Lokale Prognosen von Dürren und Starkregen

Der Klimawandel verändert die globalen Wasserkreisläufe. Dabei fällt Regen vor allem anders verteilt: Es kommt etwa in der Mittelmeerregion einerseits zu längeren und intensiveren Dürren und andererseits zu mehr und heftigerem Starkregen, der von den Böden nicht aufgenommen werden kann. Modelle mit höherer Auflösung sollen Wetterextreme regional und lokal ebenso präzise voraussagen wie die Auswirkungen unter anderem auf die Landwirtschaft. Messkampagnen wie Orcestra liefern die dafür notwendige Datengrundlage. Die Messungen und Prognosen der Modelle ermöglichen es Gesellschaften, sich an Veränderungen der Wasserverfügbarkeit anzupassen und sich auf Extremereignisse vorzubereiten.

Text: Jan Berndorff

In einem guten Orchester harmonieren alle Teile – Streicher, Bläser, Schlagzeuger –, um ein klangvolles Erlebnis zu bieten. Das ist in der Forschung nicht anders – auch wenn hier das Ergebnis mehr zählt als das Erlebnis. Und so haben fast fünfzig Forschungsinstitutionen aus elf Ländern die Analogie eines Orchesters für eine riesige Messkampagne gewählt: Orcestra. Das Akronym steht für: ORganized Convection and Earthcare Studies over the TRopical Atlantic. Im August und September haben rund zweihundert Forschende, Techniker und Techni­kerinnen im Atlantik zwischen den Kapverden und Barbados Daten gesammelt, um die Wechselwirkungen des Klimas und tropischer Wolken zu ergründen. Mit immensem Aufwand, verteilt auf acht Einzelprojekte – sozusagen die Teile des Orchesters – mit Akronymen wie Musikinstrumente: Cello, Clarinet, Strinqs oder Percusion. Mit Flugzeugen messen die Forschenden über und in den Wolken, mit Schiffen und Bodenstationen unter den Wolken und nicht zuletzt mit dem neuen Earthcare-S­atelliten, der aus dem Weltall den Überblick behält. Zum Einsatz kommen Kameras, Radar, Laser und alles, was die Technik sonst noch für diese Zwecke hergibt.

Beteiligt sind neben Instituten der Max-Planck-Gesellschaft auch Ein­richtungen der Helmholtz- und ­­­der Leibniz-Gemeinschaft, die Europäische Weltraum­agentur ESA, Universitäten aus verschiedenen europäischen Ländern und den USA sowie lokale Forschungsgruppen. „Wir fahren ein großes Orchester auf, um den Wolken ihre Geheimnisse zu entlocken“, sagt ­Ulrike Kirchner, Forschungskoordinatorin am Max-Planck-­Institut für Meteorologie in Hamburg, das die Kampagne mit initiiert hat. In der Zusammenschau soll ein klareres Bild entstehen, wie sich Wolken in der sogenannten innertropischen Konvergenzzone (ITCZ) bilden und entwickeln, wie sie den regionalen, aber auch den globalen Wasserkreislauf und letztlich das Klima beeinflussen – und wie der Klimawandel diese Prozesse verändert.

Der tropische Motor der globalen Wasserkreisläufe ist bislang zu wenig verstanden

Die ITCZ ist jene Zone in Äquatornähe, wo die Passatwinde von Norden und Süden aufeinandertreffen. Diese sind Teil eines für das gesamte Weltklima wichtigen Kreislaufs: Dort, wo die Sonne am höchsten steht, erwärmt sich die Luft am stärksten und steigt auf. Dabei kühlt sie sich ab, und Regenwolken entstehen. Oben strömt die abgekühlte, nunmehr trockene Luft in Richtung nördlicher und südlicher Wendekreis, zu den Rändern der Tropen. Dort sinkt sie wieder ab und bildet ein Hochdruckgebiet, das in der Regel trockenes, heißes Wetter bedeutet: Daher gibt es entlang der Wendekreise so viele Wüsten. Am Boden strömt die Luft als Passatwind wieder Richtung Äquator.

