Der leichteste Spiegel der Welt
Wenige 100 Atome können Licht reflektieren, wenn sie als kollektives Quantensystem wirken
Der leichteste Spiegel der Welt wirft ein neues Licht auf Quantenphänomene. Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben den Spiegel konstruiert, indem sie wenige 100 Atome in einem zweidimensionalen optischen Gitter aus interferierenden Laserstrahlen anordneten. Der Quantenspiegel ist das erste Beispiel für ein System, in dem ein geordnetes Ensemble von Atomen als Kollektiv mit einfallendem Licht wechselwirkt. Diese neue Form der Interaktion zwischen Licht und Materie eröffnet ein neues Feld in der Grundlagenforschung, erschließt aber auch neue Anwendungen in der Quanteninformationsverarbeitung.
Für gewöhnlich bestehen Spiegel aus sorgfältig polierten Metalloberflächen oder speziell beschichteten Gläsern, damit sie Licht möglichst gut reflektieren. Physiker des Max-Planck-Instituts haben nun jedoch zum ersten Mal gezeigt, dass selbst eine einzige Lage aus gut 200 Atomen Licht sehr gut reflektieren kann. Da die Atome in einem deutlich größeren Abstand zueinander angeordnet sind als in einer Metalloberfläche, weisen sie eine sehr niedrige Dichte auf. So haben die Garchinger Forscher den gewissermaßen den leichtesten Spiegel der Welt konstruiert. Mit einem Durchmesser von ungefähr sieben Mikrometern und einer Dicke von wenigen zehn Nanometern – das entspricht dem Bewegungsspielraum der Atome in dem optischen Gitter – ist der Spiegel selbst viel zu klein, als dass man ihn mit dem bloßen Auge sehen könnte. Seine Reflexion ist jedoch mit dem bloßen Auge sichtbar, weil das Atomensemble Licht ausgesprochen effektiv spiegelt.
Neue Perspektiven für die Grundlagenforschung und die Quantentechnik
Auch wenn der eigentliche Spiegel denkbar winzig ist, füllen die Instrumente, mit denen der Spiegel erzeugt wird, wie bei den meisten quantenoptischen Experimenten ein ganzes Labor. Über tausend einzelne optische Komponenten, die zusammen rund zwei Tonnen wiegen, sind nötig, um die Atome des Spiegels in einem optischen Gitter gekreuzter Laserstrahlen zu fangen, die Lichtblitze, die er reflektieren soll, zu erzeugen und das reflektierte Licht zu analysieren. Das neuartige Material wird also kaum handelsübliche Spiegel ersetzen, die wir im Alltag verwenden. Quantenphysiker könnten damit künftig aber viele weitere Experimente machen.
“Die Ergebnisse sind für uns sehr aufregend“, sagt Jun Rui, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Erstautor der Arbeit. „Denn Photonen, die auf unseren Spiegel treffen, erzeugen Korrelationen zwischen den Atomen. Dieser Mechanismus wurde in der Quantenoptik oft vernachlässigt.“ Erst durch dieses Wechselspiel der Atome wirkt das Ensemble auf das einfallende Licht als Kollektiv und nicht als Ansammlung einzelner Teilchen. Zu dem kollektiven Verhalten kommt es, wenn die Abstände zwischen den Atomen kleiner sind als die Wellenlänge des Lichts, das der Spiegel reflektieren soll. Das einfallende Licht sieht daher bildlich gesprochen nicht einzelne Atome, sondern eine einzige spiegelnde Oberfläche. „Es ist das erste Mal, dass wir dieses kollektive Verhalten bei Atomen, die in einem optischen Gitter festgehalten werden, beobachten“, sagt David Wei, Doktorand am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und ebenfalls an der Studie beteiligt. Daher eigneten sich solche Anordnungen, um neue quantenoptische Phänomene zu erforschen.
Nützliche Eigenschaften für die Übertragung von Quanteninformation
Aus der kollektiven Wechselwirkung zwischen dem Atomensemble und Licht ergeben sich aber nicht nur neue Möglichkeiten für die Grundlagenforschung. Die Max-Planck-Physiker haben auch Ideen, wie sich ihr Quantenspiegel für die Verarbeitung und vor allem für die Übertragung von Quanteninformation nutzen lassen könnte. So gibt es bereits Vorschläge, den Spiegel mit einem besonderen Schalter zu versehen.
Theoretisch lässt sich der Spiegel zwischen zwei Zuständen hin und her schalten, indem ein Atom in dem Ensemble energetisch angeregt wird. In einem der Zustände würde er Licht reflektieren, im anderen wäre er lichtdurchlässig.
Der Spiegel der Garchinger Physiker sich aber nicht nur so schalten, dass er Licht eindeutig reflektiert oder nicht. Die Forscher arbeiten auch daran, ihn mit einer geschickten Laseranregung auch in eine Überlagerung der beiden Zustände bringen. In einem solchen Überlagerungszustand reflektiert er Licht nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Genau solche Zustände machen die Verarbeitung von Quanteninformation effizienter als die klassische Informationsverarbeitung, weil sie zwei oder mehr eigentlich gegensätzliche Eigenschaften vereinigen
Eine Möglichkeit, Licht mit Quanteninformation zu versehen
Wenn die Forscher das anregbare Atom in einen Quantenüberlagerungszustand versetzt haben, hängt es komplett vom zufälligen Zustand dieses Atoms ab, ob der Spiegel reflektiert oder nicht. Den unentschiedenen Zustand des Atoms bekommt also auch der Spiegel und damit das Licht mit, wenn es mit dem Quantenspiegel wechselwirkt – Physiker sagen, Atom, Spiegel und Licht sind miteinander verschränkt.
„Ein solcher quantenschaltbarer Spiegel bietet interessante neue Möglichkeiten für die Übertragung von Quanteninformation, wie sie etwa ein Quantencomputer ausgeben würde,“ sagt David Wei. Egal ob in der Quantentechnik oder in der Grundlagenforschung, welche Perspektiven der Quantenspiegel eröffnet, werden die Physiker nun genau ausleuchten.
KJ/PH