Forschungsbericht 2019 - Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law

Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa: Ein verbesserter Rechtsrahmen für die Zusammenarbeit nationaler Gerichte und des Gerichtshofs der Europäischen Union

Autoren
Hess, Burkhard
Abteilungen
Department of European and Comparative Procedural Law
Zusammenfassung
Im Dezember 2019 schloss das Max-Planck-Institut Luxemburg (MPI Luxemburg) das Forschungsprojekt IC2BE ab, das die sogenannte zweite Generation der EU-Verordnungen zum grenzüberschreitenden Zivilverfahrensrecht untersucht hat. Dies geschah in Zusammenarbeit mit zahlreichen europäischen Partnerinstitutionen im Rahmen des Civil-Justice-Forschungsprogramms der Europäischen Kommission (EUR 780 000).

Das Forschungsprojekt IC2BE (Informed Choices in Cross-Border Enforcement) ist ein Folgeprojekt des EUPILLAR-Projekts (2014–2016) zum Thema „Internationales Privatrecht der Europäischen Union: Legal Application in Reality“. IC2BE startete formell im Januar 2018 und endete am 31. Dezember 2019. Das Projekt hat die praktische Anwendung der sogenannten zweiten Generation von EU-Verordnungen zum grenzüberschreitenden Zivilverfahrensrecht untersucht. Diese Verordnungen regeln den Europäischen Vollstreckungstitel, den Europäischen Zahlungsbefehl, den Europäischen Zahlungsbefehl für geringfügige Forderungen (in der durch die Verordnung (EU) 2015/2421 geänderten Fassung) und den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung. Sie sollen rechtliche Hindernisse der grenzüberschreitenden Forderungsbeitreibung im europäischen Justizraum abbauen.

Wissenschaftliches Hauptziel des Projekts ist es, die praktische Funktionsweise dieser EU-Verordnungen, insbesondere ihr Zusammenspiel mit nationalen Verfahrensrechten, eingehend zu untersuchen, um die europäische justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen weiterzuentwickeln.

Das IC2BE-Projekt wurde von einem Konsortium geleitet, das die Universität Freiburg im Breisgau koordiniert. Neben dem MPI Luxemburg als zweitem Hauptpartner sind die Universitäten von Antwerpen, Madrid, Mailand, Rotterdam und Breslau beteiligt.

Das Projekt arbeitete mit klassischen empirischen Forschungsmethoden – in erster Linie einer Analyse der jeweiligen Organisation der Ziviljustiz und einer Auswertung der (häufig unveröffentlichten) Rechtsprechung nationaler Gerichte sowie des Europäischen Gerichtshofs. Ein wesentliches Element der rechtstatsächlichen Untersuchungen sind Interviews mit Praktikerinnen und Praktikern verschiedener EU-Rechtsordnungen (Richter, Gerichtsvollzieher, Rechtsanwälte, Geschäftsleute und Vertreter von Verbraucherorganisationen). Die erhobenen Daten verhelfen zu einem umfassenden Verständnis der Instrumente und einer Bewertung ihrer Effizienz. Zusätzlich haben die Projektpartner Seminare organisiert, damit die am Projekt beteiligten Forschenden und Praktiker ihre Erfahrungen austauschen konnten.

Am MPI Luxemburg fanden insgesamt drei Seminare statt, an denen Richter und Generalanwälte des Europäischen Gerichtshof (EuGH) und Richter und Rechtsanwälte sowie Vertreterinnen und Vertreter anderer Justizorgane teilnahmen, die durch diverse Vorträge und Diskussionsrunden einen wertvollen Beitrag zum Projekt beisteuerten. Das erste internationale Seminar im Februar 2018 betraf die Erfassung und die Koordinierung zahlreicher, heterogener nationaler Rechtsprechungsdatenbanken mit dem Ziel, die Möglichkeit einer umfassenden europäischen Datenbank zur Erleichterung grenzüberschreitender Vollstreckungsfälle zu erkunden. Die beiden anderen Seminare (im Juni und September 2019) befassten sich mit praktischen Aspekten der grenzüberschreitenden Forderungseintreibung in der EU. Die Untersuchung der MPI-Arbeitsgruppe konzentrierte sich insbesondere auf die Rechtspraxis in Luxemburg und Frankreich. Speziell die Gerichtspraxis in Luxemburg kennzeichnet eine ungewöhnlich große Zahl grenzüberschreitender Verfahren.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des MPI Luxemburg und anderer europäischer Universitäten untersuchten die Rechtsprechung von acht Mitgliedstaaten sowie die des EuGH. Während die anderen Projektpartner damit beauftragt wurden, die Rechtsprechung ihrer Heimatstaaten zu erforschen, war das MPI Luxemburg der einzige Projektpartner, der sowohl die Rechtsordnung seines Sitzstaates (Luxemburg) als auch eine weitere Rechtsordnung (Frankreich) untersuchte. Darüber hinaus analysierte das Institut die Rechtsprechung des EuGH.

All diese Aktivitäten und Ergebnisse werden in einer öffentlich zugänglichen Datenbank gesammelt, die mit dem E-Justiz-Portal der EU-Kommission verbunden ist. Eine Publikation, die 2020 erscheinen soll, wird die Schlussfolgerungen des IC2BE-Projekts im Einzelnen darlegen, zusammen mit den empirischen Studien der im Projekt analysierten Verordnungen der zweiten Generation. Zudem werden die Projektpartner konkrete Vorschläge zur Verbesserung des derzeitigen Rechtsrahmens unterbreiten.

Im Juni 2020 startet das MPI Luxemburg ein von der EU-Kommission finanziertes Folgeprojekt namens EFFORTS. Dieses Projekt wird auf Synergien zwischen IC2BE und seinem Vorgängerprojekt EUPILLAR aufbauen und von den Datenbanken, Netzwerken und Erfahrungen profitieren, die das Institut seit seiner Gründung 2013 gesammelt hat. Es geht erneut um die praktische Untersuchung und Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsbeitreibung in Europa. Derartige Projekte tragen wesentlich zur Verbesserung der justiziellen Infrastrukturen in der Europäischen Union bei.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht