Treibstoff für klimaneutrale LKW
 

HyFiT-Kraftstoffe können den CO2-Fußabdruck des Schwerlastverkehrs verkleinern verringern
 

15. Juli 2024

Synthetische Kraftstoffe könnten den LKW-Verkehr künftig klimafreundlich machen. Ein Team des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion, der RWTH Aachen und der ETH Zürich stellt nun einen Syntheseweg vor, auf dem sich aus Biomasse oder CO2 ein Treibstoff, HyFiT-Kraftstoff genannt, produzieren lässt, den gängige Verbrenner tanken können. Die Forschenden kombinieren dabei Verfahren, die die chemische Industrie bereits vielerorts nutzt. Wenn der Treibstoff aus Biomasse erzeugt wird, entsteht über die ganze Produktions- und Verwertungskette hinweg unter gewissen Bedingungen genauso wenig CO2 wie bei einem batteriebetriebenen Laster. Auch die gesamte Ökobilanz der synthetischen Kraftstoffe ist vergleichbar mit der des Batteriebetriebs. Der HyFiT-Treibstoff kann zudem so maßgeschneidert werden, dass bei seiner Verbrennung weniger Feinstaub und Stickoxide entstehen als bei einem  Diesel, der die künftige Euro 7-Norm erfüllt.
 

Damit Lastkraftwagen Güter künftig klimafreundlich transportieren können, sind verschiedene Techniken im Rennen. Dazu gehören neben einem Elektroantrieb mit Batterie synthetische Kraftstoffe. Elektro-LKW haben je nach Strom-Mix zwar einen besonders kleinen CO2-Fußabdruck, aber die Batterien sind groß und schwer, vor allem wenn eine Ladung für mehr als 500 Kilometer reichen soll – da sind synthetische Kraftstoffe klar im Vorteil. Für sie spricht zudem, dass sie in heutigen Fahrzeugen und mit der bestehenden Tank-Infrastruktur genutzt werden können. Das ist nicht zuletzt in Ländern relevant, in denen es auf absehbare Zeit keine Ladeinfrastruktur geben wird. Bleibt die Frage, welche Substanzen sich am besten für klimafreundliche Tankfüllungen eignen und wie sie sich am effizientesten herstellen lassen. Darauf liefert das Team aus Deutschland und der Schweiz mit einer umfassenden Studie, die im Fachmagazin Nature Energy erschienen ist, nun Antworten. Das fängt damit an, dass die Forschenden einen Syntheseweg präsentieren, der es erlaubt gezielt verschiedene Mischungen aus synthetischem Diesel, also reinen Kohlenwasserstoffen, sogenannten Alkanen, und langkettigen Alkoholen zu erzeugen. Anschließend testete das Team, welche Mixtur am saubersten verbrennt und für heutige Motoren am besten geeignet ist.

Hohe Cetanzahl, wenig Schadstoffe und Verträglichkeit mit heutigen Motoren

Bei den Verbrennungseigenschaften kommt es darauf an, dass der Treibstoff einerseits eine möglichst hohe Cetanzahl aufweist und andererseits weniger Feinstaub und Stickoxid freisetzt als herkömmlicher Diesel. Während die Cetanzahl bei synthetischem Diesel besonders hoch ist, entstehen bei der Verbrennung langkettiger Alkohole besonders wenig Feinstaubpartikel und Stickoxide. Allerdings ist die Cetanzahl von Alkoholen zu niedrig für den Einsatz in Motoren. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass die Kraftstoffe die Materialien heutiger Motoren, vor allem die darin verbauten Kunststoffe, nicht beschädigen. Und tatsächlich fand das Team in umfassenden Tests heraus, dass sich zwischen hoher Cetanzahl, schadstofffreier Verbrennung und Verträglichkeit mit heutigen Motoren ein optimaler Kompromiss finden lässt, nämlich bei einem Alkoholgehalt von 20 Prozent der Masse.

„HyFiT-Kraftstoffe können in aktuellen Motoren verwendet werden, was zu Auspuffemissionen führt, die weit unter den kommenden Euro-7-Vorschriften liegen“, sagt Walter Leitner, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energieforschung und Professor an der RWTH Aachen. Die Euro-7-Abgasnorm wird ab Ende 2026 gelten, wird sich aber im Vergleich mit der aktuellen Euro-6-Norm nicht wesentlich ändern.

Zwei gängige Verfahren in einem Prozess

Der optimale Alkoholgehalt von 20 Prozent kann das Mülheimer Team in den Herstellungsprozess des Kraftstoffs programmieren. „Dabei setzen wir auf etablierte Verfahren der Chemieproduktion, aber wir kombinieren sie neu“, sagt Andreas Vorholt, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Zum einen nutzen die Forschenden die Fischer-Tropsch-Synthese, die Franz Fischer und Hans Tropsch in den 1920er-Jahren am Vorläuferinstitut des heutigen Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim erfanden. Bei diesem Prozess wird aus kohlenstoffhaltigen Ausgangsstoffen wie etwa Kohle, Biomasse oder CO2 zunächst ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff erzeugt, das anschließend an geeigneten Katalysatoren zu Kohlenwasserstoffen reagiert.

