Rechnen mit Quantenkniff
Mit einem Quantengatter entwickeln Max-Planck-Physiker ein essentielles Logikelement für einen Quantencomputer
Mit Quanteninformation ist künftig zu rechnen. Physiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching haben ein neuartiges Quantengatter, ein elementares Bauelement eines Quantencomputers, entwickelt. Ein solcher Rechner könnte manche Aufgaben in Zukunft wesentlich schneller bewältigen als klassische Computer. Als zentrales Element ihres Quantengatters verwenden die Max-Planck-Physiker ein Atom, das zwischen zwei Spiegeln eines Resonators gefangen ist. Damit schalten sie den Zustand eines Photons, das am Resonator mit dem Atom reflektiert wird. Darüber hinaus kann diese Rechenoperation das Atom mit dem Photon verschränken. Im verschränkten Zustand hängen die Eigenschaften verschiedener Quantenteilchen voneinander ab. Verschränkung erlaubt völlig neue Konzepte in der Informationsverarbeitung. Das Quantengatter, das die Garchinger Physiker nun vorstellen, ermöglicht es zudem, Quantennetzwerke zu konstruieren. In solchen Netzen könnte Information zwischen mehreren Quantenrechnern in Form von Photonen übertragen werden.
Die digitale Revolution dürfte in der Informationstechnologie nicht das Ende der Geschichte markieren. Denn ein Forscherteam um Gerhard Rempe, die am Max-Planck-Institut für Quantenoptik forschen, sowie zahlreiche weitere Wissenschaftler weltweit zetteln schon den nächsten Umbruch an. Der könnte nicht zuletzt deshalb kommen, weil Physiker mit einzelnen Atomen, Photonen und anderen Quantenteilchen geschickter hantieren als Franck Ribéry mit einem Fußball.
Mit ihren Experimenten loten die Forscher die Möglichkeiten aus, Daten in Form von Quantenbits, kurz Qubits, zu verarbeiten. Während klassische Bits nur als „0“ oder „1“ existieren, können sich die beiden Einstellungen in Qubits überlagern. Vor allem wenn mehrere Qubits zu einer Einheit zusammengefasst werden – Physiker sprechen davon, dass sie verschränkt werden – werden parallele Rechnungen möglich, die mit klassischen Computern undenkbar sind. „Wir stellen mit einem universellen Quantengatter nun ein essentielles Bauelement eines Quantencomputers“ sagt Stephan Ritter, Leiter des Experiments.
Ein Quantengatter aus einem Atom und einem Photon ermöglicht Quantennetzwerke
Ein CNOT-Gatter verknüpft ein Kontrollbit und ein Zielbit miteinander: Abhängig vom Zustand des Kontrollbits verändert es den Zustand des Zielbits oder nicht. Mit diesem Logikelement und wenigen anderen, einfachen Operationen lassen sich alle logischen Verknüpfungen umsetzen, die für Quantenrechnungen nötig sind. Für einen Quantencomputer braucht es viele solcher Logikelemente. Mit ihnen könnte der Quantenrechner in akzeptablen Zeiten schwierige Suchen in Datenbanken absolvieren, für die selbst die schnellsten Computer heute Monate brauchen. Ein Quantenrechner könnte zudem heute gängige Verschlüsselungen knacken. Damit ungebetene Mitleser auf diese Weise nicht unbegrenzten Zugriff auf die Datenübertragung bekommen, hält die Quanteninformationstechnologie aber ebenfalls ein probates Mittel bereit: die Quantenkryptografie, die verhindert, dass ein Spion in der Datenleitung unbemerkt Informationen abgreifen kann.
Das Logikgatter der Garchinger Physiker könnte sowohl für den Quantenrechner als auch für die Übertragung von Quanteninformation interessant sein, weil es Mittel beider Techniken nutzt. Die bisherigen Konzepte für einen Quantencomputer setzen auf denkbar winzige, aber immerhin solide Teichen wie etwa Atome oder Ionen. Inzwischen haben Physiker auch auf verschiedene Weisen Quantengatter erzeugt. Sehr erfolgreich gelang ihnen dies bisher mit Ionen, an denen österreichische Forscher schon 100 logische Operationen hintereinander vorgenommen haben. Die Quantenkommunikation, die auch der Quantenkryptografie zugrunde liegt, nutzt dagegen Photonen als mobiles Medium.
„Mit unserem Quantengatter haben wir ein hybrides System aus einem Photon und einem Atom im Resonator geschaffen“, sagt Andreas Reiserer, der das aktuelle Experiment im Rahmen seiner Doktorarbeit vornahm. „So könnten wir mehrere Quantenprozessoren miteinander vernetzen.“ Auf diese Weise ließe sich das Problem umgehen, dass sich möglicherweise nicht genügend Quantengatter zu einem Prozessor zusammenschließen lassen, damit der Quantenrechner seine Qualitäten ausspielen kann. In einem Quantennetzwerk mit hybriden Quantengattern als Schnittstellen würde dann nicht ein großer Quantencomputer besonders knifflige Aufgaben bearbeiten, sondern mehrere kleinere, die untereinander mit Photonen kommunizieren.
