Symbiodolus-Bakterien in Insekten
Forschende entdecken einen in Insekten weit verbreiteten Symbionten in Zellen
Der im Zellinneren von Insekten lebende Endosymbiont Symbiodolus clandestinus blieb bisher von der Forschung unentdeckt. Jetzt berichten Forschende des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie erstmals über die Entdeckung von Symbiodolus, der in mindestens sechs verschiedenen Insektenordnungen vorkommt. Das Forschungsteam hat entdeckt, dass Symbiodolus in allen Lebensstadien und Geweben der Insekten vorkommt. Besonders zahlreich ist der Symbiont in den Fortpflanzungsorganen erwachsener Weibchen sowie in Eiern und Larven, was darauf hindeutet, dass er transovarial an die nächste Generation weitergegeben wird. Die Wechselwirkungen des neu entdeckten bakteriellen Symbionten mit seinen Wirtsinsekten sind noch nicht geklärt, vermutlich hat Symbiodolus aber erheblichen Einfluss auf Insektengemeinschaften und somit auf Ökosysteme.
Lebewesen sind immer Teil eines Ökosystems und werden von anderen Lebewesen beeinflusst. So gibt es schädliche Interaktionen, wenn beispielsweise ein Parasit seinem Wirt wichtige Ressourcen entzieht, aber auch Symbiosen, bei denen beide Partner vom Austausch wichtiger Leistungen profitieren. Die Grenzen zwischen Parasitismus und Symbiose sind oft fließend. Ein Forschungsteam um Martin Kaltenpoth, Leiter der Abteilung Insektensymbiosen am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, beschreibt nun erstmals den neu entdeckten Insektensymbionten Symbiodolus clandestinus, der in vielen verschiedenen Insektenarten vorkommt und große Auswirkungen auf Insekten und damit auf Ökosysteme haben könnte.
„Mehrere Mitglieder unserer Forschungsgruppe haben Symbiodolus unabhängig voneinander in verschiedenen Insektenarten entdeckt. Durch den regen Austausch in unserer Gruppe und die Recherche in DNA-Datenbanken wurde mir klar, dass wir hier einem bakteriellen Symbionten auf der Spur sind, der in verschiedenen Insektenarten weit verbreitet ist. Er wurde zwar immer mal wieder gefunden, aber noch nie genauer untersucht. Das liegt vermutlich zum einen daran, dass der Symbiont auf den ersten Blick keinen eindeutigen Einfluss auf die Wirte hat, und zum anderen daran, dass er im Wirt nicht immer in großer Zahl vorkommt. Dadurch scheint er der Forschung bisher entgangen zu sein“, erläutert Erstautor Jürgen Wierz.
Gut angepasster Symbiont
Der Doktorand wollte daher mehr über den Symbionten erfahren, insbesondere wie weit er verbreitet ist, in welchen Insektengeweben er vorkommt und welchen Einfluss er auf seine Wirte hat. Mit Hilfe der Genomsequenzierung konnte das Forschungsteam Symbiodolus in 23 untersuchten Insektenarten aus sechs verschiedenen Insektenordnungen identifizieren, darunter Käfer, Zweiflügler, Schmetterlinge und Flöhe. In den Arten mit Symbiodolus trugen fast alle der untersuchten Individuen den Symbionten in sich, wobei die Menge der Symbiodolus-Bakterien in den einzelnen Insektenarten stark variierte. Dies deutet darauf hin, dass der Symbiont sehr gut an das Leben in Insekten angepasst ist.
Mit Hilfe der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, einem bildgebenden Verfahren, das auf dem Prinzip der komplementären Basenpaarung und der Fluoreszenzmarkierung beruht, fanden die Forschenden heraus, dass sich Symbiodolus in verschiedenen Geweben der Insekten ausbreiten und in die Zellen eindringen kann. Besonders viele Symbiodolus-Bakterien fanden die Forschenden in den Fortpflanzungsorganen der Insekten. Außerdem fanden sie den Symbionten in allen Lebensstadien der Insekten, einschließlich der Eier, was darauf schließen lässt, dass der Symbiont von den Eltern auf die Nachkommen übertragen wird.
Unterschiedliche Sekretionssysteme
Um mehr über mögliche Interaktionen zwischen Symbionten und ihren Wirtsinsekten zu erfahren, hat das Forschungsteam die Sekretionssysteme der Symbiodolus-Bakterien mittels Genomsequenzierung identifiziert. Sekretionssysteme helfen Bakterien, Moleküle effizient aus der Zelle heraus- und manchmal auch in eine Wirtszelle oder einen anderen Mikroorganismus hineinzutransportieren und damit verschiedene biologische Prozesse zu steuern. Es gibt verschiedene Typen von Sekretionssystemen, die jeweils für bestimmte Aufgaben geeignet sind. Das Team fand mehrere solcher Sekretionssysteme, darunter die drei Typen T1SS, T3SS und T6SS sowie ein weiteres, T4SS, das nur in einigen der untersuchten Insektengenomen vorkam. „Es ist beeindruckend, wie viele Sekretionssysteme der Symbiont besitzt, und wir vermuten, dass sie einen großen Anteil daran haben, dass Symbiodolus so gut in der Lage ist, verschiedene Wirte zu besiedeln und in deren Zellen einzudringen“, sagt Jürgen Wierz. Symbiodolus kann außerdem mehrere Aminosäuren und Vitamine produzieren, die seinen Wirten zugutekommen könnten. Gleichzeitig sind im Laufe der Co-Evolution mit Insekten wohl mehrere Stoffwechselwege verloren gegangen. Daher ist das Bakterium wahrscheinlich auf seinen Wirt angewiesen, um auch umgekehrt Nährstoffe zu erhalten.
Auch wenn die Wechselwirkungen des Symbionten mit seinem Wirt noch nicht vollständig geklärt sind, hat Symbiodolus das Potenzial, wertvolle Einblicke in die Natur der symbiotischen Beziehungen zwischen Insekten und Bakterien zu liefern. „Wenn wir zeigen können, wie Symbiodolus das Immunsystem seines Wirts umgeht, in Zellen eindringt und auf Nachkommen übertragen wird, und wir diese Strategien mit denen anderer Bakterien vergleichen, können wir besser verstehen, wie Bakterien dauerhafte Partnerschaften mit Insekten eingehen können“, erklärt Studienleiter Martin Kaltenpoth. „Dies würde einen wichtigen Schritt bedeuten, um die evolutionären Ursprünge und den Erfolg von Symbiosen zwischen Insekten und Mikroorganismen zu verstehen und herauszufinden, wie diese Symbiosen zu einer solchen Erfolgsstrategie in der Natur werden konnten.“