Süßer Kopierschutz
Zufällige Mikromuster von fluoreszierenden Molekülen in Zuckerfilmen könnten etwa Medikamente vor Fälschung schützen
Produktfälschungen könnten sich künftig zuverlässiger aufdecken lassen als bislang. Ein Team des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung hat eine Methode entwickelt, um Produkte wie etwa Medikamente oder elektronische Bauteile mit preiswerten, nicht kopierbaren fluoreszierenden Markierungen vor Fälschung zu schützen. Die Forschenden erzeugen mit einem Laser in Zuckerfilmen fluoreszierende Moleküle in zufälligen Mustern. Um die Verbreitung von gefälschten Produkten zu unterbinden, ließe sich eine Medikamentenpackung mit einem der individuellen Muster versehen. Eine Apotheke könnte das Muster dann mit einem Foto abgleichen, das bei der Produktion gemacht und in einer Datenbank hinterlegt wurde.
Gefälschte Medikamente sind eine Gefahr für die Gesundheit. Manchmal haben sie nicht die gewünschte Wirkung, und oft schaden sie sogar. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind rund 50 Prozent der Arzneimittel, die über nicht-autorisierte Online-Händler bezogen werden, gefälscht. Dabei verursacht Medikamentenpiraterie auch einen massiven wirtschaftlichen Schaden. Nach Schätzungen des EU-Statusberichts über Rechtsverletzungen (Equipo, 2019) betragen die Umsatzeinbußen der europäischen Pharmaindustrie, die jährlich durch gefälschte Medikamente entstehen, rund 9,6 Milliarden Euro. Um dagegen anzugehen, werden Medikamentenverpackungen seit 2019 EU-weit mit QR-Codes versehen, die aber nur einen begrenzten Kopierschutz gewähren. Aufwendigere Sicherheitsmerkmale wie etwa fluoreszierenden Hologramme, die auf Geldscheine gedruckt werden, enthalten in der Regel giftige anorganische Substanzen. Und sind die fluoreszierenden Verbindungen einmal identifiziert, dauert es im Schnitt nur etwa 18 Monaten, bis sie kopiert werden.
Ein Team um Felix Löffler, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, stellt in einer Veröffentlichung im Fachjournal Nature Nanotechnology daher einen neuen Ansatz für nicht kopierbare Sicherheitsmerkmale vor, die nicht nur Medikamente, sondern auch elektronische Bauteile vor Raubkopien schützen könnten. Die Forschenden beschießen einen dünnen Zuckerfilm, bestehend aus einfachen Monosacchariden, mit einem Laser. Bei dieser Blitzsynthese karamellisiert der Zucker in Millisekunden, und es bilden sich Verbindungen, die in verschiedenen Farben fluoreszieren. Welche Substanzen dabei im Einzelnen entstehen, lässt sich nicht vorhersagen. Die Forschenden können aber über eine Vielzahl von Stellschrauben wie etwa die Stärke und Dauer der Laserblitze sowie Zusatzstoffe im Zuckerfilm kontrollieren, welchen Farbeindruck das Muster als Ganzes erzeugen soll. „Je nach Laserparametern und Zusatzstoffen fluoreszieren die Muster unter dem Scanner in einmaligen Farbabstufungen von Rot, Grün oder Blau“, sagt Felix Löffler. Um die makroskopische Farbwirkung vorherzusagen, haben die Forschenden eine künstliche Intelligenz, also einen Algorithmus des maschinellen Lernens, mit einer Vielzahl von experimentellen Beispielen trainiert.
Zufällige Mikrostrukturen machen die Muster fälschungssicher
Für einen wirksamen Kopierschutz ist der farbliche Gesamteindruck allerdings zweitrangig. Um die fluoreszierende Zuckerschicht als Sicherheitsmerkmal verwenden zu können, kommt es auf die Details des Musters auf mikroskopischer Ebene an, also auf die Art und Anordnung der einzelnen Leuchtpunkte, die der Laserbeschuss erzeugt. „Die dabei entstehenden Mikro- und Nanostrukturen sind komplett zufällig und machen das Muster fälschungssicher,“ sagt Junfang Zhang, die an der Studie maßgeblich beteiligt war. In seinen Versuchen hat das Team eine Zuckerfilm-Bibliothek mit circa 2.000 Nanomustern erstellt. Sobald etwa eine Medikamentenverpackung oder ein elektronisches Bauteil mit einem gewünschten makroskopischen Muster, aber völlig zufälligem Nano- und Mikromuster versehen würde, könnte ein hochaufgelöstes Foto des Fluoreszenzmusters in einer Datenbank gespeichert werden. Anhand des Bildes könnten Zwischenhändler oder Apotheken dann mit einem Fluoreszenz-Scan überprüfen, ob es sich bei einem Medikament um ein Originalpräparat handelt.
Neben dem Nano- und Mikromuster der farbigen Leuchtpunkte lässt sich als weiteres Sicherheitsmerkmal das Höhenprofil des Zuckerfilms nutzen, das bei der Karamellisierung mit einem Laser entsteht. „Jedes Zuckermuster hat eine einzigartige Topographie“, sagt Felix Löffler. Diese lässt sich mit Topografie-Scans sowohl bei der Produktion als auch bei Händlern zusätzlich erfassen und abgleichen. Die Kombination von Fluoreszenzmuster und Topografie erhöht die Fälschungssicherheit noch einmal deutlich. „Mit unserem Verfahren können wir bis zu 1063000 verschiedene Varianten auf einem Quadratmillimeter erzeugen,“ sagt Felix Löffler. 1063000 entspricht einer 1 mit 63000 Nullen. Zum Vergleich: Die Anzahl der Atome im Universum beträgt etwa 1089.
JJ/PH