2023 – ein Jahr der Klimaextreme
Stürme, Niederschläge, Hitzewellen und Dürren des vergangenen Jahres wurden durch die Erderwärmung wahrscheinlicher und heftiger
2023 war klimatisch ein weiteres Jahr der Extreme. Die globale Durchschnittstemperatur lag in diesem Jahr 1,48 Grad Celsius über dem vorindustriellen Mittel. Gleichzeitig gab es außergewöhnliche Hitzewellen und Dürren, extreme Stürme und katastrophale Niederschläge. Studien des europäischen Konsortiums Xaida, an dem auch ein Team des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie beteiligt ist, bestätigen nun, dass solche extremen Wetter- und Klimaereignisse durch den menschengemachten Klimawandel wahrscheinlicher und heftiger werden. Partnerorganisationen des Konsortium stellten am 9. Januar Analysen vor, wie die Erderwärmung einzelne Extremereignisse des Jahres 2023 beeinflusst hat.
Ab Juni war jeder Monat in 2023 wärmer als die entsprechenden Monate zuvor, seit es Messdaten gibt. In der zweiten Jahreshälfte lagen die Temperaturen mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau, an manchen Tagen überschritten sie sogar 2 Grad. Für das ganze Jahr 2023 mittelte sich der globale Temperaturanstieg so auf 1,48 Grad über die vorindustrielle Durchschnittstemperatur, die aus den Temperaturen zwischen 1850 und 1900 bestimmt wird. Teilweise lässt sich die Erwärmung dadurch erklären, dass sich im tropischen Pazifik das El Niño-Phänomen zu entwickeln begann.
Die wärmere Durchschnittstemperatur verstärkte auch einige Extremereignisse, wie Forschende des Xaida-Konsortiums festgestellt haben. Das gilt etwa für die extremen Regenfälle des Sturms Daniel, die im September in Libyen zwei Dämme brechen ließen. Die Überschwemmungen kosteten Tausende Menschen das Leben und machten Daniel zum bislang tödlichsten Sturm in Afrika. „Wir schätzen, dass die extremen Regenfälle im Zusammenhang mit Daniel durch den Klimawandel mindestens zehn Mal wahrscheinlicher geworden sind“, sagt Friederike Otto, Wissenschaftlerin am Grantham Institute des Imperial College in London. Zu solchen Erkenntnissen gelangen Klimawissenschaftlerinnen und –wissenschaftler, indem sie mit Klimamodellen die Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Extremereignis zum einen für ein Klima mit der aktuellen globalen Durchschnittstemperatur und zum anderen für ein Klima mit vorindustriellem Temperaturniveau berechnen.
Die Niederschlagsmengen können bei Starkregen zunehmen, weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnimmt. Das war neben Windgeschwindigkeiten von bis zu 322 Kilometern pro Stunde auch ein Grund, warum der Hurrikan Otis im Oktober Acapulco schwer verwüstete. Einem Team des französischen CRNS zufolge handelte es sich bei Otis um ein bislang einzigartiges Ereignis, das auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist.
Temperaturen über 50 Grad Celsius werden auch in Europa möglich
Partner des Xaida-Konsortiums analysierten zudem die Hitzewellen, bei denen im Juli die Temperaturen etwa in den USA und in China auf mehr als 50 Grad Celsius stiegen. Solche Hitze können tödlich sein. Auch in Südeuropa war es im Sommer 2023 mit Temperaturen deutlich über 40 Grad Celsius außergewöhnlich heiß. Künftig sind einer Studie der ETH Zürich zufolge hier ebenfalls Temperaturen von über 50 Grad möglich.
Extremwetter
In vielen Teilen der Welt sind außergewöhnlich heiße Sommer typischerweise auch sehr trocken, und auch Dürren werden durch den Klimawandel wahrscheinlicher und gravierender. Das hat teilweise schlimme Folgen für die Landwirtschaft. So reduzierten Hitze und Trockenheit in den vergangenen 40 Jahren die Ernteerträge selbst in der nördlichen Hemisphäre, wie ein Team des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung UFZ ermittelt hat. Noch schlimmer trifft es manche Regionen im globalen Süden. So herrscht in Syrien und im Irak seit drei Jahren eine außergewöhnliche Dürre. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bereits bei einer Erderwärmung um 1,2 Grad Celsius 25 Mal höher als vor Einsetzen des menschengemachten Klimawandels.
KI-gestützte Vorhersagen zu den Folgen von Extremereignissen
Gerade die Landwirtschaft in den Ländern es globalen Südens könnte daher von der Forschung profitieren, mit der eine Max-Planck-Gruppe an Xaida beteiligt ist. Das Team um Markus Reichstein, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, entwickelt eine Methode, um die Folgen von Extremereignissen wie etwa Dürren für die Vegetation, also etwa Nutzpflanzen, vorherzusagen. Zu diesem Zweck werten sie umfangreiche meteorologische, geografische und biologische Daten mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) aus. Unter anderem kombinieren sie dabei meteorologische Beobachtungen der Sentinel-Satelliten mit einer Auflösung von 20 Metern mit topografischen Daten und Daten zu Pflanzeneigenschaften. „In unterschiedlichen Regionen kann das gleiche Wetter sehr unterschiedliche Folgen haben“, sagt Markus Reichstein. „Zum Beispiel gab es 2021 in der Uckermark genauso schwere Regenfälle wie im Ahrtal, wegen der unterschiedlichen Geografie kam es dort aber nicht zu einer Katastrophe.“ Und Trockenheit kann Pflanzen an einem Nordhang oder in einer Mulde weniger zusetzen als an einem Südhang.
„Vorhersagen, die solche Unterschiede berücksichtigen, brauchen eine Komplexität, die physikalische Modelle nicht aufweisen", erklärt Markus Reichstein. „Außerdem verstehen wir viele Zusammenhänge noch nicht genau.“ Künstliche Intelligenz jedoch erkennt in Daten zu vergangener Starkregenereignisse oder Dürren Muster, die Vorhersagen zu künftigen Ereignissen ermöglichen. „Hilfsorganisationen können sich dann besser darauf einstellen und ihre Ressourcen gezielt einsetzen“, sagt der Klimaforscher. Sie bereiten sich zwar heute bereits anhand von Wettervorhersagen auf bevorstehende Katastrophen vor, künstliche Intelligenz soll künftig aber noch präziser prognostizieren, wo Hilfe benötigt wird. Ihre Methode werden die Jenaer Max-Planck-Forscherinnen und Forscher zunächst in einer Kooperation mit dem deutschen roten Kreuz in Somalia und Kenia anwenden, damit sich Viehhirten dort besser auf Trockenheit einstellen können. „Noch setzen wir die KI-basierten Vorhersagen nicht ein“, so Markus Reichstein. „Aber wir wollen in diesem Jahr vorankommen.“
PH