„Ich bin fassungslos, wie unglaublich die Wissenschaftsfeindlichkeit zugenommen hat.“

14. März 2025

Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, hat selbst einige Jahre in den USA geforscht. Er gibt seine Einschätzung wieder, was die Maßnahmen der Trump-Regierung für seine US-Kolleginnen und -Kollegen, die nationale und internationale Klimaforschung, die Arbeit des Weltklimarates und den Klimaschutz bedeuten.

Herr Professor Marotzke, was berichten Ihnen Kolleginnen und Kollegen aus den USA über die Situation der Klimaforschung dort, seit die Trump-Regierung am Ruder ist?

Ich habe unterschiedliche Rückmeldungen dazu: Auf der einen Seite scheint die NASA, die auch viel Klimaforschung betreibt, bislang verschont geblieben zu sein. Vermutlich liegt das daran, dass die NASA auch viel mit Hochtechnologie und Raumfahrt zu tun hat und das Trump-Regime nicht mit dem Florett vorgeht, sondern mit dem Holzhammer. Da gehen solche Feinheiten, dass die NASA auch Klimaforschung macht, vielleicht unter. Auf der anderen Seite habe ich mit einem Kollegen gesprochen, der seit 30 Jahren im Geophysical Fluid Dynamics Labor bei der nationalen Wetter- und Ozeanografie-Behörde NOAA forscht, wo der Nobelpreisträger Manabe arbeitete und das erste globale Klimamodell entwickelt wurde. NOAA ist seit langer Zeit ein Erzfeind der Republikaner, weil sie ziemlich explizit für Klimaforschung steht. Ich habe den Kollegen auf ein Symposium zu unserem 50-jährigen Jubiläum im September hingewiesen. Darauf hat er geantwortet, dass er nicht wisse, ob er dann noch dort arbeitet. Er klang abgrundtief frustriert und deprimiert. Jetzt hat der Kollege mich gebeten, seine private Mailadresse für unsere Kommunikation zu verwenden, seine Regierungsadresse sei nicht mehr sicher. Nach dem Motto: Wer weiß, wer mir da hinterherspioniert. Sowas kenne ich bislang nur vom Austausch mit einem russischen Kollegen. Aber dass man jetzt bei den USA, der ältesten Demokratie der Welt, überlegen muss: Ist das gut, wenn ich ihm das jetzt auf seine Dienst-Mail schreibe. Das ist sehr erschreckend und beängstigend. In den 1990er-Jahren war die republikanische Partei noch sehr wissenschaftsaffin. Jetzt stehe ich ziemlich fassungslos davor, wie unglaublich die Negierung von Wissen, die Wissenschaftsfeindlichkeit und Zensur zugenommen haben.

Laut Medienberichten sind trotz gerichtlicher Intervention bislang etwa 1300 Angestellte von NOAA entlassen worden, das sind etwa 10 Prozent der Belegschaft. Was bedeutet das für die Hurrikanwarnungen, die auch von NOAA kommen?

Das ist noch nicht klar. Aber was mich schon entsetzt hat: Ein Hurrikan ist etwas so unmittelbar Bedrohliches, dass es dabei eigentlich nicht um Ideologie gehen sollte. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Roger Pielke, der über die Rolle von Klimaforschung in der Politik geschrieben hat, unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Tornadopolitik und Abtreibungspolitik: Tornadopolitik ist unideologisch. Da kommt es nur auf das Wissen an, über das sich ja alle einig sind. Bei Abtreibung kommt es auf das Wissen dagegen überhaupt nicht an, da geht es nur um Werte. Aber selbst das nationale Hurrikan-Zentrum kann sich nicht aus dem Kulturkampf heraushalten. Das Trump-Lager hat letztes Jahr im Wahlkampf behauptet, die Demokraten hätten einen Hurrikan erzeugt und auf republikanisch regierte Bundesstaaten umgelenkt. Und Trump hat auch schon mal die Vorhersage für die Zugbahn eines Hurrikans geändert. Das ist so, als würde Frau Weidel sagen, die Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes stimmt nicht und in Wirklichkeit wird der Sturm dahinziehen. Das ist völlig irre. Eigentlich sollte man denken, dass man bei so etwas wie Hurrikanwarnungen möglichst präzise Vorhersagen haben möchte und alles andere dahinter zurücktritt. Aber es reicht nicht einmal dafür, dass der Überlebensinstinkt gegen die Ideologie ankommt. Aber dass das Trump-Regime nicht groß überlegt, hat man ja auch an dem Schwachsinn gesehen, als sie die Aufseher über Nuklearwaffen rausgeschmissen haben. Und als sie dann feststellten, oh, die brauchen wir ja, funktionierten deren Emailadressen nicht mehr.

