Bilder schwarzer Löcher bald schärfer als je zuvor
Radioteleskope des Event-Horizon-Teleskop beobachten erstmals Signal bei 0.87 Millimetern
Das Event-Horizon-Teleskop, ein globales Netzwerk aus Radioteleskopen, hat in den vergangenen Jahren die Schatten um die supermassereichen Schwarzen Löcher in M 87 und dem Galaktischen Zentrum bei einer Wellenlänge von 1,3 Millimetern abgebildet. Nun gelang Astronominnen und Astronomen in einem Pilotexperiment ein Rekord, Daten bei einer noch kürzeren Wellenlänge von 0,87 Millimetern zu nehmen. Je kürzer die Beobachtungswellenlänge, desto schärfer das Bild. Sind die Daten fertig ausgewertet, werden dabei die schärfsten Bilder der wahrscheinlich extremsten Regionen des Weltalls entstehen.
Die Event-Horizon-Teleskop (EHT) Kollaboration hat unter Beteiligung des Atacama Large Millimeter/sub-millimeter Arrays (ALMA) erstmals Radiolicht bei 0.87 Millimetern empfangen. "Die einzige Möglichkeit, die Winkelauflösung und damit die Schärfe der Bilder von bodengebundenen Radioteleskopen weiter zu verbessern, ist die Beobachtung bei Radiowellenlängen von weniger als einem Millimeter. Dort hinzukommen war eine große Herausforderung“, sagt Anton Zensus, Gründungsvorsitzender der EHT-Kollaboration und Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
So scharf wie nie zuvor
Mit diesen neuen Beobachtungen erreichte das Event-Horizon-Teleskop die bislang höchste Winkelauflösung unter bodengebundenen Teleskopen. Es kombiniert Radioteleskope auf der ganzen Welt und bildet damit einen Radiointerferometer etwa von der Größe des Erdballs, um supermassereiche schwarze Löcher und die Strahlung aus ihrer unmittelbaren Umgebung abzubilden. Diese schwarzen Löcher befinden sich in den Zentren von Galaxien, Regionen besonders extremer physikalischer Bedingungen im Universum. Je kürzer die Beobachtungswellenlänge, desto höher ist die Winkelauflösung des Teleskopnetzwerks. Es zeigt etwa den Schatten des schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße bei unerreichter Genauigkeit.
Die Vorläufermessungen gelangen, indem Radiostrahlung aus den Zentren entfernter Galaxien bei einer Frequenz von etwa 345 Gigahertz, entsprechend einer Wellenlänge von 0,87 Millimetern, nachgewiesen wurden. Es ist sehr aufwendig, aus diesen radiointerferometrischen Rohdaten aller beteiligten Radioteleskope Bilder zu erstellen und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Kollaboration erwartet Bilder von schwarzen Löchern und ihrer direkten Umgebung, die 50 Prozent detaillierter sein werden als bisher. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden dabei neben M87* und Sgr A* auch Bilder von weiteren schwarzen Löchern erstellen können. "Die Beobachtung von Veränderungen des Gases, das die schwarzen Löcher bei verschiedenen Wellenlängen umgibt, wird uns helfen, das Rätsel zu lösen, wie schwarze Löcher Materie anziehen und verschlingen und auch wie sie energiereiche Radio-Jets ausstoßen, die weit über die Galaxie selbst hinausreichen", sagt Sheperd Doeleman, Gründungsdirektor des Event-Horizon-Teleskops und Mitarbeiter am Harvard Center for Astrophysics.
