Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Spannende Perspektiven im Ultraviolett – Klick für Klick
Exciting perspectives in the ultraviolet - click by click
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Die Ultraviolett-Spektroskopie bietet einzigartige Einblicke in die Struktur der Materie. Die Anwendungen reichen von grundlegenden Untersuchungen der Photochemie in der Erdatmosphäre bis hin zu astronomischen Beobachtungen mit Weltraumteleskopen. Allerdings sind die spektroskopischen Instrumente im UV-Bereich des elektromagnetischen Spektrums noch nicht so ausgereift wie im Sichtbaren oder Infraroten. Das liegt vor allem an den besonderen technischen Herausforderungen. So gibt es beispielsweise keine geeigneten Laserquellen, die direkt im ultravioletten Bereich emittieren. Infrarotes oder sichtbares Licht muss erst mithilfe nichtlinearer Effekte in Festkörpern oder Gasen umgewandelt werden. Und dieser Prozess ist oft sehr ineffizient.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik haben nun einen neuen Ansatz für die ultraviolette Spektroskopie entwickelt, der spannende Perspektiven eröffnet. Ihr Spektrometer verwendet zwei Frequenzkämme, die Tausende von scharfen Spektrallinien aussenden, die genau gleichmäßig in der Frequenz verteilt sind.
Solche Laser-Frequenzkämme kommen heute bereits häufig zum Einsatz, etwa um die Schwingungen einer Laserwelle zu zählen, oder dienen als Uhrwerke in optischen Atomuhren. Für die Entwicklung der Frequenzkammtechnik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik wurde Theodor Hänsch mit dem Physik-Nobelpreis 2005 ausgezeichnet. Im Laufe von mehr als fünfzehn Jahren hat die Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik Pionierarbeit geleistet und eine Anwendung von Frequenzkämmen weit über ihren ursprünglichen Zweck hinaus perfektioniert.
Bei der Technik der sogenannten Doppelkamm-Spektroskopie sondieren alle Kammlinien eines Lasers eine Probe gleichzeitig über einen breiten Spektralbereich; zugleich interferieren die Kammlinien eines zweiten Lasers mit leicht verschiedenem Frequenz-Abstand auf einem schnellen Photodetektor. Paare von Kammlinien der beiden Laser erzeugen dabei hochfrequente Schwebungsnoten im Detektorsignal.
Diese Hochfrequenzsignale lassen sich digitalisieren und von einem Computer verarbeiten. Optische Schwingungsmuster erscheinen - in Zeitlupe gestreckt - im Hochfrequenzsignal des Detektors. Zu den einzigartigen Vorteilen dieses leistungsstarken spektroskopischen Werkzeugs gehören die praktisch unbegrenzte spektrale Auflösung, die mögliche Kalibrierung mit einer Atomuhr und die äußerst konsistente Erfassung komplexer Spektren, ohne dass eine Abtastung oder mechanisch bewegte Teile erforderlich sind.
Im Infrarotbereich stößt die Doppelkamm-Spektroskopie derzeit auf enormes Interesse. Im ultravioletten Bereich dagegen gilt es noch einige technischen Herausforderungen zu überwinden: So weisen die UV-Lichtquellen beispielsweise eine geringe Leistung, zugleich aber ein starkes Rauschen auf.
Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik einen innovativen Ansatz eingeführt, der auf der Photonenzählung basiert. So konnten sie Signale auch bei extrem niedrigen Lichtintensitäten aufzeichnen, bei denen die Leistungspegel mehr als eine Million Mal schwächer sind als im Infraroten oder Sichtbaren üblich.
Die Interferenzsignale lassen sich in der Statistik der Signale des Photonenzählers beobachten, selbst wenn die Leistung so gering ist, dass im Durchschnitt weniger als ein Photonensignal über die Zeit von 20 Laserpulsen registriert wird. Unter diesen Umständen ist es allerdings äußerst unwahrscheinlich, dass sich zwei Photonen, eines von jedem Laser, gleichzeitig im Detektionspfad befinden und interferieren können. Das Experiment lässt sich nicht intuitiv erklären, wenn man annimmt, dass ein Photon schon vor der Detektion existiert. Es illustriert damit eine Merkwürdigkeit der Quantenphysik.
Bei den ersten Experimenten, die an Dampf aus Alkaliatomen durchgeführt wurden, liegt die Leistung pro Kammlinie bei nur einem Femtowatt. Das Signal-Rausch-Verhältnis erreicht die durch das Quantenrauschen auferlegte Grenze: Das zeigt also, dass eine optimale Nutzung des für die Experimente verfügbaren Lichts erreicht wird.
Die Arbeit am Max-Planck-Institut für Quantenoptik eröffnet neue Möglichkeiten, da die Messung von spektroskopischen Signaturen bei extrem niedrigen Lichtstärken in vielen Bereichen der Wissenschaft und Technologie von entscheidender Bedeutung geworden ist. Dies reicht von der Präzisionsspektroskopie, bei der wenige Atome oder Moleküle unter kontrollierten Bedingungen beobachtet werden, über die Spektroskopie lichtempfindlicher, stark streuender biomedizinischer Gewebe bis hin zur Sondierung der Atmosphäre über große Entfernungen. Das jetzt demonstrierte Photonen zählende Doppelkamm-Spektrometer eröffnet aufregende Perspektiven für präzise breitbandige Molekülspektroskopie bei noch kürzeren Wellenlängen im Vakuum-Ultraviolett (VUV) und im extremen Ultraviolett (EUV). Damit rücken hoch angeregte Zustände in Molekülen und spannende dynamische Prozesse ins Visier der zukünftigen Erforschung der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie.