Der Stoffwechsel der Ethanfresser
Enzymkomplexe ermöglichen Archaeen den Abbau von Ethan
Bremer Forschende beschreiben erstmals Enzyme aus Tiefsee-Mikroben, die eine entscheidende Rolle beim Ethanabbau spielen. Sie berichten von überraschenden Erkenntnissen über den Stoffwechsel dieser Organismen.
Quellen am Meeresboden setzen von Natur aus Alkane frei – Schadstoffe, die potenziell gefährlich für Lebewesen sind und zur globalen Erwärmung beitragen. Zum Glück leben in den Sedimenten rund um die Quellen Mikroben, die als biologische Filter fungieren: Sie verbrauchen den Großteil der Alkane, bevor sie in die Ozeane und unsere Atmosphäre gelangen. Diese so genannte anaerobe Oxidation von Alkanen ist ein wichtiger Prozess, den wir bisher aber kaum verstehen.
Forschende des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie und des Marum Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen veröffentlichen nun eine Studie über den Abbau von Ethan, dem zweithäufigsten Alkan in Meeresquellen. Sie beschreiben die Enzyme, die an dem Prozess beteiligt sind und zeigen, dass deren Reaktion mit einem gängigen Dogma auf dem Gebiet der anaeroben Biochemie bricht.
Fehlendes Glied in der Maschinerie zur Energiegewinnung
Die anaerobe Oxidation von Ethan wurde vor einigen Jahren beschrieben, doch viele ihrer Geheimnisse müssen noch enträtselt werden. „Wir zeichneten die chemischen Reaktionen des Prozesses auf ein Blatt Papier und entdeckten große Lücken in der Biochemie, die noch nicht erforscht waren. Alles deutete darauf hin, dass die beteiligten Organismen ihre Zellenergie auf einem bislang unbekannten Weg gewinnen“, erklärt Erstautor Olivier Lemaire. Die beiden letzten Enzyme des Prozesses erzeugen Kohlendioxid aus Ethan. Andere Mikroben verwenden ein Protein namens Ferredoxin, um die auf diesem Weg entstehenden Elektronen aufzunehmen. „Das hatte man auch bei Ethanoxidierern vermutet. Als wir uns jedoch das Genom der Mikroben ansahen, stellten wir fest, dass sie nicht über die nötigen enzymatischen Werkzeuge verfügen, um Zellenergie mithilfe von Ferredoxin zu gewinnen. Irgendwas anderes musste also im Spiel sein.“
Gelöst werden konnte dieses Rätsel nur dank einer engen Zusammenarbeit innerhalb der Partnerinstitutionen. Gunter Wegener und seinem Team gelang es, Sedimentproben von erdgasreichen hydrothermalen Quellen zu sammeln, und aus diesen die Ethanabbauer im Labor zu kultivieren – eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe. Mit Hilfe dieser Kulturen konnte dann die Gruppe von Tristan Wagner die an der Ethanoxidation beteiligten Enzyme isolieren und charakterisieren. „Die Isolierung von Enzymen aus einer so kostbaren und komplexen mikrobiellen Kultur ist eine große Herausforderung, aber mit viel Mühe und Sorgfalt haben wir es geschafft“, so Wagner.
Andere enzymatische Zusammensetzung
Die jetzt veröffentlichten Analysen zeigen, dass beide Enzyme ein zusätzliches Protein enthalten, das mit dem Rest des Enzyms über eine Redoxkette von Eisen- und Schwefelatomen elektronisch verbunden ist. Durch diese Untereinheit wird es möglich, einen alternativen Elektronenakzeptor zu verwenden: Das F420, ein Molekül auf der Basis von Flavin, einer Klasse von Chemikalien, die auch für den Menschen wichtig ist (z.B. als Vitamin B2). „Enzymkomplexe aus CO2-bildenden Proteinen und F420-Reduktasen waren bisher unbekannt“, sagt Tristan Wagner. Durch weitere Experimente bestätigten die Forschenden, dass beide Enzyme F420 als Elektronenakzeptor nutzen. „Diese Entdeckung bricht ein Dogma auf dem Forschungsfeld des anaeroben Stoffwechsels, weil sie die Fähigkeiten dieser Enzyme erweitert.“ „Wir vermuten, dass die Kopplung der CO2-Bildung mit F420 als Elektronenakzeptor den gesamten Prozess anregt. Die Elektronen werden dann über die Zellmembran auf eine andere Mikrobe übertragen, die Sulfat reduziert – ein gängiges Verfahren von alkanoxidierenden Konsortien“, erklärt Gunter Wegener.
Mit der Lösung dieses Stoffwechselrätsels lüften Lemaire und seine Kollegen einen zentralen Aspekt der ethanabbauenden Mikroben, die eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf spielen. Sie zeigen zudem, dass sich Erkenntnisse, die an einigen wenigen Modellorganismen gewonnen werden, nicht einfach auf verwandte Arten übertragen lassen. Die beteiligten Enzyme können vielseitiger sein als angenommen. „Unsere Studie verdeutlicht, wie wenig wir über den Stoffwechsel dieser Mikroben wissen, die seit Milliarden von Jahren auf unserem Planeten leben und sich an so viele Lebensräume anpassen können, und wie wichtig es ist, diese mit Hilfe experimenteller Methoden zu erforschen“, so Wagner abschließend.
Die weitreichende Bedeutung dieser Studie liegt zudem darin, dass die von diesen Mikroorganismen durchgeführte Oxidation von Alkanen entscheidend dazu beiträgt, dass die biologischen Filter in den Unterwasserquellen funktionieren und eine massive Freisetzung von natürlich produzierten Alkanen in die Atmosphäre und das Meerwasser verhindern.