Von Feinstaub zum Riesenplaneten
In jungen Planetensystemen entstehen Gasriesen schneller als angenommen
Ringförmige Störungen in Scheiben aus Gas und Staub, die um noch junge Sterne kreisen, können den Anstoß geben, dass sich gleich mehrere Gasriesen bilden. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Exzellenzclusters Origins, der Ludwig-Maximilians-Universität und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung. Das Team hat ein Modell entwickelt, das erstmals alle notwendigen physikalischen Prozesse, die bei der Planetenentstehung eine Rolle spielen, vereint. Demnach können Riesenplaneten effizienter und schneller entstehen als bisher angenommen. Diese Ergebnisse stimmen mit jüngsten Beobachtungen überein.
Unser Sonnensystem ist unsere unmittelbare kosmische Nachbarschaft. Wir kennen es gut: Die Sonne im Zentrum, dann die Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars, dann der Asteroidengürtel gefolgt von den Gasriesen Jupiter und Saturn, den Eisriesen Uranus und Neptun, und schließlich der Kuipergürtel mit seinen Kometen. Doch wie gut kennen wir unsere Heimat wirklich? Bisherige Theorien gehen davon aus, dass Riesenplaneten durch Kollisionen und Ansammlungen asteroidenartiger Himmelskörper, so genannter Planetesimale, und anschließender Aufnahme von Gas im Laufe von Jahrmillionen entstehen. Diese Modelle erklären jedoch weder die Existenz von Gasriesen, die weit von ihren Sternen entfernt sind, noch die Entstehung von Uranus und Neptun.
Vom Staubkorn zum Riesenplaneten
In ihrem neuen Modell berücksichtigen die Astrophysikerinnen und Astrophysiker des Origins-Clusters, der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen erstmals alle Prozesse, die für die Planetenentstehung maßgeblich sind. „Dies ist das erste Mal, dass eine Simulation das Wachstum von Feinstaub bis hin zu Riesenplaneten verfolgt“, sagt Tommy Chi Ho Lau, Erstautor der Studie und Doktorand in München. Dazwischen berücksichtigt das Modell alle bisher geläufigen, aber oft getrennt voneinander betrachteten Vorgänge wie etwa sich bewegender und zusammenklumpender Staub, neu geborene Planeten, die durch die Schwerkraft aufeinander wirken, Planetenanwärter, die zum Stern und hin von ihm weg wandern, Gas, das sich auf ihnen ansammelt oder die sogenannte Pebble-Akkretion, ein Vorgang, bei dem kleinste Gesteinskörper vom äußeren Rand der Scheibe nach innen Wandern und junge Planeten sehr schnell wachsen lassen.
Mit ihrem neuen Modell zeigen die Forschenden, wie sich millimetergroße Staubteilchen aerodynamisch in der turbulenten Gasscheibe anhäufen, und wie diese anfängliche Störung in der Scheibe Staub einfängt und daran hindert, in Richtung des Sterns zu verschwinden. Diese Anhäufung macht das Wachstum von Planeten sehr effizient, da plötzlich viel „Baumaterial“ auf kleinem Raum zur Verfügung steht und die richtigen Bedingungen für Planetenentstehungen gegeben sind. „Wenn ein Planet groß genug ist, um selbst die Gasscheibe zu beeinflussen, führt dies zu einer erneuten Staubanreicherung weiter außen in der Scheibe. Dabei treibt der Planet den Staub, ähnlich wie ein Hirtenhund seine Herde, in den Bereich außerhalb seiner eigenen Umlaufbahn“, erklärt Til Birnstiel vom Origins-Cluster. Der Prozess beginnt von neuem, von innen nach außen und ein weiterer Riesenplanet kann entstehen.
Vielfalt von Gasriesen in unserem und anderen Sternensystemen
In unserem Sonnensystem sind die Gasriesen in einer Entfernung von etwa fünf Astronomischen Einheiten (im Fall des Jupiters) bis zu einer Entfernung von etwa 30 Astronomischen Einheiten (Neptun) von der Sonne angeordnet. Unsere Erde ist genau eine solche Einheit von der Sonne entfernt. „In anderen Planetensystemen könnte eine Störung in der protoplanetaren Scheibe den Prozess der Planetenentstehung in deutlich größerer Entfernung anstoßen“, so Joanna Drążkowska vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
Solche Systeme wurden in den vergangenen Jahren häufig mit dem Radioobservatorium Alma beobachtet, das Gasriesen in jungen Scheiben in Entfernungen von mehr als 200 Astronomischen Einheiten gefunden hat. Zudem erklärt das Modell, warum unser Sonnensystem mit Neptun scheinbar aufgehört hat, weitere Planeten zu bilden: Das Baumaterial war nach der Bildung des Neptuns aufgebraucht.
Die Ergebnisse der Studie stimmen mit aktuellen Beobachtungen von jungen Sternsystemen überein, die ausgeprägte Substrukturen in ihren Scheiben aufweisen. Diese Substrukturen spielen eine entscheidende Rolle bei der Planetenbildung. Die Studie deutet darauf hin, dass die Bildung von Riesenplaneten und Gasriesen effizienter und schneller abläuft als bisher angenommen. Diese neuen Erkenntnisse könnten unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung der Riesenplaneten unseres Sonnensystems verfeinern und die Vielfalt der beobachteten Planetensysteme erklären.