Hadley-Zelle nennt man diesen Kreislauf. Er beeinflusst andere, näher an den Polen stattfindende Kreisläufe von Luft und Wasser in der Atmosphäre, die das Wetter rund um den Globus bestimmen. In der ITCZ arbeitet quasi der Motor dieses Geschehens. „Es ist erstaunlich“, meint Bjorn Stevens, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, „dass wir ausgerechnet über diesen Motor noch so wenig wissen.“ Die Orcestra-Kampagne soll das ändern und so auch präzisere Klimaprognosen ermöglichen.

Der Niederschlag wird nicht weniger, die Bodenfeuchte wird trotzdem abnehmen

Diese sind auch bisher schon alarmierend, wie die Berichte des Weltklimarats IPCC vor Augen führen: Demnach wird sich das weltweite Klima bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Mittel um 1,6 bis 4,7 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmen – je nachdem, wie viele Treibhausgase ­die Menschheit noch emittiert. In der Folge wird es unter anderem mehr Hitzewellen und Dürren geben. Für den Wasserkreislauf aber auch wichtig: Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen und enthält mehr Energie. Also werden sich auch Stürme und Starkregen mit Überschwemmungen häufen. So fällt insgesamt nicht weniger Niederschlag, aber er wird sich anders verteilen. In manchen Regionen wird es mehr, in anderen weniger regnen als bisher. Vor allem aber wird es fast überall seltener, dafür dann aber heftiger regnen.

Die Bodenfeuchte wird in vielen Regionen der Erde wahrscheinlich trotzdem abnehmen, unter anderem in Europa, vor allem in der Mittelmeerregion. Denn die in den verlängerten Hitzeperioden ausgetrockneten Böden können die Stark­regen kaum aufnehmen, die Wassermassen fließen großteils oberflächlich ab. Zudem verdunstet bei höherer Temperatur mehr Wasser. „Der Boden wird also tendenziell trockener, obwohl nicht weniger Regen fällt“, sagt der Klimaforscher René Orth, ehemals Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und heute Professor an der Universität Freiburg.

Was das bedeuten kann, haben diverse Wetterkatastrophen der vergangenen Jahre gezeigt. Zwar lassen sich einzelne Ereignisse nicht eindeutig auf den Klimawandel zurückführen, doch die sogenannte Attributionsforschung kann beziffern, wie viel wahrscheinlicher eine bestimmte Hitzewelle oder ein Starkregen durch die Erd­erwärmung geworden ist. Die Krux dabei: Um sich wappnen zu können, wollen die Menschen natürlich wissen, wo genau wann solche Naturkatastrophen drohen und wo wie viel Wasser zur Verfügung stehen wird. Und das nicht erst, wenn Sturm oder Dürre bereits im Anflug sind. Das jedoch kann die Attributionsforschung nicht leisten.

Höher aufgelöste Klimamodelle für genauere Prognosen

Die konkreten Folgen der genannten Klimaeffekte sind lokal sehr unterschiedlich. Globale Klimamodelle haben bislang in der Regel nur eine Auflösung von hundert bis hundertfünfzig Kilometern. Für detailliertere Simulationen fehlt es an Daten und Rechenkapazitäten. Es gibt zwar auch Modelle mit Auflösungen unter zehn Kilometern. Doch diese betrachten nur eine Region, für die Einflüsse von außen werden statische Werte verwendet. Die Ergebnisse solcher Modelle sind daher für eine kostenaufwendige Anpassung etwa der Städteplanung, der Trinkwasserversorgung, der Land- und Forstwirtschaft vor Ort oft noch zu vage. Doch es tut sich was: Dank neuer ­Supercomputer und künst­licher Intelligenz werden globale Modelle möglich, die unter zehn Kilometern Auflösung bieten. Jetzt fehlen nur noch die Daten – dazu soll Orcestra beitragen.

