Forschungsbericht 2023 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie
Warum Wüsten wärmer sind
Wenn wir verstehen wollen, warum Wüsten wärmer sind, also höhere Durchschnittstemperaturen haben als feuchte tropische Regenwälder, dann ist unser Ausgangspunkt die Bilanz aus Erwärmungs- und Abkühlungsvorgängen. Erwärmt wird die Erdoberfläche durch die Absorption der einfallenden Sonnenstrahlung, aber auch durch die Strahlung, die von der Atmosphäre emittiert wurde, nachdem sie durch Absorption und durch vertikalen Wärmetransport erwärmt wurde. Diese Strahlung können wir nicht sehen, ihr Anteil ist aber wesentlich größer als die mittlere Einstrahlung der Sonne und wird als atmosphärischer Treibhauseffekt bezeichnet. Gekühlt wird die Erdoberfläche durch Abstrahlung in die Atmosphäre - diese hängt direkt von der Temperatur der Oberfläche ab. Zusätzlich kühlen Auftrieb und Verdunstung die Oberfläche zusätzlich; sie bringen wärmere und feuchtere Luft von der Oberfläche in die Atmosphäre ein. Aus der Bilanzierung dieser Erwärmungs- und Abkühlungsvorgänge lässt sich dann die Temperatur der Oberfläche bestimmen.
Was sind aber nun die ausschlaggebenden Faktoren, die die trockenen Gebiete wie Wüsten wärmer machen als die feuchten Regionen mit den Regenwäldern? Sind es weniger Wolken in Wüstengebieten, sodass mehr Sonnenlicht zur Oberfläche dringen kann und diese stärker erwärmt? Oder ist es das fehlende Wasser in Wüsten, das für die Verdunstung und somit für die Kühlung der Oberfläche sorgen würde?
Die Atmosphäre als Kraftwerk
Diese Fragen sind nicht so einfach zu beantworten. Während die Strahlung sehr gut verstanden ist und sich zum Beispiel durch Satelliten messen lässt wie auch die Oberflächentemperatur, ist das Ausmaß, in welchem Auftrieb und Verdunstung die Oberfläche abkühlen, weniger gesichert. Wie lässt sich, physikalisch betrachtet, bestimmen, welcher Anteil der Kühlung auf Abstrahlung der Erdoberfläche beruht und wieviel auf Auftrieb und Verdunstung, also durch vertikale Luftbewegung?
Die physikalischen Gesetze der Thermodynamik helfen uns dabei weiter: Wir betrachten dazu den Auftrieb und vertikale Luftbewegung als das Resultat von Arbeit. Dabei agiert die Atmosphäre wie ein Kraftwerk, indem sie aus dem Wärmefluss von der Oberfläche und dem Temperaturunterschied zur Atmosphäre Arbeit erzeugt, die in einer vertikalen Luftbewegung resultiert. So bewerkstelligt sie den Transport und erhält den Wärmefluss aufrecht. Dieser Transport bringt die erwärmte und befeuchtete Luft in die Atmosphäre ein und kühlt somit die Oberfläche.
Dabei müssen wir allerdings berücksichtigen: Je mehr Bewegung dieses Kraftwerk erzeugt, desto effizienter kühlt es die Oberfläche. Dadurch mindert sich der Wirkungsgrad des Kraftwerks, weil sich der Temperaturunterschied zwischen der Oberfläche und der Atmosphäre durch die Luftbewegung verringert. Dies führt zu einem Leistungsmaximum, das mit einer bestimmten Oberflächentemperatur und einem bestimmten Wärmefluss verbunden ist. Unter der Annahme, dass die Oberflächenenergiebilanz das Ergebnis dieser Maximierung widerspiegelt, lässt sich die Aufteilung der Kühlungsterme bestimmen. Diese Aufteilung stimmt sehr gut mit gemessenen Temperaturen und Wärmeflüssen überein und bestätigt damit die Annahme - das atmosphärische Kraftwerk leistet also so viel, wie es maximal kann.
Fehlende Wolken und schwächeres Kraftwerk erwärmen die Wüsten
Wenn wir uns ansehen, wie sich die Energiebilanz bei zunehmender Trockenheit ändert, dann ergeben sich systematische Änderungen in den Erwärmungs- und Kühlungsanteilen. Je trockener es wird, desto weniger gibt es typischerweise Wolken. Die solare Einstrahlung an der Oberfläche nimmt demzufolge zu, auch wenn die Landoberfläche in trockenen Regionen typischerweise heller ist, also einen höheren Anteil des einfallenden Sonnenlichts reflektiert. Dieser Anstieg ist der Hauptgrund für die höheren Temperaturen in trockenen Regionen.
Die durch die Luftbewegung verursachten Wärmeflüsse nehmen dagegen mit zunehmender Trockenheit ab, so dass sich die betreffenden Gebieten weiter erwärmen. Auch die Ergebnisse der Leistungsmaximierung zeigen diesen Effekt: Sie erklären ihn durch die Wärme, die die Atmosphäre in diese Regionen transportiert.
Trockene Regionen liegen häufig in den Subtropen, also etwas außerhalb der Tropen. Sie sind geprägt durch absinkende Luftbewegung, also dem Anteil der großräumigen Zirkulation, der durch den Auftrieb von kondensierender, feuchter Luft in den Tropen verursacht wird und dort zu den hohen Niederschlägen führt. Diese Zirkulation transportiert Wärme in die Subtropen. Für das Kraftwerk bedeutet dies, dass die Atmosphäre oben erwärmt wird, wo es kühl sein sollte. Dies hat zur Folge, dass der Temperaturunterschied zwischen Oberfläche und Atmosphäre reduziert wird, und damit das Kraftwerk weniger effizient läuft. Das Leistungsmaximum sinkt ab, also findet die Aufteilung der Energiebilanz bei wärmeren Temperaturen statt.
Welche Rolle spielt nun das fehlende Wasser in Trockenregionen? Es führt hauptsächlich zu einer Verschiebung in der Aufteilung der Wärmeflüsse. Statt zu verdunsten, gelangt mehr Wärme über Auftrieb in die Atmosphäre. Die wärmeren Temperaturen in Wüsten entstehen somit hauptsächlich durch weniger Wolken und dem geschwächten Kraftwerk.
Klima physikalisch nachgerechnet
Dieser Ansatz zeigt, dass sich das außerordentlich komplexe Klimasystem mit grundlegenden physikalischen Prinzipien recht einfach beschreiben lässt. Daraus können dann quantitativ die wesentlichen Faktoren ermittelt werden, die das Phänomen der warmen Wüsten erklärt. Die Annahme, dass die Atmosphäre an ihrer Leistungsgrenze operiert, funktioniert erstaunlich gut. Es erlaubt uns, die klar zu erkennenden, recht einfachen klimatologischen Muster zu verstehen. Dies bietet die Gelegenheit, Klimaphänomene einfach, aber physikalisch plausibel und nachrechenbar erklären zu können. In der Zukunft werden wir diesen Ansatz weiter entwickeln, um auch andere Phänomene des Klimasystems, des Klimawandels, und der Rolle der Biosphäre damit erklären zu können.