Der Nachhall aus dem frühen, wilden Universum
Forschende messen mit Hilfe von Pulsar-Sternen Gravitationswellen aus der Frühzeit des Universums, die noch heute Raum und Zeit durcheinanderbringen
Wenn sich zum Beispiel Schwarze Löcher eng umkreisen, entstehen Gravitationswellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit im Universum ausbreiten. Je größer die Schwarzen Löcher, desto länger sind die Wellen, die die Raumzeit dehnen und stauchen. Mit dem so genannten MeerKAT Pulsar Timing Array haben Forschende nun einen Gravitationswellendetektor so groß wie die Milchstraße geschaffen, der die Überlagerung dieser besonders langen Gravitationswellen aus allen Richtungen des Alls mit besonderer Güte gemessen hat. Das Forschungsteam blicke damit auf Signale, die das Universum seit vielen Milliarden Jahren durchziehen und auf dessen besonders aktive Frühzeit zurückgehen, als supermassereiche Schwarze Löcher vermehrt miteinander verschmolzen.
Um die bislang aussagekräftigste Karte des Gravitationswellenhimmels zu erstellen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter anderem des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn, 4,5 Jahre lang eine Reihe von Pulsaren mit dem MeerKAT-Radioteleskop vermessen. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne. Steht ihre Rotationsachse günstig, empfangen Radioteleskope von diesen höchst regelmäßige Radiopulse, die an ein Uhrwerk erinnern. Die Gesamtheit aller vermessener Pulsare bildet das sogenannte Pulsar Timing Array. Fegt eine Gravitationswelle über diese im dreidimensionalen Raum verteilten Taktgeber, verändert dies ihre Taktfrequenz nur leicht, aber messbar.
Auf der Suche nach dem Fingerabdruck riesiger schwarzer Löcher
„Indem wir nach Variationen in den Gravitationswellen am Himmel suchen, machen wir uns gleichzeitig auch auf die Suche nach dem Fingerabdruck der astrophysikalischen Prozesse, die hinter dem Gravitationswellensignal stecken“, sagt Kathrin Grunthal, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Die mit Pulsar-Timing-Arrays beobachteten Gravitationswellen werden von einigen der stärksten Quellen des Universums verursacht. Hierzu zählen supermassereiche Schwarze Löcher sowie Ereignisse kurz nach dem Urknall. Matt Miles, Forscher an der Swinburne University of Technology in Melbourne, Australien, erklärt: „Die Summe aller dieser Gravitationswellen, die sich im Universum ausbreiten, bildet einen Gravitationswellenhintergrund, ein kosmisches Summen, das wertvolle Hinweise auf die verborgenen Prozesse liefert, die unser Universum formen.“
Die Kartierung der Gravitationswellen am gesamten Himmel ermöglicht die Suche nach Gebieten, aus denen verhältnismäßig viele Gravitationswellen gemessen werden, so genannten „Hot Spots“. Ein solcher Hot Spot kann durch ein einzelnes - aber besonders auffälliges - binäres supermassereiches Schwarzes Loch verursacht werden und grundlegende Erkenntnisse über den Ursprung des Gravitationswellenhintergrunds liefern. Während die meisten Teile des Himmels in der Analyse keine Anzeichen von Anisotropie zeigen, entdeckte das Forschungsteam eine kleine Anzahl interessanter Merkmale, die in zukünftigen Arbeiten weiter untersucht werden sollen.
Diese Karte des Gravitationswellenhimmels baut auf dem deutlichen Hinweis auf ein Gravitationswellen-Hintergrundsignal im MPTA-Datensatz auf. „Bei früheren Karten wurde davon ausgegangen, dass es kein Signal gibt. Jetzt, da wir Beweise für Gravitationswellen haben, ändern sich die Berechnungen dieser Karten. Unsere Karte ist die erste Timing-Array-Karte, die dies berücksichtigt“, kommentiert David Champion, Astronom am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Im Vergleich zu ähnlichen globalen PTA-Projekten wie dem European Pulsar Timing Array, das zusammen mit weiteren internationalen Kollaboration 2023 den ersten Hinweis für diese niederfrequenten Gravitationswellen veröffentlichte, benötigte das MeerKAT Pulsar Timing Array nur ein Drittel der Beobachtungszeit, um eine vergleichbare Empfindlichkeit zu erreichen.
