Ungewöhnliche Pulsare in Sternhaufen Terzan 5 entdeckt

Zehn neue Neutronensterne erlauben neue Tests extremer Sternphysik und der Relativitätstheorie

Neutronensterne gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Große Massenanteile des Vorgängersterns versammelt sich hier in einer Kugel mit einem Radius von nur knapp über 10 Kilometern. Mit anderen Worten: Ein Teelöffel dieser Sternleichen wiegt über eine Milliarde Tonnen. Viele Geheimnisse dieser Exoten sind noch immer unerforscht. Der Kugelsternhaufen Terzan 5, bekannt für seine dichte Sternenpopulation, ist ein Neutronenstern-Hotspot und ein beliebtes Ziel von Teleskopen. Ein internationales Team hat nun dank hochempfindlicher Beobachtungen mit dem MeerKAT-Radioteleskop zehn bisher unbekannte Millisekunden-Pulsare in Terzan 5 aufgespürt, eine besondere Klasse solcher Neutronensterne. Ihre Untersuchung könnte noch viel über diese mysteriösen Objekte verraten und dabei helfen, Einsteins Relativitätstheorie weiteren Tests zu unterziehen. 

Ein internationales Team unter der Leitung von Forschern des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI), des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) und des National Radio Astronomy Observatory der National Science Foundation in den USA (NRAO) hat zehn schnell rotierende Neutronensterne im Kugelsternhaufen Terzan 5 entdeckt. Viele von ihnen befinden sich in ungewöhnlichen und seltenen Doppelsternsystemen, darunter möglicherweise ein rekordverdächtiger Doppelneutronenstern, ein Pulsar in einer extrem elliptischen Umlaufbahn und mehrere „Spinnensysteme“, in denen die Neutronensterne ihre Begleiter verdampfen. Diese Funde in den Daten des MeerKAT-Radioteleskops erhöhen die Anzahl der in diesem sehr dichten Sternhaufen bekannten Millisekunden-Pulsare um mehr als ein Viertel auf insgesamt 49. Das Forschungsteam hofft, weitere Pulsare in potenziell noch extremeren Doppelsternsystemen zu entdecken: Sie planen, zukünftig alle mit MeerKAT von Terzan 5 aufgezeichneten Daten zu durchsuchen, indem sie die enorme Rechenleistung des vom AEI geleiteten verteilten Rechenprojekts Einstein@Home nutzen.

„Wir wissen, dass Kugelsternhaufen wie Terzan 5 viele schnell rotierende Neutronensterne beherbergen, und wir wissen auch, dass frühere Beobachtungen dieses Haufens wahrscheinlich einige übersehen haben. Trotzdem haben wir uns sehr gefreut, zehn bisher unbekannte Millisekunden-Pulsare zu entdecken, darunter einige in ungewöhnlichen und extremen Doppelsternsystemen“, sagt Prajwal Voraganti Padmanabh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover. 

Neutronensterne an einem der am dichtesten bevölkerten Orte der Galaxie

Neutronensterne sind kompakte Überreste von Supernova-Explosionen. Sie bestehen aus exotischer, extrem dichter Materie, sind schwerer als unsere Sonne und haben einen Durchmesser von nur etwa 20 Kilometern. Aufgrund ihrer starken Magnetfelder und schnellen Rotation senden sie wie ein kosmischer Leuchtturm gebündelte Radiowellen aus. Wenn die Rotation diese Strahlenbündel regelmäßig auf die Erde richtet, wird der Neutronenstern als pulsierende Radioquelle – als Radiopulsar – sichtbar. Einige dieser Radiopulsare sammeln in Doppelsternsystemen von ihrem Begleiter Materie ein, die sie auf Rotationsperioden von wenigen Millisekunden beschleunigt. Sie heißen Millisekundenpulsare.

Der Kugelsternhaufen Terzan 5 ist einer der Orte mit der höchsten Sternendichte in unserer Milchstraße. In seinem Kernbereich, wo diese Dichte millionenfach höher ist als in der Umgebung unserer Sonne, treffen sich die Sterne und interagieren viel häufiger als anderswo. Dies macht ihn zu einer sehr effizienten „Fabrik“ für Pulsare in außergewöhnlichen Doppelsternen. Vor dieser Studie waren bereits 39 Pulsare in Terzan 5 bekannt, nun kamen zehn weitere hinzu.