Schon Eurec4a, eine ähnlich aufwendige Messkampagne, die 2020 auf Barbados stattfand und auf der Orcestra aufbaut, lieferte eine Überraschung (siehe MaxPlanck–Forschung 1/2024): Bis dato zeigten Modelle, dass die Klimaerwärmung zu einer Abnahme der Passatbewölkung führen sollte – der typischen niedrigen Schäfchenwolken über riesigen Flächen. Und da die Wolken sehr viel Sonnenenergie zurück ins All reflektieren, würde ihr Rückgang die Erde noch stärker aufheizen. Eurec4a hat jedoch gezeigt: Es bilden sich nicht weniger Wolken.

Sicht von oben auf Cumuluswolken in den Tropen, zwischen denen das dunkelblaue Meer zu sehen ist.

Ein Schirm aus Blumenwolken

1. April 2024
Tropische Passatwolken wirken wie ein Kühlelement im Klimasystem: In der Äquatorzone dienen sie als Schutzschirm gegen die wärmende Sonnenstrahlung. Die Eurec4a-Feldstudie ist der Frage nach gegangen, wie sich die tropische Wolkenbedeckung mit dem  Klimawandel verändert – mit überraschenden Ergebnissen.

Detaillierte Vorhersage von Gewittern

Orcestra soll nun die hohen dunklen Gewitterwolken der innertropischen Konvergenzzone erforschen. Werden sie mehr, oder werden sie weniger? Sich womöglich verlagern? Das würde nicht nur in den Tropen, sondern weltweit das Klima beeinflussen. Denn rund 30 Prozent allen Regens auf der Erde fallen aus diesen Wolken. Und sie beeinflussen auch die Bildung von Zyklonen, Hurrikanen und Taifunen, die auch in den gemäßigteren Zonen enorme Schäden anrichten.

Auf Gewitter ist die Forschungsgruppe um Cathy Hohen­egger vom Max-Planck-Institut für Meteorologie spezialisiert. Wie diese sich auch in unseren Breiten durch die Klimaerwärmung verändern werden, sei noch unklar, stellt die Atmosphärenforscherin fest. Zwar sagen aktuelle Modelle voraus, dass sie häufiger und heftiger werden. „Aber ich behaupte, dass wir keine klare Vorstellung haben, weil wir Gewitter mit bisherigen Modellen nicht im globalen Zusammenhang simulieren können. Dafür reicht deren Auflösung nicht aus. Bislang können die Modelle anhand der Statistik eher raten, wo Gewitter auftreten werden.“ Ein neues Modell der Forschenden kann das Klima jetzt aber global mit einer Auflösung von fünf Kilometern simulieren. „Das erlaubt es endlich, auch einzelne Gewitter und ihre Interaktion mit der großräumigen Zirkulation zu erforschen.“ Mit den detaillierteren Modellen will das Team unter anderem beantworten, ob Gewitter ihre Feuchtigkeit vor allem durch Verdunstung von Böden, Gewässern und Pflanzen beziehen – oder aus der größerräumigen atmosphärischen Zirkulation. Bisherige Modelle deuten auf Ersteres, das neue Modell jedoch auf Letzteres. „Das hat Implika­tionen für die Bedeutung der Landnutzung“, sagt Hohenegger. „Denn das hieße, dass Änderungen der Oberflächenbeschaffenheit, wie zum Beispiel Entwaldung, die Häufigkeit und die Intensität von Gewittern nicht so stark beeinflussen wie bislang vermutet.“ Umgekehrt haben Veränderungen der Gewitterfrequenz und -stärke natürlich unmittelbare Folgen für unsere Landnutzung – insbesondere in trockenen Regio­nen der Erde. „Dort werden die Trockenzeiten schon heute länger und die Regenfälle intensiver“, sagt Cathy Hohenegger. Für die Landwirtschaft, von der dort besonders viele Menschen abhängig sind, sei das fatal. Der Boden trocknet stärker aus, und wenn es dann zu Starkregen kommt, spülen die Wassermassen alles weg.