MeerKAT ist ein Vorläufer für das Square Kilometre Array (SKA) und wird schließlich in das SKA-Observatorium integriert werden, das sich derzeit im Bau befindet. Die vorliegenden Ergebnisse geben einen ersten Eindruck dessen, was mit diesem zukünftigen Observatorium möglich sein wird. Dank dessen noch höheren Empfindlichkeit wird sich die Karte des Gravitationswellenhintergrunds in Zukunft noch genauer vermessen.
Hintergrundinformationen
Pulsare: Pulsare sind die Überreste von Explosionen massereicher Sterne, bei denen der Kern als Neutronenstern überlebt hat. Es sind sehr kompakte Objekte von 1,5 Sonnenmassen innerhalb eines Radius von 13 km. Die schnellsten Pulsare rotieren mit einer Geschwindigkeit von 700 Umdrehungen pro Sekunde und senden von ihren Magnetpolen einen Strahl aus. Aus der Sicht eines Beobachters verhalten sie sich damit wie kosmische Leuchttürme. Radioteleskope nehmen sie als eine Reihe von Impulsen oder „Ticks“ wahr, die in sehr regelmäßigen Abständen eintreffen und ein natürliches und präzises uhrähnliches Signal darstellen. Es wird erwartet, dass ein solches Uhrensignal durch niederfrequente Gravitationswellen gestört wird.
Pulsar Timing Array (PTA): Ein Pulsar-Timing-Array ist ein Netzwerk von Pulsaren, die mit einem oder idealerweise mehreren Radioteleskopen beobachtet werden, um nach Gravitationswellen im Nanohertz-Bereich (d. h. mit Wellenlängen in der Größenordnung von mehreren Lichtjahren) zu suchen und diese zu entdecken. Das PTA besteht aus einem Ensemble von Millisekunden-Pulsaren, die in verschiedenen Richtungen von der Erde aus beobachtet werden. Aufgrund der Präzision ihrer Pulsperioden und ihrer Verteilung am Himmel stellen sie einen Gravitationswellendetektor dar, der große Entfernungen in der Milchstraße abdeckt. Die Analyse der Pulsankunftszeiten bei den beobachteten Pulsaren erlaubt nach Korrektur einer ganzen Reihe von Effekten den Rückschluss auf Gravitationswellen im Nanohertz-Bereich.
Die Verwendung dieser Pulsare als galaktischer Gravitationswellendetektor wurde von M. Sazhin (1978, Astronomisches Institut Sternberg, Moskau) und S. Detweiler (1979, Universität Yale) vorgeschlagen. Sazhin schlug vor, dass ultralange Gravitationswellen durch ihre Störung bei der Ausbreitung elektromagnetischer Pulse nachgewiesen werden könnten. Detweiler zeigte, dass man anhand von Pulsardaten eine Obergrenze der dimensionslosen Amplitude von 10-11 für die Energiedichte eines stochastischen Gravitationswellenhintergrunds mit Perioden von 1 Jahr festlegen kann.
Einige Jahre später führten Hellings und Downs (1983, Jet Propulsion Laboratory) zum ersten Mal das Konzept des Pulsar-Timing-Array ein und zeigten, dass man, wenn man in der Lage ist, ein Netzwerk solcher stabilen Pulsare mit hoher Präzision zu „timen“, die Hintergrundemission einer Population kompakter binärer Quellen messen und insbesondere die quadrupolare Natur des Gravitationswellensignals aus der Winkelkorrelation zwischen Pulsarpaaren ableiten kann, d. h. aus der Art und Weise, wie die Pulsare je nach ihrer relativen Position am Himmel beeinflusst werden. Dies ist das Prinzip des Nachweises ultraniedriger Gravitationswellen mit dem, was heute als Pulsar-Timing-Array (PTA) bezeichnet wird.
Sobald der technologische Fortschritt solch präzise Messungen ermöglichte, die typischerweise eine Datierung der Pulsationsankunftszeit (die „Ticks“) besser als im Mikrosekundenbereich erreichen, begannen mehrere Gruppen in der Welt, die schnellst-rotierenden und stabilsten bekannten Millisekunden-Pulsare systematisch zu beobachten.
MeerKAT: Gebaut und betrieben vom South African Radio Astronomy Observatory (SARAO), ist das MeerKAT-Teleskop mit 64 Antennen das größte Radioteleskop der südlichen Hemisphäre und eines von zwei SKA-Vorläuferinstrumenten. Das in der Karoo-Region gelegene Radioteleskop wird demnächst um eine zusätzliche Anzahl von Antennen im Rahmen des Projekts "MeerKAT+" ergänzt. MeerKAT+ wird ab 2019 gemeinsam von SARAO und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) in Deutschland und ab 2020 zusätzlich mit dem Istituto Nazionale di Astrofisica (INAF) finanziert. Das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA) wird sich ebenfalls beteiligen und dabei zusätzliche technische und wissenschaftliche Möglichkeiten schaffen. Das Teleskop wird später schrittweise in das Mid-Teleskop von SKAO in Südafrika integriert.