Inwiefern schwächen die Angriffe der Trump-Administration die globale Klimaforschung?

Da fällt mir als erstes das Messprogramm Argo ein, das für die Klimaforschung sehr wichtig ist. Es wurde von zwei US-Wissenschaftlern initiiert und zu mehr als 50 Prozent von den USA finanziert – durch NOAA. Es geht um 4200 Bojen, die durch die Ozeane driften und den Wärmeinhalt des Meeres messen. Mit der Temperatur an der Erdoberfläche, den Niederschlagsmengen und dem Meeresspiegel ist das eine der wichtigsten Größen im Klimasystem, weil über 90 Prozent der Energie, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt im Erdsystem zurückgehalten wird, in die Ozeane geht. Wenn es NOAA jetzt an den Kragen geht, ist Argo in höchster Gefahr, weil die Bojen alle fünf Jahre ausgetauscht und jedes Jahr etwa 400 neue ausgesetzt werden müssen. Man kann sich aus rein ökonomischen Gründen durchaus fragen, warum die USA über 50 Prozent übernehmen müssen. Aber das ist ein Beispiel dafür, wie entschlossen die USA lange auch in der Klimaforschung die Führungsrolle übernommen haben und wie bewundernswert viel da investiert wurde. Das ist natürlich auch der Grund, warum so viele von uns aus der Klimaforschung in die USA gepilgert sind, um dort Forschung zu machen.

Würde das Ende von Argo auch Ihre eigene Forschung an der atlantischen Umwälzzirkulation AMOC betreffen?

Nein, mit den Argodaten kann man die AMOC nicht vermessen, weil man dafür Messungen an unveränderlichen Orten und eine hohe vertikale Auflösung benötigt. Argo misst den Wärmeinhalt, nicht die Zirkulation. Wir haben an unserem Institut auch kein Projekt, in dem wir direkt mit den Argodaten arbeiten. Überhaupt haben wir bei uns kein Projekt, in dem wir auf Daten aus den USA angewiesen sind. Aber indirekt betrifft uns das schon, wenn Messkampagnen wie Argo nicht mehr aufrecht erhalten werden. Denn wie jemand es so schön ausgedrückt hat: Grundlagenforschung ist ein Netz. Und wenn der US-Beitrag zu Argo wegfallen würde, dann würde dieses Netz ein großes Loch bekommen. Das wäre aber ein schleichender Prozess bei Argo, man würde das nicht sofort merken, wenn die Bojen nicht mehr ersetzt würden. Und irgendwann merkt es die Klimaforschung insgesamt, wenn nicht gegengesteuert wird. Wenn die USA wegfallen, dann müssten alle anderen Länder zusammenrücken und mehr investieren.

Treffen die Einschnitte auch die privaten Universitäten und Forschungseinrichtungen?

Nicht nur Regierungseinrichtungen wie NOAA hängen an Bundesmitteln. Als ich Professor am MIT war, auch eine private Universität, gab es eine gewisse Grundfinanzierung, aber das Geld für konkrete Forschungsprojekte kam bei mir größtenteils von der National Science Foundation NSF. Die NSF funktioniert so wie die DFG, sehr kompetitiv, aber relativ unbürokratisch – eine tolle Organisation. Man hört, die NSF soll um die Hälfte gekürzt werden. Das wäre übel.

Was bedeuten die Eingriffe für die Arbeit des Weltklimarats IPCC?