MeerKAT spürt Pulsare auf

Die Astronominnen und Astronomen machten ihre Entdeckungen in Daten des MeerKAT-Radioteleskops. MeerKAT ist eine Anlage von 64 Antennen in der südafrikanischen Karoo mit einer beispiellosen Empfindlichkeit für Quellen am Südhimmel. Im Rahmen des „TRansients and Pulsars using MeerKAT (Trapum) Large Survey Project“ beobachtete das Team Terzan 5 zweimal für mehrere Stunden mit 56 MeerKAT-Antennen.

„Mittels spezieller Hardware und Software haben wir die Daten der 56 einzelnen MeerKAT-Antennen zu einem virtuellen Teleskop kombiniert, das gleichzeitig fast 300 eng beieinander liegende Himmelspositionen im Bereich von Terzan 5 beobachtet hat“, so Prajwal Voraganti Padmanabh. „Das führt natürlich dazu, dass wir viel mehr Daten auswerten müssen als bei Beobachtungen mit einem einzelnen Teleskop. Aber es hilft uns auch, die Position jedes neuen Pulsars viel genauer zu bestimmen. Das ist bei Einzelteleskopen normalerweise der schwierige Teil, der Monate an zusätzlichen Beobachtungen erfordert.“

Großrechner Atlas ermöglicht zehn neue Entdeckungen

Die Forschenden bereiteten die Rohdaten vor und suchte dann an den 45 Positionen, die den Kern von Terzan 5 abdecken, nach Pulsaren. Ihr Arbeitspferd: der Großrechner Atlas am AEI Hannover, der rund 99.000 CPU-Kerne in fast 3.200 Servern sowie 400 Grafikkarten mit fast einer Million Kernen für die Datenanalyse bereitstellte. Diese Suche spürte zehn neue Millisekunden-Pulsare auf.

MeerKAT und das Green-Bank-Teleskop arbeiten zusammen

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Green-Bank-Teleskop Terzan 5 wiederholt beobachtet und dabei ein umfangreiches Datenarchiv zusammengetragen.

Für jeden Pulsar, den sie in den MeerKAT-Daten an einer genau definierten Himmelsposition gefunden hatten, griffen die Forschenden auf die Archivdaten des Green-Bank-Teleskops zurück, um zu überprüfen, ob sie ihre Entdeckung auch dort finden konnten. „Ohne das Archiv des Green-Bank-Teleskops wären wir nicht in der Lage gewesen, diese Pulsare zu charakterisieren und ihre Astrophysik zu verstehen“, sagt Scott Ransom, Astronom am National Radio Astronomy Observatory (NRAO). Das Team war in der Lage, für alle Entdeckungen sogenannte Timing-Modelle zu erstellen. Diese mathematischen Beschreibungen sagen die Ankunftszeit jedes einzelnen der mehreren hundert Milliarden Pulse über die gesamten 19 Jahre Beobachtungszeit präzise voraus.

Um diese Genauigkeit zu erreichen, müssen die Timing-Modelle viele astrophysikalische Eigenschaften berücksichtigen, die die Doppelsysteme mit Pulsaren beschreiben, einschließlich relativistischer Effekte, die sich aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ergeben. Das ermöglichte es den Astronominnen und Astronomen, die Neutronensterne, ihre Umlaufbahnen, ihre Begleiter und viele andere Eigenschaften genau zu untersuchen.

