Immunsystem
Das menschliche Immunsystem ist ein komplexes Zusammenspiel einer Vielzahl von Zellen, Botenstoffen und Proteinen. Permanent laufen in unserem Körper zahlreiche molekularbiologische Prozesse ab, die dafür sorgen, dass Parasiten und gefährliche Erreger keinen Schaden anrichten können. Manche dieser Signalwege sind bereits gut verstanden, bei anderen tappen Wissenschaftler dagegen noch weitestgehend im Dunkeln. Deswegen arbeitet die Forschung mit Hochdruck daran, das Immunsystem besser zu verstehen, um wirksamere Schutzmechanismen oder Therapien gegen schädliche Organismen zu entwickeln. Bei Max-Planck ist dafür in erster Linie das Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg verantwortlich. Aber auch an anderen MPI, wie etwa dem MPI für Biophysik oder dem MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung, wird immunbiologische bzw. immunologische Forschung betrieben.
Aktuelle Beiträge
Welche Aufgabe hat das Immunsystem?
Das Immunsystem hat die Aufgabe, den Körper vor schädlichen und körperfremden Organismen zu schützen. Dazu zählen Bakterien, Viren, Pilze und andere Parasiten. Gleichzeitig überwacht es auch körpereigene Vorgänge und schaltet bei Bedarf entartete Zellen aus, um etwa die Entstehung von Krebs zu verhindern.
Wie ist das Immunsystem unterteilt?
Angeborenes Immunsystem
Generell lässt sich das Immunsystem in eine angeborene und eine erworbene Immunabwehr unterteilen. Das angeborene Immunsystem stellt eine erste, allgemeine und vor allem unspezifische Abwehrreaktion des Körpers dar. Dadurch kann es einerseits zwar schnell – innerhalb weniger Stunden – eingedrungene Bakterien identifizieren und eliminieren, ist wegen der Unspezifität allerdings nur beschränkt wirksam. Wie der Name vermuten lässt, ist das angeborene Immunsystem bereits von Geburt an vorhanden.
Janet Kelso und Michael Dannemann vom MPI für evolutionäre Anthropologie konnten zeigen, dass wir unser heutiges Immunsystem auch den Neandertalern verdanken, da der artübergreifende Genaustausch eine essentielle Rolle bei der Entwicklung des angeborenen Immunsystems gespielt hat. „Die Vermischung mit alten Menschenarten wie dem Neandertaler und dem Denisova-Menschen hatte Auswirkungen auf die genetische Diversität einiger angeborener Immungene", erklärt Janet Kelso.
Erworbenes Immunsystem
Stößt das angeborene Immunsystem an seine Grenzen, wird nach einigen Tagen das erworbene Immunsystem aktiviert. Im Gegensatz zur angeborenen Immunität agiert es hochspezifisch und bekämpft den jeweiligen Erreger sehr gezielt - das funktioniert allerdings nur, wenn der Erreger bereits bekannt ist. Denn wie der Name suggeriert, muss das angeborene Immunsystem zuerst "erlernt" werden. Jedes Mal, wenn ein fremdartiger Organismus registriert und attackiert wird, merkt sich das Immunsystem beziehungsweise dessen Komponenten im Anschluss, wie der jeweilige Erreger am besten bekämpft werden kann: Es bildet ein Gedächtnis - und kann beim nächsten Angriff den gleichen Erreger schneller und effektiver abwehren.
Die meisten Tierarten müssen jedoch auf den "Luxus" eines erworbenen Immunsystems verzichten. Lediglich der Mensch und alle anderen Wirbeltiere besitzen die Fähigkeit der adaptiven Immunität. Wie sich diese besondere Form der Körperabwehr im Laufe der Evolution entwickelt hat, erforschen Thomas Boehm und sein Team am Freiburger MPI für Immunbiologie und Epigenetik.
Ein Schwerpunkt ihrer Forschung liegt dabei auf dem Thymus, eine Drüse im lymphatischen Gewebe aller Wirbeltiere, die eine entscheidende Rolle für die Ausbildung des adaptiven Immunsystems spielt: In ihr reifen die für die adaptive Immunität essentiellen T-Zellen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden Hinweise, dass im Thymus von Wirbeltieren ursprünglich auch B-Zellen gebildet wurden - was heutzutage nur bei Fischen üblich ist - und lieferten so eine plausible Erklärung für die Evolution des adaptiven Immunsystems.
Wie ist das Angeborene Immunsystem aufgebaut?
Die Zellen des Immunsystem sind weiße Blutkörperchen, sogenannte Leukozyten. Innerhalb dieser Familie gibt es verschiedene Unterarten, die jeweils bestimmte Aufgaben erfüllen.
Granulozyten
Die größte Gruppe der Leukozyten stellen Granulozyten dar. Sie werden im Knochenmark aus pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen gebildet und als reife Zellen anschließend ins Blut abgegeben. Bei Bedarf können sie auch in Gewebe migrieren. Granulozyten werden in drei Arten unterteilt: Neutrophile, Eosinophile und Basophile Granulozyten.
Knapp zwei Drittel machen neutrophile Granulozyten aus. Gewöhnlich zirkulieren sie im Blut, bei einer Infektion können sie jedoch zum Infektionsherd migrieren, wo sie mittels Phagozytose den schädlichen Erreger in sich aufnehmen und dessen Zellstruktur zerstören. Neutrophile Granulozyten werden folglich auch als Phagozyten oder Fresszellen bezeichnet.
Die kleinste Gruppe der Granulozyten stellen mit maximal einem Prozent die Basophilen dar. Wie die Eosinophilen sind auch sie an der Abwehr von Parasiten beteiligt, vor allem aber können sie durch spezifische Oberflächenrezeptoren allergische Reaktionen auslösen. An diesen Rezeptoren können Antigene, d.h. körperfremde Stoffe wie Blütenpollen oder Hausstaub andocken, wodurch Botenstoffe Entzündungsmediatoren wie Heparin oder Histamin freigesetzt werden.
Auf molekularer Ebene besteht das Immunsystem also aus einem dichten Geflecht von Zellen, Antikörpern und Proteinen. Ein entscheidender Faktor bei der Erkennung von entarteten oder infizierten Körperzellen ist der Proteinkomplex MHC I. Einem Team um Arne Möller vom MPI für Biophysik ist es gelungen, den genauen Aufbau dieses Komplexes zu entschlüsseln.
Wie ist das erworbene Immunsystem aufgebaut?
Die für die erworbene Immunität zuständige Art von weißen Blutkörperchen sind die Lymphozyten (T- oder B-Zellen).
Voraussetzung für eine Immunabwehrreaktion ist die Identifizierung eines schädlichen Organismus. Allerdings haben manche Erreger Methoden entwickelt, um vom Immunsystem gar nicht erst erkannt zu werden. Ein Team um Peter Seeberger vom MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung hat herausgefunden, wie der Erreger Staphylococcus aureus einer Immunabwehr entgeht: Ein noch nicht identifiziertes Protein verleiht dem Erreger eine Art Tarnkappe, wodurch dieser für Immunzellen unsichtbar wird. Die Struktur und Funktion dieses Tarnkappen-Proteins konnten die Forscher bereits aufklären, sodass in Zukunft Impfstoffe oder Therapien gegen Staphylococcus aureus entwickelt werden könnten.