„Jede zusätzliche Tonne Kohlendioxid verstärkt den Klimawandel“
Interview mit Sönke Zaehle vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie zum sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates
Sönke Zaehle vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena hat sich für den Bericht des Weltklimarats unter anderem mit den globalen Kohlenstoffsenken beschäftigt. Außerdem erforscht er, wie wichtig die Methan- und Lachgaskreisläufe für die Berechnung des verbleibenden Kohlenstoffbudgets sind, um den Klimawandel auf eine bestimmtes Niveau zu begrenzen.
Herr Dr. Zaehle, was sind denn Ihrer Meinung nach die wichtigsten Erkenntnisse des neuen Berichts des Weltklimarates?
Zaehle: Wir können jetzt klar sagen, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen die Hauptursache für die vergangene und auch zukünftige Klimaerwärmung sind. Basierend auf einer deutlich verbesserten Datenlage wird in dem Bericht auch klar dargelegt, dass dieser menschliche Beitrag Extremwettereignisse wie Hitzewellen, Dürren und Starkregenereignisse häufiger und stärker werden lässt. Der Bericht zeigt aber auch, dass sich Klimaschutz und bessere Luftqualität unter einen Hut bringen lassen, wenn wir den Ausstoß an Treibhausgasen schnell verringern und Maßnahmen zur Luftreinhaltung durchführen.
Ozeane und Landökosysteme, zum Beispiel Moore und tropische Regenwälder werden immer als natürliche Kohlenstoffsenken bezeichnet. Warum können sie so viel Kohlenstoff speichern?
In den vergangenen 60 Jahren haben Ozeane und Landökosysteme etwa die Hälfte des Kohlendioxids aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und durch Landnutzung aus der Atmosphäre aufgenommen und somit den Anstieg von des Treibhausgases gebremst. Die Weltmeere nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und lösen es in Form von Kohlensäure. Auf dem Land wirken Pflanzen und Böden als Kohlenstoffspeicher. In Wäldern, zum Beispiel den tropischen Regenwäldern, können die Pflanzen das Kohlendioxid der Atmosphäre in Biomasse umwandeln und dadurch große Mengen der Atmosphäre entziehen. Auch in Mooren nutzen Moose das Kohlendioxid zum Wachsen. Da die Pflanzen in der nassen, sauren Umgebung nicht gut verrotten, kann der Kohlenstoff als Torf Jahrtausende lang im Boden gespeichert werden.
Wie reagieren diese natürlichen Kohlenstoffsenken auf den Klimawandel?
Die zunehmende Versauerung der Meere und die Erwärmung durch den Klimawandel reduzieren die Aufnahmekapazität der Meere. Auch die Senke der Landökosysteme reagiert auf Umweltveränderungen. Moore und Regenwälder leiden gegenwärtig zwar mehr unter der Zerstörung durch den Menschen als unter dem Klimawandel an sich. Aber zunehmende Trockenheit und Hitze kann auch ihre Speicherkapazität verringern. Außerdem verläuft die Bodenatmung bei höheren Temperaturen schneller, die Bodenmikroben produzieren also mehr Kohlendioxid. Zusätzlich schränken Feuer und Dürren die Fähigkeit dieser Ökosysteme Kohlenstoff zu speichern zusätzlich ein.
All dies führt dazu, dass mit fortschreitenden Emissionen die natürlichen Senken einen kleineren Teil unserer Emissionen aufnehmen werden. Dies wird den Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre noch weiter ansteigen lassen.
Ist Kohlendioxid der alleinige Übeltäter beim Klimawandel?
Nein, auch andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas, sowie Aerosole, mikroskopische kleine Partikel in der Atmosphäre, sind wichtig. Neben der Nutzung fossiler Energiequellen entsteht Methan vor allem in der Tierhaltung und Landwirtschaft. Auch Lachgasemissionen stehen durch intensive Düngung und Tierhaltung in Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion. Den Ausstoß dieser beiden Gase können wir also wie das Kohlendioxid ebenfalls direkt beeinflussen. Der vorliegende Bericht weist insbesondere auf die Verringerung des Methanausstoßes hin.
Was ist für Sie die wichtigste Schlussfolgerung aus Ihrer Forschung und dem IPCC-Bericht?
Das Zeitfenster verkleinert sich momentan rasant, den Klimawandel auf 1.5 oder 2 Grad zu begrenzen. Ohne eine schnelle, deutliche Verringerung des Ausstoßes der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas wird sich das 1.5-Grad-Ziel nicht erreichen lassen. Jede zusätzliche Tonne Kohlendioxid verstärkt den Klimawandel.
Auch der Schutz der natürlichen Kohlenstoffspeicher wie zum Beispiel Moore und Regenwälder ist wichtig. Das wäre auch im Sinne des Schutzes der Biodiversität, da das weltweite Artensterben eine ähnlich große Bedrohung ist wie der Klimawandel.
Interview: Harald Rösch