Von Spinnen, Doppelneutronensternen und nahen Begegnungen

„Alle zehn neu entdeckten Pulsare sind ungewöhnlich und besonders und helfen uns, Kugelsternhaufen und Neutronensterne besser zu verstehen und die allgemeine Relativitätstheorie zu testen. Aber einige von ihnen sind selbst in dieser Gruppe selten und speziell“, sagt Paulo Freire, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Radioastronomische Fundamentalphysik am Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

Eine der Entdeckungen ist ein Doppelsternsystem, das möglicherweise aus zwei Neutronensternen besteht. Diese Doppelneutronensterne sind sehr selten – gerade einmal 20 von mehr als 3600 bekannten Pulsaren gehören zu dieser besonderen Spezies. Sollten zukünftige Beobachtungen diesen Verdacht bestätigen, wäre das Doppelsystem auch ein Rekordbrecher mit dem am schnellsten rotierenden Pulsar und der längsten Umlaufzeit solcher Objekte. Andererseits könnte es sich bei diesem System auch um einen massereichen Pulsar in Begleitung eines Weißen Zwergs handeln. Ein schwerer Pulsar könnte Aufschluss über die innere Zusammensetzung von Neutronensternen geben.

Die extrem elliptische Umlaufbahn eines anderen neuen Pulsars deutet auf eine Reihe von engen Begegnungen mit anderen Sternen in seiner Vergangenheit hin. Wenn im Gedränge im Zentrum von Terzan 5 Sterne an einem Doppelsternsystem vorbeiziehen, kann ihre Schwerkraft dessen Bahnen stören und sogar seine Komponenten herausschleudern oder deren Plätze einnehmen.

Das Team entdeckte auch ein Trio seltener „Spinnen“-Pulsare. Bei diesen verdampft der Pulsar seinen leichten Begleitstern. Das verdampfte Material füllt das Doppelsternsystem als Plasma, das für Radiowellen undurchdringlich ist und die Pulsationen über weite Teile der Umlaufbahn blockieren und verfinstern kann. Mit der Zeit „verzehrt“ der Pulsar seinen Begleiter. Deswegen wurden sie nach bestimmten Spinnen benannt, die für dieses Verhalten bekannt sind: Redbacks und Schwarze Witwen.

„Einen unserer drei neu entdeckten „Spinnen“-Pulsare konnten wir mit einem bereits bekannten Objekt in Verbindung bringen, das Röntgenstrahlung und Radiowellen aussendet“, sagt Colin Clark, Gruppenleiter am AEI Hannover. „Dieses System hat außerdem eine bemerkenswert instabile Umlaufbahn: In der 19-jährigen Beobachtungszeit schwankte der Zeitpunkt, zu dem der Pulsar einen bestimmten Punkt auf seiner Bahn passierte, unvorhersehbar um mehr als eine Minute.“. Die Forschenden gehen davon aus, dass diese großen Schwankungen durch Formänderungen des Begleitstern entstehen, aber die Ursachen dafür sind unklar. Eine Möglichkeit ist, dass die magnetische Aktivität des Begleiters mit dem Plasma in seinem Inneren wechselwirkt und den Stern verformt. Dies wiederum verändert die Schwerkraft des Begleiters und damit die Umlaufbahn des Doppelsterns.

Weitere Pulsare entdecken? Einstein@Home steht bereit

Nachdem das Team die Zahl der Pulsare in Terzan 5 schon um mehr als ein Viertel gesteigert hat, plant es bereits, weitere zu finden. Die Forschenden werden nach Pulsaren in Doppelsystemen suchen, deren Umlaufzeiten deutlich kürzer sind als die der bisher entdeckten. Sie planen, mit der Hilfe des verteilten freiwilligen Computerprojekts Einstein@Home alle mit MeerKAT gewonnenen Daten von Terzan 5 zu analysieren. Das Projekt, das von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am AEI Hannover geleitet wird, hat bereits mehr als 90 neue Neutronensterne entdeckt. Das Team wird Terzan 5 mit MeerKAT auch erneut bei höheren Radiofrequenzen beobachten, was die Chancen auf neue Entdeckungen weiter erhöhen dürfte.

„Nach dem, was wir über Terzan 5 wissen, erwarten wir, dass er noch viele weitere extreme Doppelsternsysteme beherbergt, von denen jedes ein potenzielles Labor für die Überprüfung der Einsteinschen Relativitätstheorie ist“, erklärt Prajwal Voraganti Padmanabh. „Wer weiß, vielleicht ist das nächste, was wir in diesem erstaunlichen Kugelsternhaufen finden, etwas so Exotisches wie ein Paar Millisekunden-Pulsare oder ein Millisekunden-Pulsar, der ein Schwarzes Loch umkreist?“

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