Mit dem schwindenden Amazonas-Regenwald verändert sich das regionale Klima

Ein Zusammenhang zwischen Landnutzung und Niederschlagsverteilung zeigt sich im Amazonas-Regenwald Brasiliens. Fachleute des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena messen dort die Wasser- und Kohlenstoffkreisläufe sowohl inmitten des verbliebenen, noch intakten Regenwalds als auch in einer Region, wo Brandrodung und Abholzung große Teile davon bereits vernichtet haben und jetzt allenfalls Sekundärwälder, meist aber Soja- und andere Plantagen wachsen oder Vieh gehalten wird. Das ist auf der Tanguro-Ranch im Bundesstaat Mato Grosso der Fall. Hier werden die Folgen des menschlichen Eingriffs deutlich. „Tanguro ist der Ort, an dem wir die Prognose, dass der Regenwald sich infolge von Klimaerwärmung und Übernutzung allmählich in eine Savanne verwandelt, zuerst überprüft haben“, sagt Susan Trumbore, Direktorin am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. In Mato Grosso gibt es viel Landwirtschaft, große Teile des Waldes mussten Viehweiden und Plantagen weichen. Da Ackerfrüchte oder Gräser jedoch weniger Regen an ihren Oberflächen verdunsten lassen und auch kein Wasser aus dem tieferen Untergrund dafür hervorholen, produzieren sie viel weniger Verdunstungskälte als Bäume. Das lässt die Temperatur zusätzlich zur allgemeinen Klimaerwärmung steigen. „Tatsächlich ist dieser thermische Effekt der Landnutzung in der Region genauso stark wie der globale Treibhauseffekt“, sagt Trumbore.

Feuerfront im Amazonas Anfang August 2024.
An ihrer Messstation Atto erleben Max-Planck-Forschende hautnah das erschreckende Ausmaß der Brände im Amazonas-Regenwald mehr
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Schwerste Waldbrände im Amazonas-Regenwald

Wie hat sich die Situation am Amazonas in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt? Und was können wir über die Zukunft sagen? Und warum sollten wir den Regenwald überhaupt schützen? Genau darum geht es in diesem Video mit YouTuber Doktor Whatson.
https://www.youtube.com/watch?v=Xger-z8Y4GQ

Weniger Verdunstung auf den genutzten Flächen lässt zudem die Regenmengen sinken, mit entsprechenden Effekten auf den Restwald und die Landwirtschaft selbst, die einem höheren Risiko ausgesetzt ist und mit wirtschaftlichen Einbußen klarkommen muss. Darüber hinaus fließt mehr Wasser oberflächlich ab und erwärmt sich dabei, weil schattenspendende Bäume fehlen. Das wärmere Wasser beeinträchtigt Fische und andere Tiere in den Flüssen. „Ursprünglich haben wir in den Gewässern den Einfluss der Dünger aus der Landwirtschaft ermittelt, doch es stellte sich heraus, dass die Erwärmung und die erhöhte Überschwemmungsgefahr viel schwerwiegender sind“, sagt Trumbore.

An den Rändern der verbliebenen Wälder führen die zusätzliche Hitze und die geringere Luftfeuchtigkeit zu stärkerem Trockenstress. „Die am wenigsten trockenheitstoleranten Baumarten werden aussterben und durch Generalisten ersetzt werden“, sagt Trumbore. ­Einige Funktionen des ehemaligen Waldes, wie etwa die Kühlwirkung, blieben jedoch auch in einem geschädigten Wald weitgehend erhalten. „Ein geschädigter Wald ist also besser als gar kein Wald“, sagt die Wissenschaftlerin. Die trockeneren Bedingungen erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass Brände ausbrechen, die empfindliche Wälder zerstören. So wüteten und wüten in den Jahren 2023 und 2024, in denen die zunehmende Trockenheit durch den Klimawandel vom El-Niño-Phänomen verstärkt wird, besonders verheerende Feuer im Amazonas-Regenwald. „Die große Frage ist, wie es mit den geschädigten Wäldern weitergeht“, so Trumbore. „Unter welchen Bedingungen können sie sich erholen, und wie lange dauert es, bis sie sich erholen? Und wenn sich ihr Zustand weiter verschlechtert, was bedeutet das für die Landwirtschaft und das Klima in der Region?“

