„Du bist, was Du isst“

Sozialer Status beeinflusst den Zugang zu hochwertiger Nahrung bei Bonobos

Bei wildlebenden Bonobo-Männchen bestimmt der soziale Rang, ob sie von Nahrung, die höher in der komplexen Nahrungskette des Waldes steht, ausgeschlossen werden. Zu dieser Erkenntnis gelangt ein Team von Primatenforschern und Anthropologen am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie aus Leipzig mithilfe von Isotopenanalysen von Haarproben freilebender Bonobos.

Beobachtende Feldstudien zum Fressverhalten wildlebender Primaten geben Auskunft zur Art und Menge der aufgenommenen Nahrung. Trotz der Erkenntnisse aus der direkten Beobachtung der Tiere bleibt jedoch stets unklar, welche Nährstoffe aufgeschlossen und in den Stoffwechsel eingebunden werden. Daher besteht großes Interesse an biochemischen Markersubstanzen, die etwas über die tatsächliche Aufnahme von Nährstoffen in den Körper aussagen.

Die Isotopen-Biochemie ist eine in der modernen Anthropologie verwendete Methode, um zwischen tierischen und pflanzlichen Proteinquellen zu unterscheiden und die Position in der jeweiligen Nahrungskette zu bestimmen. Nach dem Grundsatz „Du bist, was du isst“ werden die chemischen Elemente der Nahrung in den Körper eingebaut. Durch die massenspektrometrische Messung der stabilen Isotope der Elemente Kohlenstoff und Stickstoff im Körpergewebe - z. B. in Muskeln, Haaren und Knochen - lassen sich die dominanten Nahrungsquellen rekonstruieren. Diese Methode wird am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie vor allem in der archäologischen Forschung bei prähistorischem Skelettmaterial angewendet, wie zum Beispiel beim Neandertaler.

Seit Jahren erforscht ein internationales Team unter der Leitung von Gottfried Hohmann im kongolesischen Salonga Nationalpark jetzt die Nahrungsgewohnheiten von Bonobos. „Diese friedlichen Menschenaffen, die für lange Zeit als reine Vegetarier galten, ernähren sich wie andere Menschenaffen auch überwiegend von Früchten und Blättern, verzehren daneben aber auch Insekten und machen Jagd auf Waldantilopen und andere Affen“, berichtet Gottfried Hohmann. In einer interdisziplinären Studie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie wurde die Ernährung der seltenen Regenwaldbewohner nun mit modernsten biochemischen Methoden untersucht, die auch bei fossilen Vormenschen Aufschluss über deren Ernährung geben. Dazu entnahmen die Forscher Haare aus den in den Bäumen gelegenen Schlafnestern der Bonobos, die anschließend von Vicky Oelze im Isotopenlabor des Instituts biochemisch untersucht wurden. „Haare haben den Vorteil, dass sie schnell wachsen, zirka. einen Zentimeter pro Monat, und so auch Informationen über relativ kurzfristige Veränderungen in der Nahrungsaufnahme speichern“, erklärt Vicky Oelze.

Die Ergebnisse der Messung im Massenspektrometer überraschten die Forscher. Die Isotopensignatur der Tiere spricht für eine rein pflanzliche Kost, der Proteinbedarf wird von Früchten und Blättern abgedeckt. Zudem lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Bonobos nachweisen. Bemerkenswert ist, dass der gelegentliche Konsum von Fleisch keinen Nährstoff-Vorteil zu bieten scheint, der sich als Signal in den Proteinen des Körpergewebes nachweisen ließe. Deutliche Unterschiede in der Proteinversorgung fanden sich dagegen bei den Proben der männlichen Gruppenmitglieder. Ranghohe Männchen nehmen Protein aus höheren Stufen der Nahrungskette auf als rangniedere, die offenbar durch die Gruppe von gewissen Nahrungsquellen ausgeschlossen werden. Diese Nahrungsquellen könnten besondere Früchte, oder eben auch tierische Proteinquellen beinhalten. Soziale Dominanz bietet demnach nicht nur bei der Fortpflanzung, sondern auch beim Zugang um hochwertige Nährstoffe Vorteile. Unklar ist bislang, ob die Unterschiede in der Proteinaufnahme die allgemeinen Dominanzverhältnisse innerhalb der Gruppe widerspiegeln oder auf individuellen Nahrungsgewohnheiten der Männer basieren.

Geben die Befunde der Studie neue Einblicke in die Ernährung freilebender Menschaffen, so werfen sie gleichzeitig spannende Fragen auf. Besonders drängend erscheint jene, die nach der evolutionären Funktion von Jagd und Fleischverzehr sucht. Möglicherweise weist die Jagd eine wichtige soziale Komponente auf, in der das Teilen der Beute mit Verwandten und Freunden eine Schlüsselrolle spielt. Gleichzeitig kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verzehr von tierischer Nahrung Zugang zu wichtigen Mineralien wie Eisen, Calcium und Zink bietet, die den erfolgreich jagenden Weibchen in der Schwangerschaft und Stillzeit einen selektiven Vorteil verschaffen.

VO/GH/BA

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht