Turbulenzen mischen das Wetter auf
Max-Planck- und Fraunhofer-Forscher wollen die Wolkenphysik besser verstehen und damit auch Extremwetter-Vorhersagen verfeinern
An der detaillierten Vorhersage der Entstehung von Regen, vor allem von Starkregen, scheitern Wettervorhersagen immer wieder. Die Prognosen auch extrem heftiger Niederschläge zu verbessern, ist eine Motivation der Forscher des Projekts Twister, kurz für ‚Turbulentes Wetter in strukturiertem Terrain‘ – einer Kooperation des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik in Freiburg. Die Wissenschaftler wollen die Wolkenphysik und das lokale Mikroklima umfassender verstehen und so die Modelle präzisieren, mit denen Meteorologen berechnen, wann es wo wie stark regnen, schneien oder hageln könnte.
Extreme Wetterereignisse sind bislang unberechenbar: Im einen Ort demolieren Hagelkörner so groß wie Golfbälle Autos, zerschlagen Fenster und durchlöchern Jalousien, im nächsten nur einige Kilometer davon entfernt regnet es nur. Eine rechtzeitige Warnung vor dem Hagelsturm könnte den Betroffenen helfen, die ärgsten Schäden zu verhindern. Die Forscher des Twister-Projekts wollen daher dazu beitragen, die Vorhersagen extremer Wetterereignisse wie etwa von Hagel oder Starkregen zu verbessern. Das Projekt gehört zu den Kooperationen, mit denen die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft die Brücke von der Grundlagen- zur anwendungsorientierten Forschung schlagen.
Atmosphärische Prozesse im ganz Großen und ganz Kleinen
„Die Vorhersagen von Niederschlägen, vor allem von Starkregen, sind bislang noch ungenau, weil wir den Einfluss von Mikroklimata auf die Wolkenbildung nicht über alle wichtigen Größenordnungen hinweg verstehen“, sagt Eberhard Bodenschatz, der als Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation maßgeblich am Twister-Projekt beteiligt ist. Denn wie stark der Niederschlag ausfällt, bestimmen atmosphärische Prozesse im ganz Großen wie im ganz Kleinen. Das fängt an bei Luftströmungen mit Ausmaßen von vielen Kilometern und endet bei mikrophysikalischen Vorgängen in Wolken, durch die Tröpfchen oder Eiskristalle so lange wachsen, bis sie als Niederschlag zur Erde fallen.
Erschwert werden Messungen und Simulationen dieser Prozesse, weil Turbulenz bei der Durchmischung der Luft und dem Wachstum von Wolkentröpfchen eine wesentliche Rolle spielen. Zudem beeinflussen die Strukturen der Erdoberfläche – seien es Berge, Hügel und Wälder oder seien es einzelne Gebäude und Städte mit ihren Häuserschluchten – die großräumigen Luftströmungen. Aus dem Wirrwarr der Turbulenz entstehen so Superstrukturen, die dann selbst wieder Turbulenz erzeugen und die Wolkenbildung beeinflussen. Alles in allem ein sehr komplexer Vorgang, der experimentell und auch theoretisch schwer zu untersuchen ist.
Modernste Messungen mit Computersimulationen vereint
„Die wesentlichen Faktoren, die bei der Wolken- und Niederschlagsbildung mitmischen, wollen wir nun im Twister-Projekt erfassen“, sagt Alexander Reiterer, Leiter des Geschäftsfeldes Objekt- und Formerfassung am Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik. So entwickeln Wissenschaftler des Instituts ein neuartiges Lidar-System. Ein Lidar funktioniert ähnlich wie ein Radar, verwendet allerdings keine Radiowellen, um ein Gebiet zu durchmustern, sondern Laserstrahlen.
In ihrem neuen Lidarsystem werden die Fraunhofer-Forscher drei einzelne Lidar-Geräte mit einer ausgeklügelten Technik so synchronisieren, dass sie Luftströmungen in drei Dimensionen mit einer deutlich höheren Auflösung als bisher erfassen können. Zudem wird erforscht, ob das System mithilfe unterschiedlich farbiger Laser die Temperatur und die Feuchtigkeit im durchleuchteten Luftraum messen kann. Ein solches Lidar dürfte nicht nur helfen, die Wolkenphysik besser zu verstehen und damit Wetter- und Klimaprognosen zu präzisieren, sondern es könnte auch die Messungen von Kraftwerksemissionen wie etwa Feinstaub und von Allergenen genauer machen.
Bei den Untersuchungen der Wolkenphysik werden Analysen des Max-Planck-CloudKites die Lidar-Messungen ergänzen. Beim Cloudkite handelt es sich um einen Zwitter zwischen Drachen und Fesselballon, mit dem Wissenschaftler um Eberhard Bodenschatz die Prozesse in Wolken studieren. Den mit zahlreichen Messgeräten ausgestatteten Cloudkite werden die Forscher in Areale von Wolken aufsteigen lassen, aus deren Umgebung das Lidar bereits Daten geliefert hat. So erhalten die Twister-Forscher umfassende Informationen über die Vorgänge in und um Wolken – im Maßstab von mehreren Kilometern bis hin zu einigen Mikrometern.
Die Forscher möchten dann die experimentell gewonnenen Daten mit Computersimulationen der Wolkenmikrophysik und mit statistischen Modellen für die Atmosphäre vergleichen. „Mit den Erkenntnissen aus Theorie und Simulation können wir die Messdaten besser interpretieren. Gleichzeitig helfen diese Daten, die Modelle der Wolkenphysik zu verbessern“, sagt Michael Wilczek, Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Diese Modelle könnten dann langfristig in die Computerprogramme für Wetter- und Klimaprognosen integriert werden.