SKAO: Das Square Kilometre Array Observatory (SKAO) ermöglicht exzellente Radioastronomie. Das Radioteleskop vernetzt zwei Standorte in Südafrika und in Australien mit über 3000 Kilometer Entfernung voneinander. Es ermöglicht Bilder mit besonders hoher Auflösung. Dieses intelligente und weltweit führende Konzept beruht auf einer erfolgreichen internationalen Zusammenarbeit. Es vereint brillantes Know-how aus Südafrika, Deutschland und anderen Ländern mit dem Ziel einer herausragenden Wissenschaft, die neue Durchbrüche in der Forschung erzielt. Das Teleskop-Array wird eine neue Ebene der Astronomie mit neuen Details über Galaxien, Sterne und interstellare Materie ermöglichen.
Neben der Wissenschaft profitiert die Gesellschaft. Die Astronomie ist eine wichtige Triebkraft für neue technologische Lösungen – insbesondere in den Bereichen Ingenieurwesen, Optik, Feinmechanik und Computerwissenschaften. Dadurch setzt die Astronomie neue Akzente auch in der Ausbildung von MINT-Fachkräften.
Am SKAO sind neben den Standorten Südafrika und Australien sowie der Zentrale in Großbritannien weiterhin die Staaten China, Deutschland, Indien, Italien, Kanada, Niederlande, Portugal, Schweiz und Spanien als Mitglieder beteiligt. Beobachter sind Frankreich, Japan, Schweden und Südkorea.
Europäisches Pulsar Timing Array (EPTA): Europa hat bei diesem Forschungsprogramm Pionierarbeit geleistet. Als Erbe des bereits bestehenden „European Pulsar Network“ (EPN) und der „PULSE: European Pulsar Research“-Zusammenarbeit, die 2005 mit dem Descartes-Preis der Europäischen Kommission ausgezeichnet wurde, wurde 2006 offiziell das Europäische Pulsar-Timing-Array (EPTA) ins Leben gerufen, das die "Pulsar"-Teams an den größten Radioteleskopen des Kontinents vereint: das 100-m-Radioteleskop in Effelsberg (Deutschland), das Westerbork-Synthesis-Radioteleskop (Niederlande), das Lovell-Radioteleskop am Jodrell-Bank-Observatorium (Großbritannien), das Sardinia-Radioteleskop (Italien) und das Nançay-Radioteleskop (Frankreich). An jedem dieser Orte hatten die lokalen Gruppen hochmoderne Instrumente und Datenpipelines entwickelt, die in der Lage waren, Pulsare korrekt zu messen und ein genaues Timing durchzuführen. In den folgenden Jahren kamen weitere Gruppen hinzu, die ebenfalls ihr theoretisches Fachwissen und ihre Fähigkeiten bei der Analyse von Gravitationswellendaten einbrachten: die Universitäten in Birmingham, Cambridge und Mailand sowie das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und das Observatorium in Paris.
Das EPTA hat seine Möglichkeiten im Jahr 2008 dank des vom ERC finanzierten „Large European Array for Pulsars“ (LEAP) erheblich erweitert. Mit monatlichen Beobachtungen nutzt das LEAP die kohärent zusammengefügte Empfindlichkeit der EPTA-Teleskope, um eine Schüssel mit einem effektiven Durchmesser von bis zu 200 m zu bilden. In 25 Jahren Beobachtungszeit haben diese Instrumente etwa 60.000 Messungen für die 25 stabilsten Millisekundenpulsare gesammelt, die eine effektive Kadenz von einigen Tagen ermöglichen und für die meisten von ihnen eine Zeitgenauigkeit von mehr als einer Mikrosekunde erreichen
Diese Zahlen definieren die Empfindlichkeit und den Frequenzbereich des Netzwerks: einige 10-16 in der Gravitationsenergiedichte im Durchschnitt über den Himmel, zwischen 1,3 nHz und 5,8 μHz in der Frequenz, wobei die lokale Empfindlichkeit in einer Region der Himmelskugel von der tatsächlichen Verteilung und Stabilität der Pulsare im Netzwerk abhängt.