Was da passiert, ist für den 7. Sachstandsbericht des IPCC, der gerade entsteht, ein Desaster: Katherine Calvin, Chef-Wissenschaftlerin der NASA, ist Leiterin der Arbeitsgruppe 3, da geht es um die Minderung des Klimawandels. Ihr ist das Reisen untersagt worden. Und dann kann sie diese Arbeit nicht machen. Andere Autorinnen und Autoren dürfen zwar noch reisen, brauchen dafür aber Bundesmittel. Wenn die jetzt gestrichen werden, bedeutet das vermutlich, dass viele US-Kolleginnen und Kollegen nicht zum IPCC-Bericht beitragen können. Mindestens genauso schlimm ist, dass die Regierung die Förderung für die Technical Support Unit zurückgezogen hat. Da geht es um rund drei Millionen US-Dollar. Und diese technische Unterstützung ist das Herz von jedem Bericht, ohne die geht gar nichts. Das heißt, wie Arbeitsgruppe 3 ihren Bericht erstellen will, ist zurzeit völlig ungeklärt. Und das zeigt auch: Die Trump-Regierung hält sich an gar nichts mehr. Selbst die erste Trump-Regierung hat sich zumindest noch ein stückweit daran gehalten, dass bestehende Verträge einzuhalten sind. Ich glaube, man muss ziemlich weit in der Geschichte zurückblicken, um eine Regierung eines westlichen Landes zu finden, die sich an nichts mehr gebunden fühlt. Musk und seine Schergen gehen ja auch mit der Attitüde eines Mafia-Rollkommandos vor und fragen nicht, ob sie das eigentlich dürfen, was sie tun.

In den USA steht es nicht nur um die Klimaforschung schlecht, sondern auch um den Klimaschutz. Das gilt aber auch für Deutschland und Europa. Wie bewerten Sie die Lage da?

Ich erinnere mich an eine Aussage von Ottmar Edenhofer, dem Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, als Trump zum ersten Mal gewählt wurde. Er sagte, vier Jahre Trump hält der internationale Klimaschutz aus. Aber wenn er wiedergewählt wird, dann sieht er eher schwarz, weil Trump über acht Jahre viel nachhaltiges Unheil anrichten kann. Und das gilt jetzt wahrscheinlich auch, obwohl vier Jahre zwischen den beiden Amtszeiten lagen. Und die Zeichen standen vorher schon nicht gut, das haben wir auch in Deutschland gesehen, aber nicht nur in Deutschland. Zum Beispiel gab es 2024 eine große Bewegung auf den Finanzmärkten, dass wieder mehr in fossile Rohstoffe investiert wird. Vorher hatten wir ein Divestment beobachtet, das heißt, es wurde weniger in fossile, sondern eher in erneuerbare Energieträger investiert. Das hat sich umgedreht. Natürlich werden auch die Erneuerbaren ausgebaut, aber das allein reicht nicht. Die Fossilen müssen auch zurückgedrängt werden. Ich bin sicher, wenn die USA nicht aus Fossilen rausgehen, wird das auch den Rest der Welt irgendwie beeinflussen. Das ist zwar ein Stück weit Kaffeesatzleserei, aber ich denke, die, die aus den Fossilen raus wollen, werden das auch weiterhin tun. Vielleicht mit einer gewissen Haltung, jetzt erst recht. Aber die, die vorher schon zweifelten, fühlen sich wahrscheinlich durch Trump bestätigt. Die sagen, warum sollen wir uns anstrengen und Nachteile in Kauf nehmen, das können wir uns gar nicht leisten. Vielleicht sagen sie sogar, das war doch eh alles Quatsch mit dem Klimaschutz. Es gibt ja viel versteckte oder sogar offene Bewunderung für Trump. Und wir sehen zum Beispiel auch klare Tendenzen, den European Green Deal zu entkernen. Meine pessimistische Einschätzung ist, dass das Anti-Trittbrettfahrerargument ,Die Amerikaner tun's nicht, also sollten wir es auch nicht tun‘ sich durchsetzen wird.

Welche Rolle können andere Länder wie etwa China beim globalen Klimaschutz spielen?

Es könnte durchaus sein, dass China beim Klimaschutz die Vorreiterrolle übernimmt. Nicht weil es der chinesischen Regierung um den Klimaschutz geht, sondern weil es ihr überragendes strategisches Ziel ist, eine globale  Führungsrolle einzunehmen. Und dafür mag dann auch der Klimaschutz ein opportunes Mittel sein. Aber man muss sich ernsthaft fragen, wie es einem gefällt, sich da in die Arme Chinas zu begeben. Das ist ein klassisches soziales Dilemma.

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