Ringe der Macht in Naturstoffen von Bakterien
Genom-Mining deckt eine weit verbreitete Klasse von Naturstoffen auf, die exzellente Kandidaten für zukünftige Arzneimittel sind
Benzobactine sind bakterielle Naturstoffe, denen eine Verbindung aus zwei Ringstrukturen besondere biologische Aktivität verleiht. Welche bakteriellen Gene für die Bildung des Bestandteils verantwortlich sind, blieb bislang unklar. Nun konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie durch umfangreiche Genomforschung die Biosynthese entschlüsseln. Ihre Forschung erleichtert die Entdeckung zahlreicher bislang unbekannter Naturstoffe für die medizinische Arzneimitteltherapie.
Ständig wechselnde Umweltbedingungen in der natürlichen Umgebung verlangen Mikroorganismen vielfältige Überlebensstrategien ab. Eine der wirksamsten ist die Produktion eines großen Arsenals von Naturstoffen mit unterschiedlichen chemischen Strukturen und Funktionen.
Die natürliche Verbindung Benzoxazolinat verleiht Naturstoffen ungewöhnliche Bioaktivität. Sie ist beispielsweise der wesentliche Bestandteil von Lidamycin, einem Antitumor-Antibiotikum, das zu den bisher stärksten Zellgiften zählt. Der Grund für die Wirksamkeit der Benzobactine ist die Tatsache, dass Benzoxazolinat aus zwei Ringen besteht. Diese Struktur ermöglicht es ihnen, sowohl mit Proteinen als auch mit der DNA zu interagieren. Die Produzenten dieser seltenen Substanz in der Natur aufzuspüren, gleicht jedoch der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Um mittels neuer Methoden pharmazeutisch wertvolle Naturstoffe wie Antibiotika, Krebsmedikamente oder Immunsuppressoren zu erschließen, muss man die zuständigen Gene kennen, genauer gesagt, ihre biosynthetischen Gencluster (BGC). BGCs sind örtlich begrenzte Gruppen von zwei oder mehr Genen, die zusammen für die Produktion einer bestimmten Reihe von Enzymen kodieren – und somit für die entsprechenden Naturstoffe, die von diesen Enzymen produziert werden.
Die biosynthetische Genkassette von Benzoxazolinat war allerdings bislang nicht bekannt, was die Erweiterung des Spektrums bioaktiver benzoxazolinathaltiger Verbindungen erschwerte – insbesondere war der letzte Bildungsschritt unklar. Nun hat ein Team von Max-Planck-Wissenschaftlern unter der Leitung von Yi-Ming Shi und Helge Bode den Benzoxazolinat-Weg biosynthetisch entschlüsselt. Während der Biosynthese "leiht" sich der Benzoxazolinat-Weg offenbar ein Zwischenprodukt aus dem sogenannten Phenazin-Weg, der für die Produktion eines anderen Naturstoffes verantwortlich ist. Vor allem haben die Forscher das Enzym identifiziert, das für den letzten Schritt verantwortlich ist: die Ringschließung zu Benzoxazolinat.
Ein Enzym als Sonde für Naturstoffe
Doktorand Jan Crames, Mitautor der Studie, erklärt: „Indem wir die Identität dieses Enzyms ermittelten, konnten wir es als eine Art Sonde benutzen. Mittels Genom-Mining spürten wir zahlreiche eng verwandte Biosynthesewege für benzoxazolinathaltige Naturstoffe – sogenannte Benzobactine – auf." Das Auffälligste sei die weitreichende Verbreitung dieser Gene in anderen Bakterien, so die Wissenschaftler. „Diese Wege wurden in taxonomisch und ökologisch bemerkenswert unterschiedlichen Bakterien gefunden, deren Lebensräume vom Land bis zum Ozean reichen, außerdem in Pflanzenpathogenen und Mikroben zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Ihre weite Verbreitung deutet darauf hin, dass diese Moleküle für ihre Produzenten eine wichtige ökologische Funktion haben", erklärt Yi-Ming Shi, Erstautor der Studie.
Helge Bode, Direktor am Max-Planck-Institut in Marburg, ergänzt: "Unsere Ergebnisse zeigen das immense biosynthetische Potenzial eines weit verbreiteten Biosynthese-Genclusters für Benzobactin. Jetzt müssen wir herausfinden, welche ökologische Funktion sie im Einzelnen haben und ob wir sie als Antibiotika oder andere Medikamente einsetzen können."
Die Kristallisation und Strukturanalyse eines Schlüsselenzyms wurde in Zusammenarbeit mit Laura Czech und Gert Bange von SYNMIKRO, Philipps-Universität Marburg, durchgeführt. Die Enzymkinetik wurde von Nicole Paczia und dem Team der MPI-TM Core Facility für Metabolomics und Small Molecule Massenspektrometrie analysiert. Die Genomsequenzierung wurde von Jörn Kalinowski und dem Team der Universität Bielefeld durchgeführt.