Nach Starkregen kann der Boden das Wasser schlechter filtern

Um den gegenseitigen Einfluss zwischen Vegetation und Wasserkreislauf geht es auch in einem anderen Projekt, an dem das Max-Planck-Institut für Biogeochemie beteiligt ist, das aber die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland in den Blick nimmt. Am Rande des Buchenwaldes Hainich in Thüringen untersuchen Forschende unter Leitung der Universität Jena, in welchem Maß Wasser, lösliche Feststoffe und Gase wie etwa CO2 zwischen Vegetation, verschieden bewirtschafteten Böden und dem Grundwasser ausgetauscht werden. So herrschen oben im Boden pflanzliche Verbindungen im Wasser vor, während im Grundwasser mikrobielle dominieren. „Daran sieht man die Zersetzung der Substanzen durch die vielen Mikroorganismen beim Versickern in die Tiefe“, erklärt Susan Trumbore. Allerdings sei der Unterschied zwischen oberflächennahem und tiefem Wasser während der zwölf Jahre, in denen an diesem Standort bereits gemessen wird, deutlich kleiner geworden. „Das zeigt, dass die Filterwirkung nachlässt“, sagt Trumbore. Die Forschenden erklären das nicht zuletzt mit den häufigeren Starkregen: Das viele Wasser sickert schneller durch, die Mikroben haben nicht genug Zeit, ihr Werk zu vollbringen. Daher gelangen nicht nur mehr pflanzliche Stoffe ins Grundwasser, sondern auch Schadstoffe wie Pestizide und Nitrat aus der Landwirtschaft. Infolge erhöhter Verdunstungsraten und veränderter Niederschlagsverteilung sinkt das Grundwasser also nicht nur ab, wie sich in vielen Teilen Deutschlands und anderswo auf der Welt feststellen lässt – auch seine Reinheit leidet. Und damit die Qualität unseres Trinkwassers, das in Deutschland zu rund 70 Prozent aus Grundwasser gewonnen wird.

Außerdem zeigt sich im Hainich, dass Wälder vom Grundwasser abhängig sind – vor allem in Trockenzeiten. Aus intakten Grundwasserreservoirs können tief wurzelnde Bäume selbst dann noch Wasser ziehen. Die Forschenden untersuchen, wie tief das Wurzelsystem reichen kann. Dann lässt sich abschätzen, wie weit der Grundwasserspiegel absinken darf, ehe es dem Wald an die Kronen gehen wird. Das heißt also: Die Vegetation des Planeten und damit auch der Anbau von Kulturpflanzen können sich bis zu einem gewissen Grad an Veränderungen durch den Klimawandel anpassen. Doch das Gleichgewicht wird fragiler. Das bestätigen auch Studien von René Orth, die er noch zu seiner Zeit am Max-Planck-Institut für Biogeochemie durchführte: Mit seiner Gruppe hat er anhand von Satellitendaten aus vierzig Jahren untersucht, wie stark die Vegetations­aktivität – ausgedrückt als Blattoberfläche – mit der oberflächennahen Bodenfeuchte zusammenhängt, die ebenfalls per Satellit gemessen werden kann. Anders formuliert erforschte er: Wie tolerant sind Pflanzen gegenüber Veränderungen der Wasserverfügbarkeit? „Heraus kam, dass Pflanzen immer sensibler reagieren“, sagt Orth. Zwar zeichneten sich viele Arten durch enorme Anpassungsfähigkeit aus, aber gewisse Arten würden einfach durch andere ersetzt. Doch das Klima verändert sich aktuell offenbar so stark oder schnell, dass dies irgendwann ihre Toleranz überschreitet – was natürlich auch unsere Trink­wasser- und Lebensmittelversorgung beeinträchtigt.