Ein neuer Mechanismus, um Qubits logisch miteinander zu verknüpfen
Stephan Ritter betont noch eine weitere Eigenschaft, die das Quantengatter des Teams auszeichnet. „Wir stellen einen neuen Wechselwirkungsmechanismus vor, mit dem sich logische Verknüpfungen von Qubits vornehmen lassen“, sagt der Forscher. „Davon gibt es bisher nicht viele, und neue sind auch nur schwer zu identifizieren.“ Als Wechselwirkung bezeichnen Physiker jeden Prozess, bei dem sich Teilchen oder Felder gegenseitig beeinflussen. Sie spielen bei allem eine Rolle, was in der Welt geschieht. Die meisten Wechselwirkungen zwischen Teilchen oder zwischen Licht und Teilchen lassen sich aber nicht gut genug kontrollieren, um sie für gezielte Rechenoperationen nutzen zu können.
Vor kurzem haben die Max-Planck-Forscher eine Wechselwirkung nun so gut in den Griff bekommen, dass sich damit ein Logikgatter betreiben lässt. Die Forscher können gezielt die Polarisation eines Photons ändern, indem sie es mit einem Rubidiumatom im Resonator interagieren lassen. Die Polarisation entspricht der Schwingungsebene der Lichtwelle, die in dem Photon steckt. Wird das Photon am Resonator mit dem Atom reflektiert, dreht diese Interaktion die Schwingungsebene – wenn sich das Atom in einem entsprechenden Zustand befindet.
Schon seit einigen Jahren können die Garchinger Forscher einzelne Atome für viele Sekunden, unter idealen Bedingungen sogar länger als eine Minute, zwischen den Spiegeln des Resonators fangen. Dabei helfen ihnen Laserstrahlen, die fein auf das System aus Resonator und Atom abgestimmt sind und das Teilchen mit der Kraft ihres elektromagnetischen Feldes zwischen den Spiegeln festsetzen. Mit weiteren Laserpulsen manipulieren die Physiker den Spin des Rubidiumatoms; der Spin ist eine quantenmechanische Eigenschaft, der das Atom zu einem winzigen Magneten macht. „Je nach der Richtung des Spins, ändert sich die Polarisation des Photons, das auf den Resonator mit dem Atom trifft“, erklärt Andreas Reiserer. Abhängig vom Zustand des Atoms, wird also das Qubit des photonischen Eingangssignals von „0“ auf „1“ oder umgekehrt geschaltet – ganz so, wie es vom CNOT-Gatter erwartet wird.
Mit verschränkten Teilchen kann ein Quantencomputer parallel rechnen
Bei geeigneten Eingangszuständen unterwirft der Schaltvorgang das Atom und das Photon zudem der Verschränkung. Eigenschaften verschränkter Teilchen hängen auf subtile Weise voneinander ab: Die Regeln der kuriosen Quantenwelt bedingen, dass der Spin des Atoms untrennbar mit der Polarisation des Photons verknüpft ist. Dabei bleibt die konkrete Ausprägung der beiden Eigenschaften – die Richtung von Spin und Polarisation – solange im Vagen, bis die jeweilige Eigenschaft an einem der Teilchen gemessen wird. Die Messung an einem der Teilchen legt dann aber im selben Moment den Zustand beider Teilchen fest – egal wie weit diese voneinander entfernt sind. Erst dieser Effekt – Albert Einstein sprach von einer geisterhaften Fernwirkung – erlaubt das parallele Rechnen, das den Quantencomputer bei manchen Aufgaben unvergleichlich schnell machen könnte.
Das Quantengatter kann mehrere Photonen mit einem Atom verschränken
Die Garchinger Physiker können ein Atom aber nicht nur mit einem einzigen Photon verschränken, indem sie den Spin des Atoms und die Polarisation des Photons geschickt wählen. Sie können gleich mehrere Photonen in die geisterhafte Abhängigkeit von dem Atom bringen. Und das hat unweigerlich zur Folge, dass alle Photonen und das Atom miteinander verschränkt sind. In seiner aktuellen Arbeit hat das Garchinger Team dies mit zwei Photonen durchexerziert. Damit aber nicht genug: In weiteren Experimenten haben sie das Atom aus der verschränkten Ménage-à-trois herausgenommen, sodass nur noch ein Paar verschränkte Photonen übrig bleibt. Das Atom im Resonator steht so wieder für neue Aufgaben zur Verfügung.
„Mit der aktuellen Arbeit haben wir einen Höhepunkt in unserer Forschung der vergangenen Jahre erreicht“, sagt Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. „Wir haben Information zunächst in einzelnen Atomen gespeichert und wieder ausgelesen. Dann haben wir Qubits von einem Atom zum nächsten verschickt, jetzt haben wir mit unserem System Quanteninformation auch erstmals verarbeitet.“ Von hier bis zu einem Quantennetzwerk mehrerer Quantencomputer ist es zwar noch ein weiter Weg, doch die Garchinger Physiker schaffen dafür die Basis, indem sie ihren Einfluss in der Quantenwelt immer mehr ausweiten. „Wir können inzwischen viele Effekte kontrollieren, die künftig auch in der Quanteninformationstechnologie Anwendung finden könnten“, so Rempe.
PH