Forschungsbericht 2006 - Max-Planck-Institut für Kernphysik
Methan, Pflanzen und Klima
Methane, Plants, and Climate
MPI für Kernphysik, Heidelberg
Methanentstehung und Klima
In den letzten Jahren ist die Biosphäre immer mehr in den Blickpunkt der Forschung geraten, gerade was den Austausch klimarelevanter Gase zwischen Biosphäre und Atmosphäre betrifft. Ohne die von der Natur freigesetzten Treibhausgase wäre die Erde praktisch unbewohnbar. Die durchschnittliche Temperatur auf der Erdoberfläche betrüge dann nämlich etwa minus 18°C statt der heutigen plus 15°C. Vor allem der Wasserdampf in unserer Atmosphäre trägt maßgeblich (zu ca. 60%) zu diesem Effekt bei, aber auch Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) sind am natürlichen Treibhauseffekt beteiligt. Seit Beginn des Industriezeitalters hat der Mensch allerdings begonnen, zusätzlich Treibhausgase zu produzieren, beispielsweise durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Erdgas und durch die Veränderung in der Landwirtschaft. Fast alle Klimaforscher sind sich heute einig, dass dieser so genannte „anthropogene Treibhauseffekt“ das Weltklima erheblich beeinflusst – und zwar vielfach zum Nachteil der Menschen.
Methan ist nach Kohlendioxid das zweitwichtigste anthropogene Treibhausgas, das zur Klimaveränderung beiträgt [1]. Es ist als Treibhausgas 21-mal wirkungsvoller als Kohlendioxid und nur deshalb die Nummer zwei unter den Klimagasen, weil es in der Atmosphäre in viel kleineren Mengen vorkommt. Die Konzentration von Methan in der Atmosphäre hat sich in den vergangenen 150 Jahren nahezu verdreifacht, seit der letzten Eiszeit sogar verfünffacht. Am bekanntesten ist Methan als Erdgas, das heute eine wichtige Rolle in der Energieversorgung spielt. Trotzdem geht nur ein Teil der Zunahme in der Atmosphäre auf das Konto von industriellen Aktivitäten, die direkt mit der Energieerzeugung und -verbrennung verbundenen sind. Weit stärker hat die Nahrungsmittelversorgung der rasch zunehmenden Weltbevölkerung die Methankonzentration beeinflusst – durch Emissionen von Methan aus so genannten „biogenen“ Quellen, z.B. Reisanbau oder Rinderhaltung und Schafzucht. In der Tat ist das atmosphärische Methan heute überwiegend biogenen Ursprungs.
Als die größten natürlichen Methanquellen werden Sumpf- und Moorgebiete angesehen. Dort nämlich finden methanogene Bakterien oder Archaea – so die wissenschaftliche Bezeichnung der Methan produzierenden Mikroorganismen –, die in sauerstofffreien Habitaten leben, ideale Lebensbedingungen. Denn sobald größere Mengen an Sauerstoff vorhanden sind, können andere Mikroorganismen in Konkurrenz treten und das organische Material zu Kohlendioxid oxidieren. Sind Oxidationsmittel wie Sauerstoff jedoch verbraucht, können die Archaebakterien ihre Methan-Produktion anwerfen. Dabei werden Acetat (das Salz der Essigsäure) oder Wasserstoff und Kohlendioxid zu Methan umgewandelt, die ihrerseits beim anaeroben Abbau von organischem Material entstehen. Bisher nahm man also an, dass biogenes Methan grundsätzlich durch Mikroorganismen und unter Ausschluss von Sauerstoff, also anaerob gebildet wird. Nach bisherigen Schätzungen machen die biogenen Quellen (natürlichen und anthropogenen Ursprungs) nahezu zwei Drittel der Methanmengen von etwa 600 Millionen Tonnen aus, die weltweit in die Atmosphäre freigesetzt werden (siehe Abb. 1).