Auf den Spuren schwarzer Löcher
Die Messungen wurden bereits zwischen dem 18. und 21. Oktober 2018 durchgeführt, aber erst heute konnte für fünf Blazare ein Signal im interferometrischen Datenstrom nachgewiesen werden. Blazare sind besonders aktive Kerne von Galaxien, die im Zentrum ein oder mehrere supermassereiche schwarze Löcher versammeln. Voraussetzung hierfür war ein geringer Wasserdampfgehalt und eine geringe Bewölkung über den jeweiligen Teleskopen. Das Radioteleskop-Netzwerk erstreckte sich während der Messungen über maximal 9500 Kilometer. Bei der Beobachtungswellenlänge von 0,87 Millimetern wird das Event-Horizon-Teleskop in Zukunft Details bei einer bisher unerreichten Auflösung von bis zu 13 Mikrobogensekunden abbilden können. Das entspricht der Größe einer Verschlusskappe einer Wasserflasche auf dem Mond, von der Erde aus betrachtet. „Bei dieser Auflösung werden unsere Bilder wahrscheinlich neue Eigenschaften der beobachteten Objekte offenbaren, sowohl solche, die zuvor vorhergesagt wurden, als auch vielleicht solche, die nicht vorhergesagt wurden", sagt Alexander Raymond vom Jet Propulsion Laboratory der NASA.
Technisch war es schon länger möglich, den Nachthimmel bei 0,87 Millimetern mit Radioteleskopen zu beobachten, jedoch gab es noch erhebliche Schwierigkeiten, Daten von ausreichender Qualität aufzuzeichnen. Diese Probleme ließen sich aber im Lauf der Zeit durch technologischen Fortschritt beheben. Zum Beispiel absorbiert der Wasserdampf in der Atmosphäre Radiowellen bei Wellenlängen von unter einem Millimeter besonders stark. Das macht es für Radioteleskope schwieriger, Signale mit ausreichendem Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu empfangen. Der Schlüssel zum Erfolg war, die Empfindlichkeit des Event-Horizon-Teleskop noch mehr zu verbessern, indem man die Beobachtungsbandbreite der Detektoren an den einzelnen Radioteleskopen vergrößerte und flexible Zeitfenster definierte, so dass die Messungen bei optimalen Wetterbedingungen gestartet werden konnten.
Weitere Informationen
An der EHT-Kollaboration sind mehr als 400 Forscherinnen und Forscher aus Afrika, Asien, Europa, Nord- und Südamerika beteiligt, davon rund 270 als Autorinnen und Autoren der vorliegenden Arbeit. Dieses internationale Projekt zielt darauf ab, mit einem virtuellen Teleskop von der Größe der Erde, schwarze Löcher so scharf wie möglich abzubilden. Unterstützt durch beträchtliche Anstrengungen in internationaler Zusammenarbeit verknüpft das EHT bestehende Teleskope mit Hilfe neuartiger Techniken, um ein grundlegend neues Instrument mit dem höchsten bisher erreichten Winkelauflösungsvermögen zu schaffen.
Das EHT-Konsortium besteht aus 13 beteiligten Instituten; dem Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics, der University of Arizona, dem Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian, der University of Chicago, dem East Asian Observatory, der Goethe-Universität Frankfurt, dem Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM), dem Large Millimeter Telescope (LMT), dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), dem MIT Haystack Observatory, dem National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ), dem Perimeter Institute for Theoretical Physics sowie der Radboud-Universität (Nimwegen, Niederlande).
Zu den an diesem Vorhaben beteiligten Teleskopen gehören ALMA, APEX, das IRAM-30-Meter-Teleskop, das IRAM-NOEMA-Observatorium, das James-Clerk-Maxwell-Teleskop (JCMT), das Large-Millimeter-Teleskop (LMT), das Submillimeter Array (SMA), das Submillimeter-Teleskop (SMT), das Südpol-Teleskop (SPT), das Kitt-Peak-Teleskop (KP) und das Grönland-Teleskop (GLT). Die Daten wurden in den VLBI-Korrelationszentren am MPIfR in Bonn und am MIT/Haystack-Observatorium in Westford (MA, USA) analysiert. Die weitere Datenanalyse wurde im Rahmen der weltweiten EHT-Kollaboration durchgeführt.
IRAM ist eine internationale Forschungsorganisation für Millimeter- und Submillimeterastronomie, die vom CNRS (Frankreich), der Max-Planck-Gesellschaft (Deutschland) und dem IGN (Spanien) unterstützt wird. Die Organisation betreibt zwei Forschungseinrichtungen von Weltrang: das 30-Meter-Teleskop IRAM in Spanien und NOEMA (Northern Extended Millimeter Array), das größte Millimeter-Interferometer der nördlichen Hemisphäre, das sich in den französischen Alpen befindet.
NJ/BEU