Die Chemiker um Andreas Vorholt und Walter Leitner verwenden dabei sowohl Biomasse als auch CO2 als Ausgangsstoffe. Die Fischer-Tropsch-Synthese kombinierten sie mit einer anderen Standardreaktion der chemischen Produktion, der Hydroformylierung. Dabei entstehen aus Alkenen – auch bekannt als ungesättigte Kohlenwasserstoffe –, die ebenfalls bei der Fischer-Tropsch-Synthese entstehen können, in einer Reaktion mit Kohlenmonoxid und Wasserstoff langkettige Alkohole. Das Besondere an dem Mülheimer Ansatz: Die Forschenden haben eine Möglichkeit gefunden, beide Reaktionen in einem einzigen Prozess auszuführen – das vereinfacht die großtechnische Produktion deutlich, wie die Zwischenprodukte nicht isoliert und gereinigt werden müssen. In welchem Verhältnis dabei Alkane und Alkohole entstehen, hängt von den Katalysatoren und der Prozessführung ab. Abgeleitet von den zugrunde liegenden chemischen Verfahren nennt das Team die Treibstoffe als HyFiT-Kraftstoffe.

Ähnlich klimafreundlich: Kraftstoffe aus Biomasse und Batteriebetrieb

Besonderes Augenmerk legte das Team natürlich darauf, wie klimafreundlich die synthetischen Kraftstoffe im Vergleich zu herkömmlichem Diesel und einem Batteriebetrieb sind. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob der Kraftstoff aus Biomasse oder CO2 gewonnen wird. CO2, den Verursacher des Klimawandels zu einem Treibstoff zu recyceln, klingt zwar besonders charmant, erfordert aber viel Strom, um aus Wasser den nötige Wasserstoff für den Fischer-Tropsch-Prozess abzuspalten. Und wenn der Strom nicht grün ist, sieht die Klimabilanz des synthetischen Kraftstoffs aus CO2 nicht gut aus. Selbst mit dem Strommix, den die EU für 2040 anstrebt, schneidet er bei den CO2-Emissionen schlechter ab als fossiler Diesel. Und mit dem Batteriebetrieb kann er nur konkurrieren, wenn der Strom für seine Herstellung komplett aus Windkraft stammt.

Für Kraftstoff aus Biomasse sieht die Klimabilanz deutlich besser aus, da sie einen großen Teil des Wasserstoffs für die Fischer-Tropsch-Synthese mitbringt. Er ist, wenn von seiner Produktion bis zum Betrieb alles auf CO2-Vermeidung optimiert ist, schon beim heutigen Strommix so klimafreundlich wie der Batteriebetrieb. Wenn Landwirte Biomasse allerdings ausschließlich für die Treibstoffproduktion anbauen, können sie weniger Nahrungsmittel erzeugen. „Unser Prozess bietet aber die Möglichkeit, einen optimalen Kompromiss zwischen Klimafreundlichkeit und Landnutzung zu schließen“, sagt Andreas Vorholt. Wo der liegt, hängt dabei auch von der Stromquelle ab. So könnte an wind- oder sonnenreichen Standorten auch aus CO2 klimafreundlicher synthetischer Kraftstoff entstehen.

Synthetische Kraftstoffe vor allem für den Schwerlastverkehr

Die Klimabilanz und die Schadstoff-Emissionen sind allerdings nicht die einzigen Faktoren, die darüber entscheiden, wie umweltfreundlich ein LKW fährt. Dazu gehören unter anderem auch der Verbrauch an Wasser, Mineralen, Metallen und Flächen oder die Schädigung der Ozonschicht. Insgesamt werteten die Forschenden 16 solcher Umweltkategorien aus. „HyFiT-Kraftstoffe weisen sogar im Vergleich zu batteriegestützten Technologien ein sehr günstiges Umweltprofil auf“, sagt Walter Leitner. Und je größer die Reichweite eines batteriebetriebenen Lasters sein soll, desto besser fällt die Ökobilanz der synthetischen Kraftstoffe im Vergleich aus, wobei solche aus Biomasse relativ viel Fläche brauchen.  

„Die Ergebnisse unseres Teams zeigen, dass HyFiT-Kraftstoffe eine praktikable Option für die Energiewende sind“, sagt Walter Leitner. Sie nutzten erneuerbare Energien und Rohstoffe sowie Produktionsverfahren, die von der heutigen petrochemischen Industrie übernommen werden können. „Die Studie zeigt das Potenzial des Kraftstoffdesigns für die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs und ist auch über die Energiewende in Deutschland hinaus relevant", so Leitner. Wie konkurrenzfähig synthetische Kraftstoffe ökonomisch sind, muss sich allerdings noch zeigen. Gerade Treibstoffe aus CO2 bräuchten jedenfalls politische Unterstützung, um zeitnah am Markt bestehen zu können, heißt es in der Studie. Sie sollten im Straßenverkehr daher vor allem dort verwendet werden, wo flüssige Treibstoffe absehbar am sinnvollsten sind: im LKW-Verkehr über lange Strecken.

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