Genauere Vorhersagen von Extremereignissen und ihre Folgen

Die Folgen des Klimawandels, insbesondere von Extrem­ereignissen wie Dürren oder Starkregen, genauer vorherzusagen, daran arbeitet auch eine Gruppe um ­Markus Reichstein, ebenfalls Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie. „Mit Daten wie etwa von den Sentinel-Satelliten der ESA, die auf zehn bis zwanzig Meter genaue Messungen von Atmosphäre und Erdoberfläche liefern, werden immer genauere Prognosen möglich – für einzelne Städte, Waldparzellen, landwirtschaftliche Felder bis hin zum eigenen Garten“, stellt der Geoökologe in Aussicht. Seine Abteilung erforscht auch das Zusammenspiel zwischen Klimaextremen und Gesellschaften und kombiniert dabei hochauflösende Modelle und KI. Ein Ziel: Organisationen wie das Rote Kreuz sollen auf Basis der Prognosen für Stürme, Dürren oder Überschwemmungen internationale Hilfseinsätze vorbereiten können, schon bevor die Katastrophen auf dem Wetterradar erscheinen. „In Regionen, die die Modelle als besonders anfällig identifizieren, können sie frühzeitig ein Team vorausschicken, um eine Hilfsinfrastruktur aufzubauen“, sagt Reichstein. Nach bisherigen Erfahrungen produziert dieser Ansatz zwar auch Fehlalarme, spart unterm Strich aber viele Kosten für Schäden. Nun sollen die Modelle verlässlicher und präziser werden. „Aktuell trainieren wir unsere KI mit Landschaftsdaten und Klima­bedingungen der Vergangenheit, um dann Szenarien zu entwickeln, mit welchen Problemen bestimmte Re­gionen zu rechnen haben, wenn es noch ein oder zwei Grad wärmer wird.“

Der Sommer 2021 in Deutschland war geprägt von Extremen &ndash; Hitzewellen und Dürren mit zahlreichen Waldbränden, heftige Gewitter, Stürme, Starkregen und Überschwemmungen.&nbsp;Solche extremen Wetterereignisse scheinen häufiger zu werden, treten in immer kürzeren Abständen auf. Aber ist das wirklich so? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel?&nbsp;

Extremwetter

Der Sommer 2021 in Deutschland war geprägt von Extremen – Hitzewellen und Dürren mit zahlreichen Waldbränden, heftige Gewitter, Stürme, Starkregen und Überschwemmungen. Solche extremen Wetterereignisse scheinen häufiger zu werden, treten in immer kürzeren Abständen auf. Aber ist das wirklich so? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel? 
https://www.youtube.com/watch?v=4HnZYEosFdM
Vorhersehbarer Klimastress
Künstliche Intelligenz hilft, meteorologische Extremereignisse und ihre Folgen vorherzusagen mehr

Im Idealfall würde die Menschheit es so weit nicht kommen lassen und die Erderwärmung ebenso wie die aktive Zerstörung der Wälder eindämmen. Denn wenn auch die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Wasserkreisläufen, Ökosystemen und Gesellschaft noch nicht ganz verstanden sind, so Susan Trumbore, klar ist, dass die Evolution unsere Ökosysteme für derartige Veränderungen nicht vorbereitet hat. „Unsere Forschungsergebnisse sind deutliche Hinweise, dass wir gegensteuern müssen, wenn wir unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören wollen. Wenn man auf einen Abgrund zufährt, sollte man zumindest die Geschwindigkeit drosseln.“

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