Freisetzung von Methan aus Pflanzen
In der Gruppe Isotopen-Atmosphärenphysik am Max-Planck-Institut für Kernphysik hat die Untersuchung von Pflanzen zu einer spektakulären Entdeckung geführt. Die Forscher untersuchten verschiedene Pflanzen mittels der Analyse stabiler Isotope auf die Bildung organischer Spurengase und stellten dabei zu ihrer eigenen Überraschung erhöhte Methankonzentrationen in den Versuchsgefäßen fest. Aus dieser Beobachtung wurde die Vermutung geäußert, dass Pflanzen Methan freisetzen und zwar in ganz normaler sauerstoffreicher Umgebung. Diese Hypothese führte zu gezielten Versuchen, die im weiteren Verlauf der Untersuchungen schließlich Pflanzen selbst als Methan-Produzenten bestätigten [2]. Zuerst wurden abgestorbene und frische Laubblätter in kleinen Glasgefäßen (Abb. 2 oben) bei unterschiedlichen Temperaturen untersucht (Abb. 2 unten). Die inkubierten Blätter setzten sowohl bei 30°C Methan frei, aber auch noch bei höheren Temperaturen. Stieg die Temperatur um zehn Grad, verdoppelte sich die Methanmenge. Hierbei handelte es sich um ganz kleine Mengen, die nur mit einer hochauflösenden Analytik zu erkennen waren.
Neben dem Methan-Gehalt wurde gleichzeitig die isotopische Zusammensetzung – das Verhältnis von leichtem Kohlenstoff 12C und schwerem Kohlenstoff 13C – in der Probe gemessen. Die Isotopenanalyse dient als wichtiges Hilfsmittel, um die Herkunft des Methans zu überprüfen. Damit konnte eindeutig gezeigt werden, dass das beobachtete Methan aus den Pflanzen selbst stammt und nicht durch eine Kontamination oder andere Quelle hervorgerufen wurde. In einem weiteren Schritt untersuchten die Wissenschaftler im Labor und im Freien auch die Freisetzung von Gasen an lebenden Pflanzen, wie Mais und Weidelgras (Abb. 3 oben). Hierbei zeigte sich, dass die lebenden Pflanzen sogar 10- bis 100-mal mehr Methan freisetzten als abgestorbenes Pflanzenmaterial (Abb. 3 unten). Zudem stellten die Forscher fest, dass sich die Methan-Bildungsrate noch drastisch erhöhte, wenn die Pflanzen der Sonne ausgesetzt waren.
Zwangsläufig stellt sich die Frage: Wie und warum produzieren Pflanzen das Treibhausgas Methan? Obwohl es schon einige interessante Hypothesen gibt, ist noch völlig ungeklärt, welcher Prozess der Bildung von Methan in Pflanzen eigentlich zugrunde liegt. Mit dem herkömmlichen Lehrbuchwissen wird es wahrscheinlich nicht zu erklären sein. Ebenso interessant ist die Frage, wie viel Methan aus der globalen Vegetation freigesetzt wird. Den ersten vereinfachten Schätzungen zufolge könnten terrestrische Pflanzen auf der Erde zwischen 60 und 240 Millionen Tonnen Methan pro Jahr produzieren. Dies würde bedeuten, dass etwa 10 bis 40 Prozent der jährlichen Methanemissionen aus der Vegetation kommen. Mit diesen Schätzungen lassen sich auch die unerwartet hohen Methankonzentrationen über tropischen Wäldern erklären, die von einer Forschungsgruppe der Universität Heidelberg bei Satellitenbeobachtungen gemessen wurden und mit dem bisherigen Wissen nur unzureichend erklärt werden konnten [3]. Mittlerweile gibt es aber eine Vielzahl anderer Hochrechnungen, bei denen die jährlichen Emissionsraten reduziert wurden und auf ca. 20 bis 100 Millionen Tonnen Methan pro Jahr [4-6] geschätzt werden.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die jüngsten Arbeiten lieferten einen ersten Einblick in die Bildung von Methan aus Pflanzen, ein Phänomen, welches sich mit herkömmlichen Lehrbuchwissen nicht erklären lässt. Aufbauend auf dieser Entdeckung sollen nun neben Laborversuchen auch umfangreiche Feldstudien und Fernerkundungsmethoden eingesetzt werden, um die Stärke dieser Methanquellen besser abschätzen zu können. Darüber hinaus stellt sich die spannende Frage, welche Rolle die Biosphäre bei der Methanbildung in der Erdgeschichte gespielt hat und welchen Einfluss steigende globale Temperaturen und immer höhere Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre auf die Produktion von Methan aus Pflanzen haben werden. Antworten auf diese Fragen sind wichtig, um Rückkopplungsprozesse zwischen der Klimaentwicklung und der Produktion von Treibhausgasen abschätzen zu können.