Superenzym baut Testosteron ab

Männchen von Kampfläufern können überschüssiges Sexualhormon aus ihrem Blut entfernen

21. Januar 2025

Hohe Testosteronspiegel sind im Tierreich häufig mit männlicher Dominanz und Aggression verknüpft. Bei Kampfläufern gibt es jedoch Männchen, für die zu viel Testosteron hinderlich ist. Ein internationales Team mit Forschenden vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz hat nun herausgefunden, wie diese Vögel das Sexualhormon loswerden: Sie produzieren im Blut ein Superenzym, das Testosteron schnell abbaut. Damit zeigt die Studie, dass der Testosteronspiegel über ein einziges Gen reguliert werden kann und dass dies im Blut geschieht – einem Gewebe, dass bisher bei der Regulation von Sexualhormonen wenig in Erscheinung getreten ist.

Testosteron gilt als das Männerhormon: Es trägt unter anderem zum männlichen Erscheinungsbild, zur Geschlechtsentwicklung und zu aggressiven Verhaltenszügen bei. Im Tierreich verknüpfen wir hohe Testosteronspiegel daher mit einem besseren Durchsetzungsvermögen und höheren Fortpflanzungschancen. Testosteron wird hauptsächlich in den Hoden produziert und im Blut an andere Wirkorte im ganzen Körper transportiert.

Eine neue Studie unter Leitung von Clemens Küpper zeigt nun, wie männliche Kampfläufer überschüssiges Testosteron „loswerden“. Dies wirft jedoch die Frage auf, wie die Männchen dieser Vogelart, die heftig um die Gunst der Weibchen konkurrieren, davon profitieren könnten.

Drei Morphe mit unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien

Bei den Kampfläufern gibt es drei verschiedene Morphe an Männchen, die sich im Aussehen und Verhalten voreinander unterscheiden. „Kämpfer“ haben dunklere Federkrägen und verteidigen aggressiv ihr kleines Revier in einer Balzarena, um dort den Weibchen zu imponieren. Die etwas kleineren „Satelliten“ mit hellem Federkragen balzen dagegen in friedlicher in Allianz mit einem ausgewählten Kämpfer. Raffiniert sind die seltenen „Faeder“: Sie sehen den Weibchen zum Verwechseln ähnlich und können sich unbemerkt in Balzarenen einschleichen.

Bei der Strategie der Satelliten und Faeder, die nicht auf einem ausgeprägten Aggressionsverhalten beruhen, ist zu viel Testosteron daher störend. Aus früheren Studien weiß man, dass bei diesen Männchen der Testosteronspiegel im Blut tatsächlich deutlich niedriger ist als bei den Kämpfern.

Regulation von Testosteron

Bislang war sehr wenig über die genetischen Faktoren bei der Regulation von Testosteron bekannt. In Kampfläufern lässt sich dieser Aspekt gut untersuchen, denn die drei Morphe unterscheiden sich nur in einem „Supergen“, einer DNA-Region mit etwa 100 Genen. Dieses entstand vor ungefähr vier Millionen Jahren, als ein Abschnitt eines Chromosoms herausbrach und umgekehrt wieder integriert wurde.

In Genexpressions-Analysen wurden die Forschenden auf ein Gen innerhalb des Supergens aufmerksam. Dabei handelt es sich um die Bauanleitung für ein Enzym, das Testosteron abbaut. Sie stellten fest, dass es besonders häufig in Faedern und Satelliten abgelesen wird – allerdings nicht im Hoden, wo Testosteron produziert wird. Das Team bestimmte daraufhin zunächst die Testosteronmengen im Hoden: Überraschenderweise haben Faeder und Satelliten, anders als im Blut, dort viel mehr Testosteron als Kämpfer. Wie kann es also sein, dass Faeder und Satelliten-Männchen das Sexualhormon in hohem Ausmaß produzieren, im Blut aber nur so wenig davon zirkuliert?

Die Antwort fanden die Forschenden im Blut der Kampfläufer: Das Abbau-Enzym kommt dort bei Satelliten und Faeder in großem Ausmaß vor, fehlt aber gänzlich bei den Kämpfern. „Auf Grund bisheriger Forschungsergebnisse sind wir davon ausgegangen, dass das Enzym im Blut keine Rolle spielt“, erklärt Alex Zemella, einer der Erstautoren. „Unsere Ergebnisse decken daher einen bisher unbekannten Wirkungsort für das Enzym auf. Die Menge an Testosteron kann demnach direkt im Blut reguliert werden – ein Aspekt der bis jetzt übersehen wurde.“

Und nicht nur das: Die Forschenden konnten auch zeigen, dass das Enzym im Laufe der Zeit zu einem richtigen „Superenzym“ mutiert ist und viel effizienter Testosteron abbauen kann als die Enzymvariante in Kämpfern.

Ausgefeilte Strategie beruht auf einem einzigen Gen

Das zeigt, welche ausgefeilten Strategien Männchen im Laufe der Evolution entwickeln, um ihren Fortpflanzungserfolg zu erhöhen. „Alle Männchen benötigen Testosteron in den Hoden zur Spermienproduktion“, erklärt Jasmine Loveland, Erstautorin der Studie. „Das Hormon hat aber auch andere Effekte, zum Beispiel im Gehirn, wo es das Aggressions- und Balzverhalten fördern kann. Interessanterweise weisen die nicht-aggressiven Kampfläufer auch dort, insbesondere im Hypothalamus, erhöhte Werte des Superenzyms auf. Dies und die niedrigen Testosteronspiegel im Blut, spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei ihren alternativen Fortpflanzungsstrategien.“

Die Erkenntnis, dass Testosteronspiegel durch genetische Änderungen an einem einzigen Gen beeinflusst werden können, eröffnet eine Vielzahl neuer Forschungsmöglichkeiten. So will das Team zukünftig genauer untersuchen, wie das komplexes Sozialverhalten bei Kampfläufern reguliert wird und der Diversität innerhalb der Geschlechter weiter auf den Grund gehen.

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In Kampfläufer gibt es drei genetische Varianten, die bei den Männchen zu unterschiedlichem Aussehen und Balzverhalten führen. Die aggressiven Kämpfer (links) haben mehr Testosteron im Blut als die beiden anderen Morphen (rechts ist ein Satelliten-Männchen zu sehen). Dieser Unterschied wird durch ein einziges Gen reguliert.
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