objekt sozusagen „in einem Schuss“, aus den Einzelkomponenten geformt werden kann.

Die mit dem Hologramm so generierten Schallbilder sind um Größenordnungen komplexer als diejenigen, die man bislang kannte. Wir untersuchen derzeit, wie sich diese vielversprechende akustische Methode verwenden lässt, um komplexere Zellstrukturen und Organoide berührungslos und schnell anzuordnen. Wir erwarten, dass weitere medizinische Anwendungen und insbesondere die Ultraschalltherapie im Gehirn von der kontrollierten Projektion dreidimensionaler Schallintensitäten profitieren können.

Wechselwirkung mit Antibläschen

Akustische Hologramme ermöglichen die präzise Formung gewünschter Ultraschallfelder. Eine weitere Herausforderung in dem Gebiet ist, dass die Wechselwirkung mit Gewebe im Allgemeinen schwach ist. Biomedizinische Anwendungen erfordern deshalb oft relativ hohe Druckintensitäten. Um mit Ultraschall im Gehirn lokal die Bluthirnschranke zu öffnen, werden zusätzlich Mikrobläschen verwendet, die in die Blutbahn injiziert werden. Diese zeigen eine starke Wechselwirkung mit Ultraschall und dienen deswegen als Kontrastmittel. Bei höheren Intensitäten kommt es zu Kräften durch die oszillierenden Mikrobläschen, was wiederum kurzeitig die Bluthirnschranke öffnen kann. Ein Nachteil ist, neben den hohen Intensitäten, auch, dass Mikrobläschen nicht sonderlich stabil sind und dass sie nicht leicht mit Wirkstoffen beladen werden können.

Aus diesem Grund haben wir uns mit einer faszinierenden Alternative zu Mikrobläschen beschäftigt: den ‚Antibläschen‘. Hierbei handelt es sich um mikrometergroße Flüssigkeitstropfen, welche von einem kleinen Luftpolster umgeben und eingekapselt sind. Die Wasser/Luft/Wasser-Grenzflächen werden dabei mit pyrogenem Siliciumdioxid stabilisiert. Diese Antibläschen können aufgrund des inneren Flüssigkeitstropfens leicht beladen werden. Sie sind sehr viel stabiler als Mikrobläschen und können dennoch bei sehr viel niedrigeren Ultraschallintensitäten ihre Ladung freigeben [3]. Im nächsten Schritt werden wir untersuchen, ob sich die Freisetzung mit einem durch ein Hologramm geformtes räumliches Druckfeld realisieren lässt, um dann zusammen mit der akustischen Holografie, eine mögliche Anwendung der Antibläschen im Gehirn zu untersuchen.

Mit Ultraschallbildern in die Zukunft blicken

Akustische Hologramme erlauben es, wohldefinierte Ultraschallintensitäten auch in 3D hochaufgelöst zu projizieren. Wir möchten dies sowohl für den kontrollierten Biodruck von Zellstrukturen und Organoiden nutzen, als auch für neue transkranielle Anwendungen in der Biomedizin unter Verwendung von Antibläschen bei niederen Druckintensitäten. Die spannende Frage wie Schallwellen und Zellen wechselwirken, fasziniert uns und wir erforschen die biophysikalischen Grundlagen mit unseren experimentellen Methoden, die es erlauben räumlich hochpräzise Ultraschallfelder zu generieren.

Literaturhinweise

Melde, K.; Kremer, H.; Shi, M.; Seneca, S.; Frey, C.; Platzman, I.; Degel, C.; Schmitt, D.; Bernhard Schölkopf, B.;  Fischer, P.
Compact holographic sound fields enable rapid one-step assembly of matter in 3D
Science Advances 9, 5620–eadf6182 (2023)
Melde, K.; Mark, A. G.; Qiu, T.;  Fischer, P.
Holograms for acoustics
Nature 537, 518–522 (2016)
Moreno-Gomez, N.; Athanassiadis, A. G.;  Poortinga, A. T.;  Fischer, P.
Antibubbles Enable Tunable Payload Release with Low-Intensity Ultrasound
Advanced Materials 35, 2305296 (2023)

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